Die lange Corona-Pause ist dem Deutsch­land-Achter offen­bar nicht gut bekom­men. Der vierte EM-Platz zum Saison­auf­takt in Itali­en sorgt für Ernüch­te­rung. Dagegen macht der Auftritt von Einer-Fahrer Oliver Zeidler Mut für Tokio.

VARESE (dpa) — Coup im Einer, Rückschlag im Achter — die Parade­boo­te des Deutschen Ruder­ver­ban­des (DRV) sind mit Licht und Schat­ten in das Olympia-Jahr gestartet.

Anders als Oliver Zeidler, der im Skiff-Finale auf dem Lago di Varese EM-Gold gewann, ging die Crew um Schlag­mann Hannes Ocik diesmal leer aus. Nach zuvor acht EM-Titeln in Serie mussten sich die Favori­ten mit Rang vier hinter den Briten, Rumänen und Nieder­län­dern begnü­gen. «Das ist ernüch­ternd. Auf den letzten 500 Metern fehlte der Punch, da sind wir vom Kurs abgekom­men», bekann­te der Schwe­ri­ner Ocik.

Damit blieben die Achter-Recken erstmals seit Peking 2008 bei inter­na­tio­na­len Titel­kämp­fen ohne Podest­platz — und das sport­li­che Geschenk zum 62. Geburts­tag ihres Trainers Uwe Bender schul­dig. Wie schon beim vierten Rang zwei Tage zuvor im Vorlauf erwies sich die Konkur­renz auch beim Regat­ta-Showdown in Itali­en als zu stark. Selbst der coura­gier­te Start der Deutschen und die Führung an der 1000-Meter-Marke verhalf nicht zum Erfolg. «Das war defini­tiv ein Warnruf», kommen­tier­te Bugmann Johan­nes Weißen­feld aus Herde­cke. Routi­nier Richard Schmidt reagier­te kämpfe­risch auf den Dämpfer: «Noch ist nichts passiert. Wir werden die anderen jagen.»

Dagegen gelang Oliver Zeidler ein perfek­ter Einstand in die Saison. Unerwar­tet souve­rän gewann der 24 Jahre alte Einer-Fahrer aus Ingol­stadt das Finale. Der Weltmeis­ter von 2019 verwies bei seinem Start-Ziel-Sieg Titel­ver­tei­di­ger Sverri Nielsen aus Dänemark mit einer halben Boots­län­ge Vorsprung auf Rang zwei. «Dieses Rennen gibt Selbst­ver­trau­en», befand Zeidler, sieht aber noch Steige­rungs­po­ten­zi­al: «Ich brauche Rennpra­xis und muss vom Kopf her ruhiger bleiben.»

Abermals als formsta­bil erwies sich der leich­te Doppel­zwei­er. Wie schon im vergan­ge­nen Jahr bei der EM in Posen gewan­nen Jonathan Rommel­mann (Krefeld) und Jason Osbor­ne (Mainz) auch in Varese Silber. Im Ziel lag das DRV-Duo eine Boots­län­ge hinter Irland, verwies aber Titel­ver­tei­di­ger Itali­en auf Rang drei. «Wir haben heute defini­tiv Silber gewon­nen und nicht Gold verlo­ren. Bis Tokio werden wir noch was drauf­pa­cken», versprach Rommel­mann. Mit Bronze sorgte der Frauen-Doppel­vie­rer um Schlag­frau Franzis­ka Kampmann (Waltrop) für die dritte DRV-Medaille.

Trotz des Fehlstarts gilt der Achter neben dem Einer, dem leich­ten Doppel­zwei­er und dem Frauen-Doppel­vie­rer weiter als DRV-Hoffnung für Tokio. Dass noch weite­re Podest­kan­di­da­ten in den 14 olympi­schen Klassen hinzu­kom­men, erscheint derzeit jedoch unwahr­schein­lich. Allein sechs der zwölf gestar­te­ten deutschen Boote verpass­ten in Varese den Final­ein­zug. Gleich­wohl hat DRV-Cheftrai­ner Ralf Holtmey­er die Hoffnung auf einen Leistungs­schub in einzel­nen Problem­klas­sen noch nicht aufge­ge­ben: «Es ist April. Richtung Olympia ist noch viel Zeit, aber wir müssen anfan­gen, die Ärmel hochzukrempeln.»

Auf dem Weg nach Tokio stehen noch drei Weltcups in Zagreb (30. April bis 2. Mai), Luzern (21. bis 23. Mai) und Sabaudia/Italien (4. bis 6. Juni) an. Olympia-Tickets haben bisher erst sechs von mögli­chen 14 deutschen Booten gebucht. Die restli­chen acht Boote müssen Mitte Mai auf dem Rotsee von Luzern in die Nach-Qualifikation.

Von Heinz Büse, dpa