Während sich der Wolf seit seiner Rückkehr nach Deutsch­land im Jahr 1998 langsam weiter ausbrei­tet, scheint er Baden-Württem­berg weiter nur als eine Art Durch­gangs­land zu betrach­ten. Von den 161 Rudeln (Vorjahr 158) und den 43 Paaren (Vorjahr 35) sei keines im Südwes­ten bekannt, teilten das Bundes­amt für Natur­schutz (BfN) und die Dokumen­ta­ti­ons- und Beratungs­stel­le des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) am Montag in Bonn mit. Weiter­hin lebten drei einzel­ne Tiere als «Stamm­gäs­te» fest im Schwarz­wald. Als sesshaft gilt ein Wolf, wenn ein eindeu­tig zuzuwei­sen­der Nachweis auch nach sechs Monaten noch gefun­den wird.

Wölfe können bei ihren Wande­run­gen auf der Suche nach neuem Lebens­raum zwar sehr große Strecken zurück­le­gen, wie Felix Böcker von der Forst­li­chen Versuchs- und Forschungs­an­stalt Baden-Württem­berg (FVA) erklär­te. Zunächst besie­del­ten sie aber vor allem die Regio­nen, die in der Nähe der «Quell­re­gi­on» lägen. «Einzel­ne Wölfe jedoch können sehr viel weiter wandern und landen so auch in Regio­nen, in denen noch nicht so viele Wölfe vorkom­men, darun­ter auch Baden-Württem­berg, sagte Böcker. «Dadurch kann die Entwick­lung in manchen Regio­nen schnel­ler voran­schrei­ten als in anderen.»

Aus Sicht der Freibur­ger Exper­ten ist es aber auch nur eine Frage der Zeit, bis auch in Baden-Württem­berg erste Wolfs­paa­re Welpen zur Welt bringen und sich weite­re Rudel bilden. «In der Folge würde auch hierzu­lan­de die Entwick­lung der Zahlen schnel­ler voran­schrei­ten», sagte Böcker. Es sei Zufall, dass bisher nur Rüden im Südwes­ten sesshaft gewor­den seien.

Die meisten Wolfs­ru­del lebten laut dem Bericht von BfN und DBBW 2021/2022 in Branden­burg (47), gefolgt von Nieder­sach­sen (34) und Sachsen (31). Im einwoh­ner­stärks­ten Bundes­land Nordrhein-Westfa­len waren es 2 Rudel. Bundes­weit wird die nachweis­ba­re Zahl der Wölfe in den bekann­ten Wolfs­ge­bie­ten für das Wolfs­jahr auf 1175 bezif­fert, wobei der Gesamt­be­stand unter anderem wegen der viele Kilome­ter weiten Wande­run­gen der Tiere nicht seriös bezif­fert werden kann. Es gibt auch keine Vergleichs­zahl zum Vorjahr.

Während sich Natur­schüt­zer freuen und einen Erfolg im Kampf gegen das Ausster­ben von Tierar­ten sehen, macht die Entwick­lung den Nutztier­hal­tern auch in Baden-Württem­berg große Sorgen. Denn der Wolf hat keine natür­li­chen Feinde und steht in Deutsch­land als streng geschütz­te Art unter Natur­schutz. Ein Abschuss ist verbo­ten, es sei denn, die eigent­lich Menschen gegen­über scheu­en Wölfe verhal­ten sich in der Begeg­nung mit Menschen aggres­siv. Dann erlaubt das Bundes­na­tur­schutz­ge­setz einen Abschuss — offizi­ell «Entnah­me» genannt. Ein solcher Fall unpro­vo­ziert aggres­si­ven Wolfs­ver­hal­tens ist seit 1998 laut dem Bericht aber noch nicht aufgetreten.

Zuletzt hatte die baden-württem­ber­gi­sche FDP-Frakti­on auf den rechts­si­che­ren Abschuss von sogenann­ten Problem­wöl­fen gepocht. Der Wolf müsse — aller­dings mit ganzjäh­ri­ger Schon­zeit — endlich ins Jagd- und Wildtier­ge­setz überführt werden, hatten die Libera­len gefordert.

Laut FVA sind im vergan­ge­nen Jahr in Baden-Württem­berg 13 Übergrif­fe von Wölfen sicher nachge­wie­sen worden, dabei wurden 42 Tiere geris­sen — vor allem Schafe und Ziegen, aber auch ein Rind.

Bis Anfang Mai galten im Südwes­ten noch vier Wölfe als sesshaft, aller­dings fehlt von einem einst im Odenwald nachge­wie­se­nen Tier weiter jede Spur, so dass er nicht mehr als resident gilt. Derzeit leben also drei Exempla­re dauer­haft in Baden-Württem­berg, ihr Lebens­raum ist im Enztal, am Feldberg und am Schluch­see. Wird ein Wolf zum «Stamm­gast», wird in der Region ein Förder­ge­biet ausge­wie­sen. Dort gelten dann beson­de­re Anfor­de­run­gen für den Herden­schutz — er muss wolfs­ab­wei­send sein. Im Gegen­zug erstat­tet das Land im Förder­ge­biet nahezu sämtli­che Kosten für den zusätz­li­chen Herdenschutz.