Ein kämpfe­ri­scher Bundes­trai­ner schiebt alle Störfeu­er zur Seite. Für eine grund­le­gen­de Kurskor­rek­tur sieht Joachim Löw keinen Anlass. Gedan­ken an einen Rücktritt habe es nicht gegeben. Das Verhal­ten der DFB-Spitze habe ihn heftig enttäuscht.

«Es gibt keinen Grund, alles über den Haufen zu werfen», sagte der auch nach dem jüngs­ten Vertrau­ens­zu­spruch der DFB-Spitze weiter­hin kriti­sier­te Bundes­trai­ner während einer Video­kon­fe­renz: «Wir verfol­gen unsere rote Linie.»

An einen freiwil­li­gen Rücktritt habe er auch in der größten Frustra­ti­on nicht gedacht, beton­te der 60-Jähri­ge, der seit 2006 die Geschi­cke der deutschen Fußball-Natio­nal­mann­schaft leitet. «Diesen Gedan­ken gab es bei mir nicht», sagte Löw: «Für mich persön­lich, klar, man ist völlig frustriert, diese Nieder­la­ge hängt mir immer noch an und ich stehe mit diesem Frust manch­mal morgens auf. Aber als Trainer weiß man schon, wie kann man es einord­nen und stimmt der Weg.»

Er sei sich bewusst, als Trainer in der Kritik zu stehen. «Ich kann die Wut und Enttäu­schung absolut verste­hen», sagte Löw. Aber er wisse auch, mit Kritik umzuge­hen, dafür sei er lange genug im Geschäft. Das Entschei­den­de aber sei die Entwick­lung der Mannschaft. Und die habe eine große Perspek­ti­ve. «Ich glaube nicht, dass sich die Spieler von so einer Stimmungs­la­ge beein­flus­sen lassen», beton­te Löw.

In einein­halb Jahren des Umbruchs, den Löw verzö­gert nach der misslun­ge­nen WM 2018 einge­lei­tet hatte, hätten Verant­wort­li­che und Akteu­re der Natio­nal­mann­schaft «vieles gut gemacht». Und man habe «klar gesehen, das sich die Mannschaft entwi­ckeln kann und sie sich das Vertrau­en auch verdient», bemerk­te der DFB-Chefcoach und schloss an: «Wir haben große Möglichkeiten.»

Löw räumte jedoch ein, dass «2020 die Entwick­lung stehen geblie­ben ist». Er verwies aber darauf, dass es wegen der Corona­vi­rus-Pande­mie eine lange Pause gegeben habe. Bei drei Spielen in neun Tagen seien kaum Trainings­ein­hei­ten möglich gewesen. «Die klare Direk­ti­ve war, dass wir die Gesund­heit der Spieler über alles stellen. Wir brauchen Spieler, die körper­lich, mental frisch in das Turnier gehen.»

Die EM im kommen­den Sommer sei das Entschei­den­de. Dabei wolle sein Team eine «bestmög­li­che» EM spielen. Im Vorfeld sei es schwie­rig, über genaue Vorga­ben zu sprechen, sagte er. «Die Erwar­tun­gen sind sicher­lich sehr groß, aber das ist unser eigener Anspruch. Wir wollen so weit wie möglich kommen, das Finale errei­chen, das Turnier gewin­nen.» Aber er wisse, dass bei einem Turnier «viele Dinge» passie­ren könnten, sagte Löw: «Wir gehen Schritt für Schritt in ein Turnier.»

Der Bundes­trai­ner machte in seinen Ausfüh­run­gen seine große Enttäu­schung darüber öffent­lich, wie der Deutsche Fußball-Bund nach dem Spani­en-Spiel agiert habe. «Es gab eine Presse­mit­tei­lung, der Trainer brauche emotio­na­le Distanz», sagte Löw: «Das war für mich unver­ständ­lich, weil emotio­na­le Distanz brauche ich nicht.» Er habe sich sehr darüber geärgert, dass in den vergan­ge­nen Tagen Inhal­te aus inter­nen Gesprä­chen mit dem DFB an die Öffent­lich­keit gelangt seien: «Das hat mich persön­lich maßlos enttäuscht.»

Der DFB hatte vor einer Woche — knapp zwei Wochen nach der Nations-League-Partie in Sevil­la — mitge­teilt, dass Löw Bundes­trai­ner bleibe. Am Freitag hatte DFB-Direk­tor Oliver Bierhoff ausführ­lich die Analy­se der sport­li­chen Situa­ti­on vorgestellt.