WANGEN – Als Kranken­haus bekommt man so manches gespen­det: Lebku­chen, Spiel­zeug, Wollso­cken, Geldbe­trä­ge, auch mal Schutz­mas­ken. Ein ausge­wach­se­nes Klavier ist eher selten unter den Gaben, umso größer war kürzlich die Überra­schung, als eines am Westall­gäu-Klini­kum in Wangen angelie­fert wurde.

Das YAMAHA E 119 N Erle natur, wie das Klavier mit bürger­li­chem Namen heißt, steht im Aufent­halts­raum im vierten Stock und ist für alle Patien­ten gedacht, die Lust aufs Spielen haben, aber auch für die Mitar­bei­ten­den. Die Klinik hat es dem in Nieder­wan­gen aufge­wach­se­nen Prof. Dr. Philipp Ahner zu verdan­ken. Der 47-Jähri­ge ist Prorek­tor an der Hochschu­le für Musik in Trossin­gen und lehrt dort Musik­päd­ago­gik. Der inter­na­tio­nal renom­mier­te Musik­wis­sen­schaft­ler, war ursprüng­lich Horn-Spezia­list, einst Schüler der Jugend­mu­sik­schu­le Württem­ber­gi­sches Allgäu und später Leiter der Opern­büh­ne Württem­ber­gi­sches Allgäu sowie Lehrer für Musik, Geschich­te und BWL am Beruf­li­chen Schul­zen­trum in Wangen. Zum Westall­gäu-Klini­kum hat er eine beson­de­re Verbin­dung: Er ist mit Ulrike Ahner verhei­ra­tet, der Leite­rin der Pallia­tiv­sta­ti­on in Wangen.

Seine Allgäu­er Wurzeln hat Prof. Ahner nie verges­sen — und nun seine Liebe zur Musik mit der Medizin in der Heimat verbun­den. Sein Wunsch ist, dass die Patien­ten am Westall­gäu-Klini­kum künftig durch das Klavier­spiel und Zuhören wieder lernen, zu entspan­nen und auch für einen Moment wieder genie­ßen können – trotz ihrer schwe­ren Krankheit. 

Auf der Wange­ner Pallia­tiv­sta­ti­on befin­den sich Patien­ten mit fortge­schrit­te­nen, unheil­ba­ren und austhe­ra­pier­ten Erkran­kun­gen, etwa Tumor, Herz- und Lungen­lei­den, also Menschen, die oft starke Schmer­zen haben oder Übelkeit und Appetit­lo­sig­keit verspü­ren. Ziel ist es, die Lebens­qua­li­tät dieser Patien­ten zu verbes­sern und ihre mit den Beschwer­den verbun­de­nen psycho-sozia­len Proble­me zu lösen, so dass eine Entlas­sung aus der Klinik möglich ist. 

Musik­the­ra­pie ist auf Pallia­tiv­sta­tio­nen oft sehr erfolg­reich. „Musik, das ist mehr als nur Noten, es ist auch Genesung und Balsam für die Seele. Deshalb spielt Musik­the­ra­pie in Wangen eine große Rolle, von Klang­scha­len über Gitar­ren bis hin zu Handtrom­meln. Das Klavier wird hier mit seinen beruhi­gen­den Impul­sen von beson­de­rer Bedeu­tung sein. Die Patien­ten nehmen das unglaub­lich gerne wahr und profi­tie­ren auch davon“, sagt Ulrike Ahner. Die Stati­ons­lei­te­rin betont, dass nicht nur Pallia­tiv­pa­ti­en­ten das Klavier nutzen dürfen, sondern alle Menschen in der Klinik – natür­lich außer­halb der Ruhezeiten.

Tatsäch­lich wurden die weißen und schwar­zen Tasten beim Fototer­min gleich von zwei Patien­ten gestrei­chelt. Nicole Blöckl aus Fried­richs­ha­fen und Sala Hattin aus Isny, zwei Patien­ten auf der Schmerz­sta­ti­on, versuch­ten sich im Aufent­halts­raum im vierten Stock an einem kleinen Duett, konnten gar nicht mehr aufhö­ren und entdeck­ten nach langer Zeit ihre Liebe zum Musik­ma­chen wieder. „Wir haben großen Spaß, ich habe ewig nicht mehr gespielt“, sagte Blöckl, für Hattin war es sogar das erste Mal. Auch medizi­nisch waren die beiden mit dem Westall­gäu-Klini­kum sehr zufrie­den. Hattin war wegen akuter Bandschei­ben­pro­ble­me in Wangen, Blöckl wegen eines Post-Vacci­ne-Syndroms, eines Impfscha­dens. Sie sagt: „Das Westall­gäu-Klini­kum ist nach vielen Monaten verzwei­fel­ter Suche nach Hilfe das erste Kranken­haus, in der man meine Proble­me ernst nimmt und sich um mich kümmert.“