GOA (dpa) — Russland und andere Staaten blockie­ren bei einem G20-Minis­ter­tref­fen in Indien eine Einigung über mehr Tempo beim Ökostrom-Ausbau. Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Habeck nutzt das Treffen zu einem Appell.

Der russi­sche Angriffs­krieg auf die Ukrai­ne hat das Treffen der G20-Energie­mi­nis­ter in Indien überschat­tet. Wegen einer Blocka­de unter anderem Russlands erziel­ten die G20 der führen­den Indus­trie- und Schwel­len­län­der im indischen Goa keinen Konsens über mehr Tempo beim Ausbau erneu­er­ba­rer Energien. Es gab keine gemein­sa­me Abschluss­erklä­rung. Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (Grüne) sieht dennoch Anlass zur Hoffnung, dass es Fortschrit­te für mehr Klima­schutz gibt.

Habeck sagte, die Energie­mi­nis­ter­kon­fe­renz habe vor dem Hinter­grund zweier schlim­mer Krisen statt­ge­fun­den. Es gebe im Moment weltweit Hitze­wel­len wie seit vielen Jahrzehn­ten nicht mehr. Dies zeige, wie schlimm die Situa­ti­on werden könne, wenn die globa­le Erder­wär­mung nicht einge­dämmt werde.

Habeck: Russland klar als Täter benennen

Die zweite Krise, welche die Konfe­renz schwer beein­flusst habe, sei der russi­sche Angriffs­krieg in der Ukrai­ne. «Während wir hier reden, sterben weite­re Solda­ten, die Zahl der zivilen Opfer ist einfach unerträg­lich», so Habeck. Er verur­teil­te den russi­schen Angriffs­krieg auf die Ukrai­ne. Es sei erschre­ckend gewesen, wie im State­ment des stell­ver­tre­ten­den russi­schen Energie­mi­nis­ters Pavel Sorokin eine «völli­ge Verken­nung der Wirklich­keit» ausge­spro­chen worden sei. Sorokin, der sich per Video zugeschal­tet hatte, habe die Energie­kri­se auf die Finanz­kri­se des Jahres 2008 zurück­ge­führt. «Es ist einfach eine völlig verdreh­te Weltsicht.»

Russland ist Mitglied der G20 führen­der Indus­trie- und Schwel­len­län­der. Den G20-Vorsitz hat derzeit Indien. Der Haupt­gip­fel wird im Septem­ber in Neu Delhi statt­fin­den. Russland war in Goa mit einem Abtei­lungs­lei­ter des Energie­mi­nis­te­ri­ums vertre­ten, wie es aus Delega­ti­ons­krei­sen hieß.

Habeck sagte in seinem State­ment bei dem Treffen, in einem Angriffs­krieg müsse klar benannt werden, wer Täter und wer Opfer sei, wie es aus Delega­ti­ons­krei­sen hieß. Dies sei sein klarer Appell an alle Staaten. Ganz klar sei Russland der Täter. Der Minis­ter hatte am Donners­tag in Neu Delhi kriti­siert, Indien habe den Krieg bisher nicht deutlich und scharf verur­teilt. Auch China hat die Invasi­on Russlands in der Ukrai­ne nicht verurteilt.

Russland spricht von «Terror­an­schlä­gen» auf Nord Stream

Der stell­ver­tre­ten­de russi­sche Energie­mi­nis­ter Sorokin sprach nach dpa-Infor­ma­tio­nen in seinem State­ment mit Blick auf die Gaspipe­line Nord Stream von «Terror­an­schlä­gen». Im Septem­ber 2022 waren mehre­re Explo­sio­nen in der Nähe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm regis­triert und wenig später vier Lecks an drei der insge­samt vier Leitun­gen der Nord-Stream-Pipelines entdeckt worden. Ermitt­ler gehen von Sabota­ge aus. Wer für die Tat verant­wort­lich ist, ist unklar.

Nord Stream 1 liefer­te seit 2011 einen erheb­li­chen Anteil des nach Europa impor­tier­ten Gases. Aller­dings hatte Moskau die Liefe­run­gen im Zuge der Konfron­ta­ti­on mit dem Westen nach seinem Angriff auf die Ukrai­ne schon vor der Zerstö­rung gedros­selt und dann ganz einge­stellt. Die neuere Nord-Stream-2-Pipeline war bereits mit Gas gefüllt — die Bundes­re­gie­rung hatte das Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren für diese zweite Pipeline als Reakti­on auf den Angriffs­krieg gestoppt.

Habeck: Russland setzt Energie als Waffe ein

Habeck sagte bei seinem State­ment, vor allem Europa habe im vergan­ge­nen Jahr erfah­ren müssen, dass Russland Energie als «Waffe» einset­ze, wie es aus den Delega­ti­ons­krei­sen hieß. Gaslie­fe­run­gen seien gedros­selt und gestoppt worden, um so in Deutsch­land und Europa eine Gasman­gel­la­ge auszu­lö­sen. Das sei nicht gelun­gen. Europa und Deutsch­land hätten zu spüren bekom­men, was einsei­ti­ge fossi­le Abhän­gig­kei­ten bedeu­te­ten. Erneu­er­ba­re Energien seien weit mehr als eine Frage des Klima­schut­zes. Sie seien eine Frage der Energiesicherheit.

Ein gemein­sa­mes Abschluss­do­ku­ment bei dem G20-Treffen gab es nicht. Habeck sagte nach den Beratun­gen, dies sei wegen des Wider­stan­des von einigen, vor allem fossi­le Energien produ­zie­ren­den Ländern nicht möglich gewesen. «Das ist eine gewis­se Enttäu­schung, aber sie ist erwar­tet gewesen. Aber es ist möglich gewesen, mit den aller­meis­ten Ländern dann doch deutlich voranzukommen.»

Das Entschei­den­de sei, dass die Welt nicht auf den Langsams­ten warten müsse. Habeck verwies auf weltweit deutlich steigen­de Inves­ti­tio­nen in erneu­er­ba­re Energien. Er machte deutlich, westli­che Indus­trie­staa­ten wie Deutsch­land hätten eine Verpflich­tung, beim Klima­schutz voranzugehen.

Der Minis­ter nannte das Treffen einen Zwischen­schritt auf dem Weg zur UN-Klima­kon­fe­renz Ende des Jahres in Dubai. Man werde sehen, ob weite­re Schrit­te gegan­gen werden könnten, so dass die Weltge­mein­schaft Ende des Jahres adäquat antwor­ten könne auf das, «was wir im Moment weltweit erleben, dass die Erde anfängt buchstäb­lich zu brennen.»

Vor Treffen schon gedämpf­te Erwartungen

Habeck hatte die Erwar­tun­gen an das Minis­ter­tref­fen im Vorfeld gedämpft. Russland, China und auch Saudi-Arabi­en stell­ten sich im Moment quer, weite­re Schrit­te zu gehen. Habeck verwies aber darauf, die überwie­gen­de Zahl der G20 wolle eine Verdrei­fa­chung der erneu­er­ba­ren Energien bis 2030. Die Gruppe der sieben führen­den demokra­ti­schen Indus­trie­na­tio­nen (G7), zu der auch Deutsch­land zählt, hatte feste Ziele für einen Ausbau der erneu­er­ba­ren Energien vereinbart.

Der Wirtschafts­mi­nis­ter war seit Donners­tag zu einem Besuch in Indien. Indien setzt zuneh­mend auf erneu­er­ba­re Energien — aber auch auf mehr Kohle, von der das Land derzeit noch abhän­gig ist. Auch China baut noch neue Kohlekraftwerke.