POTSDAM (dpa) — Auch nach stunden­lan­gen Tarif­ver­hand­lun­gen für den öffent­li­chen Dienst bleibt der Ausgang zunächst offen. Neue Streiks könnten auch ohne einen Durch­bruch noch abgewen­det werden.

Arbeit­ge­ber und Gewerk­schaf­ten ringen weiter um eine Lösung im Tarif­streit um den öffent­li­chen Dienst. Die Spitzen­ver­tre­ter von Bund und Kommu­nen sowie der Gewerk­schaft Verdi und des Beamten­bunds dbb setzten dazu ihre Verhand­lun­gen in Potsdam fort.

Die Tarif­par­tei­en waren in ihren Positio­nen zunächst noch weit vonein­an­der entfernt, wie es aus Verhand­lungs­krei­sen hieß. Am Vortag hatten sie ihre Gesprä­che hinter verschlos­se­ner Tür unterbrochen.

Völlig offen war, ob in der bis Mittwoch angesetz­ten dritten Verhand­lungs­run­de ein Kompro­miss erzielt werden kann. Nach den massi­ven Warnstreiks der vergan­ge­nen Wochen könnten so weite­re Ausstän­de verhin­dert werden. Bundes­in­nen­mi­nis­te­rin Nancy Faeser (SPD) hatte sich zum Auftakt am Montag «sehr zuver­sicht­lich» gezeigt, «dass wir diese Woche auch zu einer guten Lösung kommen werden».

Gelingt in Potsdam hinge­gen kein Durch­bruch, könnte eine Urabstim­mung bei den Gewerk­schaf­ten über Erzwin­gungs­streiks folgen. Betrof­fen sein könnten erneut der öffent­li­che Verkehr und zahlrei­che weite­re Berei­che wie etwa Kitas, Klini­ken oder Müllab­fuhr. Doch muss es nicht in neue Streiks münden, wenn beide Seiten ohne Kompro­miss ausein­an­der­ge­hen. Bereits am Vortag hatte dbb-Chef Ulrich Silber­bach Speku­la­tio­nen über eine mögli­che Schlich­tung angestellt.

Szena­rio Schlichtung

Bei einer Schlich­tung wird versucht, festge­fah­re­ne Verhand­lun­gen mit Hilfe von unabhän­gi­gen Schlich­tern doch noch zu einem Durch­bruch zu verhel­fen. Um dieses Verfah­ren in Gang zu setzen, reicht es, wenn eine Seite die Verhand­lun­gen für vorerst geschei­tert erklärt und die Schlich­tung anruft.

In einem so initi­ier­ten Schlich­tungs­ver­fah­ren legt eine eigens dafür einbe­ru­fe­ne unabhän­gi­ge Kommis­si­on in festge­setz­ten Fristen einen Lösungs­vor­schlag vor, über den dann erneut verhan­delt wird. Falls noch in der laufen­den Woche ein Schlich­tungs­ver­fah­ren startet, wären weite­re Warnstreiks bis nach Ostern vom Tisch — denn in der Zeit herrscht Friedens­pflicht. Unabhän­gig vom öffent­li­chen Dienst hatte bereits die Bahnge­werk­schaft EVG für ihren Tarif­streit mit den Bahnun­ter­neh­men angekün­digt, für die Tage bis und während Ostern keine Warnstreiks mehr ausrufen.

Als weite­res Szena­rio besteht die Möglich­keit, dass die Verhand­lun­gen für die öffent­lich Beschäf­tig­ten erneut vertagt werden und eine vierte Gesprächs­run­de einbe­ru­fen wird. Doch wurde das in Verhand­lungs­krei­sen als wenig wahrschein­lich eingestuft.

Forde­rung unter anderem nach 10,5 Prozent mehr Einkommen

Zur Zuspit­zung der Verhand­lun­gen haben die hohe Infla­ti­on und die klamme Haushalts­la­ge vieler Kommu­nen beigetra­gen. Die Gewerk­schaft Verdi und der Beamten­bund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkom­men, mindes­tens aber 500 Euro mehr im Monat. Die Laufzeit soll zwölf Monate betra­gen. Empört hatten Verdi und dbb ein Angebot der Arbeit­ge­ber vom Febru­ar zurückgewiesen.

Das Angebot umfass­te 5 Prozent mehr Lohn in zwei Schrit­ten bei einer Laufzeit von 27 Monaten. Zudem bieten die Kommu­nen Einmal­zah­lun­gen von zunächst 1500 und später noch einmal 1000 Euro. Die Gewerk­schaf­ten wollen keinen Abschluss ohne Infla­ti­ons­aus­gleich insbe­son­de­re für die unteren Lohngrup­pen hinnehmen.

Als Erfolg und Demons­tra­ti­on eigner Stärke verbu­chen die Gewerk­schaf­ten ihre teils massi­ven Warnstreiks bis hin zum umfas­sen­den Streik­tag im öffent­li­chen Verkehr von Montag. Von der «größten Warnstreik-Betei­li­gung seit vielen Jahren und Jahrzehn­ten» sprach Verdi-Chef Frank Werne­ke. Eine mögli­che Schlich­tung hatte Werne­ke hinge­gen skeptisch kommentiert.