SIGMARINGEN – Für zwölf Tage wurde das Evange­li­sche Gemein­de­haus in Sigma­rin­gen zur Vesper­kir­che und damit zu einem Ort der Gemein­schaft und des Teilens. Gemein­sam veran­stal­tet wurde sie von der Evange­li­schen Kirchen­ge­mein­de und der Johan­nes-Ziegler-Stiftung der Ziegler­schen aus Wilhelms­dorf. Ehren­amt­li­che gaben insge­samt 1450 Mittag­essen aus. Außer­dem nutzten zahlrei­che Menschen die Gelegen­heit zu einem kosten­lo­sen Friseur­be­such und hatten Gelegen­heit sich über Angebo­te von Caritas, Diako­nie, Landkreis und DRK zu infor­mie­ren. Für viele Besucher der Vesper­kir­che standen aber Begeg­nun­gen und Gesprä­che im Mittelpunkt. 

Fisch oder lieber Nudeln mit Spinat­sauce? Eine Tasse Kaffee und ein kleines Stück­chen Kuchen nach der Mahlzeit schme­cken danach auf jeden Fall. Am Freitag hatte die Vesper­kir­che im Evange­li­schen Gemein­de­haus zum letzten Mal geöff­net und beim Mittag­essen waren fast alle Plätze im Paul Gerhardt Saal besetzt. Die Ehren­amt­li­chen hatten alle Hände voll zu tun und bedien­ten trotz­dem jeden Gast freund­lich und wertschät­zend. Nach dem Essen setzte sich Richard Fürst spontan an den Flügel und erfreu­te die Gäste mit seinem Spiel. „Wir sind begeis­tert vom zweiten Jahr Vesper­kir­che in Sigma­rin­gen. Es ist schön zu sehen, wie hier möglich wird, was sonst so oft fehlt: der sprich­wört­li­chen Blick über den Teller­rand und die Begeg­nung ganz unter­schied­li­cher Menschen auf Augen­hö­he“, zieht Vanes­sa Lang, Referen­tin für Freiwil­li­gen­ma­nage­ment und Armuts­dia­ko­nie bei den Ziegler­schen, ein Resümee. 

Gäste unter­stüt­zen die Idee

Zu den Gästen gehör­te auch Arwed Weißschuh. „Das Angebot ist super. Ich war zwei bis drei Mal pro Woche hier und die Vesper­kir­che war immer gut besucht“, berich­te­te er. Er werfe jedes Mal eine Spende in die Box und gehe davon aus, dass das Geld den Menschen zugute­kom­me, die es benöti­gen. Chris­ti­ne Kübler und ihre Schwä­ge­rin Susan­ne Kübler waren am letzten Öffnungs­tag zum ersten Mal in der Vesper­kir­che. „Wir finden es toll hier. Alles ist bestens organi­siert und wir kommen nächs­tes Jahr bestimmt wieder, um diese Idee zu unter­stüt­zen“, waren sich die beiden Frauen einig. Ebenso wie Arwed Weißschuh schätz­ten auch sie die Gesprä­che am Tisch, die sich spontan ergaben. Ein Gast, der seinen Namen nicht nennen wollte, sprach von einer heime­li­gen Atmosphä­re. „In erster Linie war ich an neun von zwölf Tagen hier, um unter Leuten zu sein“, sagte er.

Frisö­rin­nen schnei­den kosten­los die Haare

Zwischen Mittag­essen und Kaffee ließ sich Arwed Weißschuh von der ehren­amt­li­chen Frisö­rin die Haare schnei­den – ebenfalls gegen Spende. Andere waren jedoch sehr froh, dass dieser Frisör­be­such ihr knappes Budget nicht belas­te­te. Frisö­rin Yvette Breisach schnitt Haare, föhnte und sorgte bei ihren Kundin­nen für ein flottes Ausse­hen. „Mir macht es Spaß und ich freue mich, dass ich auf diese Weise Menschen helfen kann“, erklär­te Breisach. Stell­te sie ihre Arbeits­zeit doch ebenso wie ihre Frisör­kol­le­gin­nen ehren­amt­lich zur Verfügung. 

Viele schät­zen die gute Unterhaltung

„Wir tun für unsere Gesell­schaft viel zu wenig“, sagte Claus Löffler zu seiner Motiva­ti­on, sich in der Vesper­kir­che ehren­amt­lich zu engagie­ren. Als Rentner habe er Zeit und wolle sich einbrin­gen. „Wenn ich hier ein Lächeln auf die Gesich­ter der Gäste zaubern kann, freut mich das einfach.“ Barba­ra Gall stell­te fest, dass Leute zum Mittag­essen kommen, die richtig hungrig sind. Dazu würden Famili­en ebenso gehören wie Geflüch­te­te und ältere Menschen. „Gerade die Älteren sagen, dass sie die Gesell­schaft schät­zen und sich hier gut unter­hal­ten“, berich­te­te die Kirchen­ge­mein­de­rä­tin. Am Zulauf könne man sehen, wie wichtig ein Angebot wie die Vesper­kir­che sei. 

Vesper­kir­che auch gegen die Einsamkeit

„Jede Vesper­kir­che, die es gibt, ist toll“, unter­strich Rainer Scheufe­le, Referent für Inklu­si­on und diako­ni­sche Gemein­de­ent­wick­lung des Diako­ni­schen Werks Württem­berg. Vor allem würden sich hier ganz unter­schied­li­che Menschen begeg­nen, die sonst keine Berüh­rungs­punk­te hätten. „In der Vesper­kir­che klappt das super“, so Scheufe­le. Dabei gehe es nicht nur um Menschen mit wenig Geld, sondern auch um einsa­me Menschen. 

Info:
Die Vesper­kir­che in Zahlen
1450 Mittagessen
10 Kilogramm Kaffee
50 Ehrenamtliche
48 Stunden geöffnet
40 Frisörbesuche
8 Beratungsstellen
12 Orgel­spie­le und Abschlussandachten
3 Kulturveranstaltungen