SAN FRANCISCO (dpa) — Nach monate­lan­gem Hickhack könnte die Übernah­me von Twitter durch Elon Musk nun doch noch zustan­de kommen. Der Tesla-Chef gibt kurz vor dem mit Spannung erwar­te­ten Gerichts­pro­zess klein bei.

Tech-Milli­ar­där Elon Musk will die milli­ar­den­schwe­re Übernah­me nach monate­lan­gem Wider­stand nun doch vollzie­hen. Dabei erklär­te er sich bereit, den von ihm ursprüng­lich gebote­nen Preis von 54,20 Dollar je Aktie zu bezah­len. Seit Monaten versuch­te Musk, aus dem von ihm selbst angesto­ße­nen Deal auszu­stei­gen — doch Twitter wollte ihn unter Verweis auf ihre Kaufver­ein­ba­rung nicht davon­zie­hen lassen.

Für Mitte Oktober ist eigent­lich ein Prozess in dem Streit angesetzt — ob es dazu nun noch kommen wird, ist nach Musks Sinnes­wan­del jedoch unklar. Damit bahnt sich eine spekta­ku­lä­re Wende im Konflikt um die rund 44 Milli­ar­den Dollar teure Übernah­me an. Aller­dings bleibt etwas Ungewiss­heit — so wies Musk gegen­über der SEC darauf hin, dass seine Offer­te von Finan­zie­rungs­zu­sa­gen abhänge.

Der Tesla-Chef bestä­tig­te sein Nachge­ben am Diens­tag in einer Pflicht­mit­tei­lung an die US-Börsen­auf­sicht SEC. Musk habe in einem Brief vorge­schla­gen, den Deal zum ursprüng­lich verein­bar­ten Kaufpreis von 54,20 Dollar pro Aktie durch­zu­füh­ren, erklär­ten seine Anwälte.

Krypti­scher Tweet sorgt für Verwirrung

Musk schrieb nach seiner Kehrt­wen­de, der Kauf von Twitter würde für ihn den Weg zu «X, der App für alles, beschleu­ni­gen». Und zwar um drei bis fünf Jahre, ergänz­te er in einem Tweet. Was genau hinter seiner Vision für eine Univer­sal-App steckt, blieb unklar.

Twitter bestä­tig­te in einem knappen State­ment, das Schrei­ben mit dem erneu­er­ten Angebot Musks erhal­ten zu haben. Das Unter­neh­men beabsich­ti­ge, die Trans­ak­ti­on wie geplant zum Abschluss zu bringen. Die Twitter-Aktie sprang am Diens­tag um gut 22 Prozent auf 52 Dollar hoch.

Musk hatte die Kaufver­ein­ba­rung vom April eigent­lich im Juli für ungül­tig erklärt, weil Twitter angeb­lich falsche Angaben zur Anzahl von Fake-Accounts auf seiner Platt­form gemacht habe. Das Unter­neh­men pochte jedoch auf die Einhal­tung des Kaufver­trags und zog vor Gericht. In den vergan­ge­nen Tagen waren als Teil der Prozess­un­ter­la­gen für Musk zum Teil peinli­che Chat-Unter­hal­tun­gen unter anderem mit poten­zi­el­len Inves­to­ren öffent­lich geworden.

Musks Anwalts­team habe den Eindruck gewon­nen, dass sich das Verfah­ren zu seinen Unguns­ten entwi­cke­le und die Richte­rin sich nach den ersten Anhörun­gen zur Vorbe­rei­tung des Prozes­ses bereits auf die Seite von Twitter gestellt habe, berich­te­te der Finanz­dienst Bloom­berg am Diens­tag unter Berufung auf einen Insider. Um aus dem milli­ar­den­schwe­ren Deal heraus­zu­kom­men, hätte Musk dem Unter­neh­men schwer­wie­gen­de Vertrags­ver­stö­ße nachwei­sen müssen.

Musk verwies auf Whistleblower-Informationen

Die Gründe für Musks Umden­ken blieben vorerst unklar. Viele Exper­ten bewer­te­ten seine Chancen bei dem Gerichts­ver­fah­ren von Anfang an als ungüns­tig. Musk versuch­te monate­lang, angeb­lich falsche Angaben von Twitter zur Zahl von Spam- und Fake-Accounts als Bruch der Übernah­me­ver­ein­ba­run­gen darzu­stel­len. Doch ob das vor Gericht reichen würde, gilt als zweifelhaft.

Im August hatte Musk mit neuen Argumen­ten beim Versuch nachge­legt, die milli­ar­den­schwe­re Übernah­me von Twitter abzubla­sen. Dabei brach­te der Tesla-Chef Anschul­di­gun­gen eines Whist­le­b­lo­wers ins Spiel, der Twitter unter anderem mangeln­den Schutz von Nutzer­da­ten und andere Sicher­heits­schwä­chen vorwarf. Aufgrund dieser «ungeheu­er­li­chen» Mängel sei Musks Kaufan­ge­bot für Twitter als ungül­tig einzu­stu­fen, schrie­ben seine Anwäl­te damals an das Unternehmen.

Bei dem Whist­le­b­lower handelt es sich um Peiter Zatko, den Ex-Sicher­heits­chef von Twitter. Er war im Januar gefeu­ert worden und reich­te später eine Beschwer­de bei der US-Börsen­auf­sicht ein. Der IT-Exper­te, der auch unter seinem aus frühe­ren Hacker-Zeiten stammen­den Pseud­onym «Mudge» bekannt ist, machte der Twitter-Führung schwe­re Vorwür­fe und bezeich­ne­te die Online-Platt­form bei einer Senats­an­hö­rung als «ticken­de Bombe an Sicherheitsschwachstellen».

Was würde die Übernah­me politisch auslösen?

Sollte Musk Twitter doch kaufen, käme das kriseln­de Unter­neh­men in den Besitz ausge­rech­net des Mannes, der dessen Führung die letzten Monate fast unabläs­sig öffent­lich kriti­sier­te und Zweifel am Wert der Firma verbrei­te­te. Musks Plan sieht aller­dings ohnehin vor, Twitter von der Börse zu nehmen und ein neues Manage­ment aufzu­stel­len. Würde der reichs­te Mensch der Welt die Fäden bei der Online-Platt­form ziehen, wäre dies auch politisch brisant. Spannend ist etwa, ob Twitter den ehema­li­gen US-Präsi­den­ten Donald Trump dann wieder aufnimmt.

Musk beton­te von Anfang an, dass es ihm bei der Twitter-Übernah­me nicht um Geld, sondern um die Stärkung der Redefrei­heit auf der Platt­form gehe. Trumps Verban­nung von Twitter im Zuge von dessen Sympa­thie­be­kun­dun­gen für Anhän­ger, die am 6. Januar 2021 das Kapitol in Washing­ton gestürmt hatten, bezeich­ne­te Musk bei einem Inter­view im Mai bereits als «moralisch falsch und einfach nur dumm». Eine Rückkehr könnte für Trump mit Blick auf eine mögli­che Kandi­da­tur bei der Präsi­dent­schafts­wahl 2024 gerade recht­zei­tig kommen.