WEISSENAU – Mit einer aufgrund der Corona­vi­rus-Pande­mie nicht­öf­fent­li­chen Kranz­nie­der­le­gung am Denkmal der Grauen Busse in Weisse­nau haben das ZfP Südwürt­tem­berg und die Stadt Ravens­burg gemein­sam der Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus gedacht.

Jahr für Jahr am 27. Januar erinnern die Stadt Ravens­burg und das ZfP Südwürt­tem­berg gemein­sam an die Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus, darun­ter die in Grafeneck und Hadamar ermor­de­ten Patien­tin­nen und Patien­ten der ehema­li­gen Heil- und Pflege­an­stalt Weisse­nau. Anders als in den Jahren zuvor musste die Gedenk­fei­er im kleins­ten Kreis abgehal­ten werden: Reden und Berich­te, musika­li­sche Umrah­mung, persön­li­cher Austausch – aus Infek­ti­ons­schutz­grün­den war dies alles nicht möglich.

Die tradi­tio­nel­le Kranz­nie­der­le­gung am Denkmal der Grauen Busse wurde deshalb in gemein­sa­mer stiller Andacht von Ravens­burgs Oberbür­ger­meis­ter Dr. Daniel Rapp und ZfP-Regio­nal­di­rek­to­rin Prof. Dr. Renate Schep­ker vollzo­gen. Während­des­sen erinner­ten 691 Glocken­schlä­ge vom Turm der Kloster­kir­che an die in den Jahren 1940 und 1941 ermor­de­ten Patien­tin­nen und Patien­ten aus Weissenau.

Dr. Daniel Rapp, Oberbür­ger­meis­ter der Stadt Ravens­burg: „Das jährli­che Geden­ken an die Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus ist für mich beson­ders eindrück­lich während der Glocken­schlä­ge. Innehal­ten im stillen Geden­ken an die ermor­de­ten Patien­tin­nen und Patien­ten von Weisse­nau, während die Glocke der Kloster­kir­che 691 Mal ertönt — ein Glocken­schlag zur Erinne­rung für jedes Opfer — schwer zu ertra­gen. Aber nur indem wir uns erinnern und so Verant­wor­tung überneh­men, können wir die Zukunft offen gestal­ten. Dies ist auch in schwe­ren Zeiten wie diesen wichtig.“

Prof. Dr. Renate Schep­ker, ZfP-Regio­nal­di­rek­to­rin Ravens­burg-Boden­see: „Menschen­ge­mach­tes Leid ist schlim­mer als jede andere Grausam­keit, das muss uns auch und gerade inmit­ten dieser Pande­mie bewusst sein. Der Kampf gegen Covid-19 führt uns eindrück­lich vor Augen, dass wir als Gemein­schaft fürsorg­lich mitein­an­der umgehen sollten und dabei niemand benach­tei­ligt oder verges­sen werden darf. Jeder für sich kann auch im Stillen dazu beitra­gen, dass wir diese Krise meistern und für alle bald wieder besse­re Zeiten kommen werden. Uns im ZfP Südwürt­tem­berg mahnt dieser Gedenk­tag nicht zuletzt daran, aufmerk­sam zu bleiben und unser beruf­li­ches Ethos ernst zu nehmen. Erinnern ist auch im Krisen­mo­dus wichtig.“

Mit zeitli­chem Abstand zuein­an­der wurden anschlie­ßend zwei weite­re Kränze am Denkmal der Grauen Busse nieder­ge­legt: von der Initia­ti­ve Psych­ia­trie­er­fah­re­ner im Landkreis Ravens­burg (IPERA e.V.) gemein­sam mit dem Werkstatt­rat der Weissen­au­er Werkstät­ten und vom Kreis­ver­band Boden­see-Oberschwa­ben des Deutschen Gewerk­schafts­bunds (DGB).

Online Geden­ken ermöglichen

Da Präsenz­ver­an­stal­tun­gen dieses Jahr nicht möglich waren, hat das ZfP Südwürt­tem­berg einen Weg gesucht, dem gemein­sa­men Geden­ken dennoch Raum zu geben – und zwar online: Die Theater­in­sze­nie­rung von „T4. Opheli­as Garten“ des italie­ni­schen Bühnen­au­tors Pietro Floridia wurde im Vorfeld des Gedenk­tags corona­kon­form und profes­sio­nell aufge­zeich­net. Das Video kann unter www.zfp-web.de/unternehmen/erinnern-und-gedenken angese­hen werden. Es eignet sich auch für die Verwen­dung im Unter­richt, wofür ergän­zend eine didak­ti­sche Handrei­chung erstellt wurde. Diese steht unter der angege­be­nen URL als Download zur Verfügung.

Das Drama „T4. Opheli­as Garten“ erzählt die Geschich­te einer ungewöhn­li­chen Freund­schaft zweier Frauen, der Kranken­schwes­ter Gertrud und der „anders­ar­ti­gen“ Ophelia, und thema­ti­siert damit die Ermor­dung psychisch Kranker und geistig Behin­der­ter während des Natio­nal­so­zia­lis­mus. Es erschien 2016 im Verlag Psych­ia­trie und Geschich­te erstmals auf Deutsch. Urauf­ge­führt wurde das ursprüng­lich italie­ni­sche Stück in seiner deutsch­spra­chi­gen Fassung im Januar 2020 am ZfP-Stand­ort Bad Schussenried.