BERLIN/DÜSSELDORF (dpa) — Omikron beginnt sich in Deutsch­land auszu­brei­ten. Trotz massi­ver Impfkam­pa­gne scheint der Ausweg aus der Pande­mie weit. Nordrhein-Westfa­lens Minis­ter­prä­si­dent mahnt Kontakt­be­schrän­kun­gen an.

Die Corona-Pande­mie wird sich nach Einschät­zung des Vorsit­zen­den der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz, Hendrik Wüst (CDU), auch im kommen­den Jahr stark auf den Alltag in Deutsch­land auswirken.

Der nordrhein-westfä­li­sche Regie­rungs­chef warb bereits um Verständ­nis für weite­re Erschwer­nis­se. «Wir tun alles für die baldi­ge Rückkehr zur Norma­li­tät, aber wir als Politik müssen ehrlich sein: Corona wird uns auch im neuen Jahr noch sehr beschäf­ti­gen und viel abver­lan­gen», sagte Wüst der Deutschen Presse-Agentur in Düssel­dorf. «Auch im neuen Jahr werden Einschrän­kun­gen im Alltag nötig bleiben werden. Omikron ist eine ganz neue Dimen­si­on der Herausforderung.»

Exper­ten befürch­ten Trendumkehr

Die Corona-Zahlen in Deutsch­land sind zwar zuletzt gesun­ken, aber Exper­ten befürch­ten wegen der anste­cken­de­ren Varian­te eine baldi­ge Trend­um­kehr. Die Bundes­vor­sit­zen­de der Ärztin­nen und Ärzte des öffent­li­chen Gesund­heits­diens­tes, Ute Teichert, wies erneut auf bereits bestehen­de Lücken in der Kontakt-Nachver­fol­gung von Corona-Infizier­ten hin. «Eine flächen­de­cken­de Nachver­fol­gung findet im Moment fast gar nicht mehr statt.» Mehre­re Länder wie Baden-Württem­berg, Berlin und Hamburg hätten die Suche nach Kontakt­per­so­nen sogar komplett ausge­setzt. Man gehe dort davon aus, dass sich die Menschen selbst infor­mier­ten, was bei einem positi­ven Testergeb­nis oder einem Risiko­kon­takt zu tun sei.

Eine Spreche­rin der Berli­ner Gesund­heits­ver­wal­tung wies die Aussa­ge Teicherts zurück. «Die Darstel­lung, dass Berlin zu den Bundes­län­dern gehöre, in denen die Gesund­heits­äm­ter keine Kontakt­nach­ver­fol­gung im Rahmen der Corona-Pande­mie mehr gewähr­leis­ten, ist nicht korrekt», sagte sie. «Die Berli­ner Gesund­heits­äm­ter leisten die Kontakt­nach­ver­fol­gung gemäß den Richt­li­ni­en des RKI. In acht Gesund­heits­äm­tern ist zudem die Bundes­wehr dafür im Einsatz.»

Wüst betont Kontaktreduktion

Wüst beton­te, in diesen Wochen gehe es darum, Kontak­te wieder deutlich zu reduzie­ren. Auch Masken und Hygie­ne­maß­nah­men würden die Bürger noch monate­lang beglei­ten. «Die Auffri­schungs­imp­fun­gen und etwaige weite­re Impfun­gen sind der wichtigs­te Baustein der Pandemiebekämpfung.»

Dennoch gebe es durch­aus Hoffnung auf ein Ende der Pande­mie. «Durch die Verfüg­bar­keit von genügend Impfstoff haben wir ja die Chance, uns gut zu schüt­zen.» Leider sei die Strate­gie noch nicht, wie ursprüng­lich erhofft, aufge­gan­gen. «Die gerin­ge Impfquo­te in manchen Teilen Deutsch­lands hat uns bislang einen Strich durch die Rechnung gemacht», sagte der MPK-Vorsit­zen­de. Der Weg heraus aus der Pande­mie führe aber nur über Impfun­gen. «Ich hoffe, dass die Impfpflicht zügig kommt und auch dazu beiträgt, dass es dann eine gesell­schaft­li­che Befrie­dung gibt.»

Sorge vor fünfter Corona-Welle

Das Bundes­amt für Bevöl­ke­rungs­schutz und Katastro­phen­hil­fe (BBK) geht davon aus, dass eine fünfte Corona-Welle keinen Kollaps kriti­scher Infra­struk­tu­ren in Deutsch­land zur Folge haben werde. «Eine fünfte Welle könnte zwar zu Einschrän­kun­gen führen, aber nicht zu einem Zusam­men­bruch», sagte ein Sprecher dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land. «Es gibt keinen Grund, das anzuneh­men. Es gibt Reser­ven. Wir sind mit unserem Latein nicht am Ende.» Es werde wohl noch bis Jahres­be­ginn dauern, bis sich Omikron in Deutsch­land voll auswirke.

Der BBK-Sprecher lobte zugleich die Vorbe­rei­tung auf die bishe­ri­gen Wellen. «Wir haben vier Wellen, die schon wuchtig waren, ohne Einschrän­kun­gen gemeis­tert — mit Ausnah­me der Inten­siv­sta­tio­nen.» Das liege daran, dass die Verant­wort­li­chen auf so etwas vorbe­rei­tet seien, weil entspre­chen­de Pläne existierten.

Der Deutsche Städte- und Gemein­de­bund hinge­gen fordert von Bund und Ländern eine länger­fris­ti­ge Planung. Dazu gehöre etwa auch die frühzei­ti­ge Vorbe­rei­tung einer mögli­chen allge­mei­nen Impfpflicht, sagte Haupt­ge­schäfts­füh­rer Gerd Lands­berg den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe. «Alle wissen, dass die neue Omikron-Welle kommt. Diese fünfte Welle kann für unser Land und insbe­son­de­re für das gesam­te Gesund­heits­sys­tem zu einer regel­rech­ten Wand werden.» Es werde nach wie vor «viel zu sehr auf Sicht gefahren».

Kritik an Begriff «Corona-Dikta­tur»

Bei Protes­ten gegen Corona-Maßnah­men wird immer wieder der Begriff Dikta­tur verwen­det. Der Berli­ner Landes­be­auf­trag­te zur Aufar­bei­tung der SED-Dikta­tur sieht darin eine Verharm­lo­sung. «Ich bin sehr dafür, dass man die Verhält­nis­se in einer Demokra­tie und einer Dikta­tur vergleicht, aber dabei muss man klar die Unter­schie­de heraus­stel­len», sagte Tom Sello der dpa. In der Bundes­re­pu­blik seien Meinungs­äu­ße­run­gen, Versamm­lun­gen und die Gründung von Verei­nen möglich — anders als früher in der DDR. «Menschen, die das gleich­set­zen, verken­nen eben nicht nur unsere heuti­gen Verhält­nis­se, sondern die verharm­lo­sen auch die Dikta­tur. Sie tun den Menschen Unrecht, die in Dikta­tu­ren leben und unter diesen Verhält­nis­sen leiden.»