GIESSEN/WETZLAR (dpa) — Die Infek­ti­on ist längst vorbei, die Nachwir­kun­gen noch nicht. Das kennt manch ein Covid-19-Patient. Es gibt Anlauf­stel­len für Betrof­fe­ne, doch die Nachfra­ge ist groß.

Manche der Covid-19-Patien­ten spüren noch lange die Nachwir­kun­gen der Virus­in­fek­ti­on, selbst wenn diese milde verlau­fen ist. Zwar gibt es nun erste Anlauf­stel­len für Betrof­fe­ne, doch der Aufbau von Hilfs­struk­tu­ren braucht Zeit — und mitun­ter Eigeninitiave.

Keine Kraft, Konzen­tra­ti­ons­pro­ble­me, Atemnot oder fehlen­der Geruchs- und Geschmacks­sinn: Das können Langzeit­fol­gen einer überstan­de­nen Covid-19-Erkran­kung sein — entspre­chend auch Long Covid genannt, als langes Covid. Davon betrof­fen ist auch die Wetzla­rer Gefäß­chir­ur­gin und Oberärz­tin an den Wetzla­rer Lahn-Dill-Klini­ken, Claudia Ellert. Sie erkrank­te nach eigenen Angaben im Novem­ber und durch­leb­te einen «leich­ten bis mittel­schwe­ren Verlauf, so wie es im Prinzip klassisch ist für viele Long-Covid-Patien­ten». Die Folgen spürt die 48-Jähri­ge noch immer.

Noch zu wenige Anlaufstellen

«Dieses Leitsym­ptom, diese Belas­tungs­in­to­le­ranz, die muss man ernst nehmen, damit man eine Chance hat, aus diesem Zustand heraus­zu­kom­men», sagt die Medizi­ne­rin. Nötig seien Angebo­te, um das Verständ­nis und die Akzep­tanz für die Krank­heit zu stärken und die Betrof­fe­nen aufzu­fan­gen. Doch es gebe zu wenige Anlaufstellen.

Also wurde Ellert, wie sie weiter erzählt, selbst aktiv und initi­ier­te eine spezi­el­le Reha-Sport­grup­pe, die im Mai in Zusam­men­ar­beit mit dem Wetzla­rer «Rehazen­trum kernge­sund!» an den Start gehen soll. Inhal­te: Bewegungs- und Atemthe­ra­pie, Entspan­nungs­tech­ni­ken, gegebe­nen­falls auch Kranken­gym­nas­tik oder Psycho­the­ra­pie. Ambulan­te Angebo­te könnten auch helfen, überlau­fe­ne, statio­nä­re zu entlas­ten, sagt die Ärztin.

Vor kurzem hatte die Deutsche Gesell­schaft für Medizi­ni­sche Rehabi­li­ta­ti­on wegen steigen­der Corona-Neuin­fek­tio­nen auf Versor­gungs­lü­cken in der Nachsor­ge von Corona-Patien­ten hinge­wie­sen. So würden in Reha-Klini­ken lange Warte­zei­ten für Long-Covid-Patien­ten entste­hen, hatte der Verband mitgeteilt.

Post-Covid-Ambulanz

Patien­ten mit Langzeit­fol­gen haben auch Ärzte an der Frank­fur­ter Uni-Klinik sowie am Uni-Klini­kum Gießen und Marburg (UKGM) im Blick. Am UKGM wurde noch in der ersten Welle der Pande­mie, im Mai 2020, eine Post-Covid-Ambulanz einge­rich­tet. Ziel sei es, die Menschen nicht nur zu behan­deln, sondern auch Kennt­nis­se über die Erkran­kung und ihre Folgen zu sammeln, sagt Oberarzt Ulrich Matt. Bislang seien 120 bis 140 Perso­nen vorstel­lig gewor­den. Wegen der großen Nachfra­ge könne sich die Ambulanz derzeit nur um Patien­ten kümmern, die zuvor am UKGM statio­när behan­delt wurden.

Dem Medizi­ner zufol­ge gibt es — grob einge­teilt — zwei Patien­ten­grup­pen: Die einen, die einen schwe­ren Verlauf hatten und zum Beispiel Lungen­schä­den erlit­ten haben, sowie Patien­ten mit eher leich­tem Verlauf, die aber nach einer Infek­ti­on über Beschwer­den klagen. «Häufig geht es um Müdig­keit, Atemnot, Brust­schmer­zen und manch­mal — was wirklich auch covid­ty­pisch ist — um Geruchs- und Geschmacks­stö­run­gen, die auch manch­mal lange brauchen, bis sie sich zurückbilden».

Geduld beim Genesungsprozess

Zu den bislang gewon­ne­nen Erkennt­nis­sen gehört Matt zufol­ge, dass es Geduld braucht für den Genesungs­pro­zess. Der Faktor Zeit helfe. «Es wird bei allen Patien­ten, die wir gesehen haben, besser. Es gibt auch nach zwölf Monaten und auch bei leich­ten Verläu­fen Patien­ten, die noch über Beschwer­den klagen — aber in Summe ist das Befin­den massiv besser. Es gibt nieman­den, bei dem es gleich bleibt oder sich verschlechtert.»

Selbst­hil­fe­grup­pen

Wichtig wäre für Long-Covid-Betrof­fe­ne auch der Austausch in Selbst­hil­fe­grup­pen, sagt Claudia Ellert. «Es geht ja primär um viel Verständ­nis und Akzep­tanz der Erkran­kung. Und ich glaube, dass man das in Selbst­hil­fe­grup­pen gut abfan­gen kann.»

Bundes­weit gibt es erste Selbst­hil­fe­grup­pen: Die Natio­na­le Kontakt- und Infor­ma­ti­ons­stel­le zur Anregung und Unter­stüt­zung von Selbst­hil­fe­grup­pen (Nakos) hat derzeit Kennt­nis von knapp 20 Gruppen, bestehen­de oder geplan­te, die sich an Long-Covid-Betrof­fe­ne richten. Hinzu kommen Gruppen in den Sozia­len Medien.

Von Carolin Ecken­fels, dpa