WANGEN — Die Stadt Wangen im Allgäu hat früh begon­nen, Gemein­de­rats­sit­zun­gen virtu­ell abzuhal­ten. Der Gesund­heits­schutz stand für Oberbür­ger­meis­ter Micha­el Lang dabei im Mittel­punkt. Er warb sehr inten­siv bei den Gemein­de­rä­ten für den Schritt in die Welt der Videositzungen.

„Wenn priva­te Zusam­men­künf­te nicht mehr vorge­se­hen sind, aber sich Gremi­en mit 30 oder 40 Perso­nen treffen, kann das nicht beson­ders vernünf­tig sein“, sagte OB Lang und lud am 23. Novem­ber 2020 zur ersten regulä­ren virtu­el­len Gemein­de­rats­sit­zung ein. Inzwi­schen sind es vier Sitzun­gen, die komplett in digita­ler Form vorbe­rei­tet wurden und dann auch statt­fan­den. Voraus­ge­gan­gen waren Testsit­zun­gen bereits im ersten Lockdown im Frühjahr 2020. Damals lud OB Lang zu kurzen Online-Sitzun­gen ein, in denen die wichtigs­ten Themen vorbe­spro­chen wurden. Ziel war es, die Präsenz­sit­zun­gen in der Stadt­hal­le durch die Vorbe­ra­tun­gen möglichst kurz halten zu können. Die Rechts­grund­la­ge für solche Video­sit­zun­gen ergibt sich aus Paragraph 37 a der Gemein­de­ord­nung Baden-Württem­berg. Die neue seit 2020 gelten­de Vorschrift gestat­tet generell Video­sit­zun­gen zur Behand­lung von Dingen einfa­cher Art. Und in Notsi­tua­tio­nen können alle Entschei­dun­gen auch digital getrof­fen werden. Es wäre also üblicher­wei­se nicht zuläs­sig, Satzun­gen, Bebau­ungs­plä­ne oder große Grund­satz­ent­schei­dun­gen in Video­sit­zun­gen zu fällen. Die Corona-Pande­mie ist ein Notfall, wie er im Gesetz beschrie­ben ist. Und so wurden in den letzten Monaten alle Projek­te, auch die Entschei­dung zum Haushalts­plan 2021, digital getroffen. 

Am 6. April 2020 holte OB Lang die Frakti­ons- und Gruppen­vor­sit­zen­den im Gemein­de­rat erstmals über das Programm „Webex“ online zusam­men, um mit ihnen das Proze­de­re abzuspre­chen. Am 23. April fand dann die erste Sitzung mit dem gesam­ten Gremi­um statt. Um die Öffent­lich­keit herzu­stel­len, wurde auch ein Vertre­ter der Schwä­bi­schen Zeitung zur Sitzung eingeladen. 

„Die Gemein­de­rä­te haben sich von Anfang an sehr aufge­schlos­sen gezeigt“, sagt OB Lang. Ein Grund war sicher­lich die Erfah­rung, die viele von ihnen bereits beruf­lich oder privat in Video­sit­zun­gen gemacht hatten. Ein weite­rer, dass sie vom Rathaus aus gut betreut wurden. „Ein großes Verdienst kommt dabei dem EDV-Team Wolfgang Breit­in­ger, Paul Fischer und Boris­lav Ivanov zu, das gemein­sam mit meiner Sekre­tä­rin Andrea Brauch­le die Webex-Sitzun­gen technisch und organi­sa­to­risch einge­führt hat“, sagt OB Lang. So waren beispiels­wei­se bei der ersten echten Online-Sitzung alle Kräfte der EDV im Einsatz. Im Rathaus wurde für drei Gemein­de­rä­te die Möglich­keit geschaf­fen, an der Sitzung teilzunehmen. 

Seit dieser Gemein­de­rats­sit­zung im Novem­ber 2020 sind drei weite­re hinzu­ge­kom­men. Alle Sitzun­gen wurden paral­lel in die Stadt­hal­le übertra­gen, so dass dort die inter­es­sier­te Öffent­lich­keit die Sitzung auf einer großen Leinwand verfol­gen konnte. Die Abstands – und Hygie­ne­re­geln können dort für Besucher problem­los einge­hal­ten werden. Seit dem 18. Januar 2021 ist es auch wieder möglich, die Frage­stun­de der Einwoh­ner zu Beginn jeder Sitzung abzuhal­ten. So können Bürge­rin­nen und Bürger in der Stadt­hal­le ihre Fragen an die Verwal­tung und den Gemein­de­rat richten.

Es war ein Prozess, bis die Sitzun­gen optimal liefen. So zeigte sich, dass es gewis­se Schwie­rig­kei­ten barg, den Überblick über das Abstim­mungs­ver­fah­ren zu behal­ten. Gleich mehre­re Mitar­bei­ter ersan­nen verschie­de­ne Möglich­kei­ten zur Verbes­se­rung des Systems: eins war online-basiert, das die Abstim­mung direkt ausge­wer­tet hätte. 

Im Gremi­um fand jedoch ein anderes Zuspruch: Nach jeder Abstim­mung im schrift­li­chen Verfah­ren (Chat-Feld), füllen zwei Mitar­bei­te­rin­nen eine Excel-Liste aus, die auf dem Bildschirm für alle einzu­se­hen ist. Das schafft Trans­pa­renz. Wichtig war den Teilneh­me­rin­nen und Teilneh­mern auch, dass sie sehen konnten, wie die Fraktio­nen und Gruppen abstim­men. Das wieder­um ist an den sich verän­dern­den Säulen­dia­gram­men ables­bar. Sollte ein Mitglied des Gemein­de­rats aus irgend­wel­chen Gründen mit der Abstim­mung im Chat Proble­me haben, wird das Votum mündlich entge­gen­ge­nom­men und durch OB Lang im Chat einge­tra­gen. Nach jedem Tages­ord­nungs­punkt wird der Chat gesichert, so dass er dem Proto­koll beigege­ben werden kann.

Eine Frage der Entwick­lung war auch die Trennung von nicht- öffent­li­cher und öffent­li­cher Sitzung. Zunächst war überlegt worden, zwei Sitzun­gen anzube­rau­men. Das hätte aber bedeu­tet, dass sich die Gemein­de­rä­te nach der nicht-öffent­li­chen Sitzung abmel­den und dann wieder neu anmel­den. Dieser Umstand sollte vermie­den werden. Inzwi­schen meldet der Mitar­bei­ter, der für die EDV in der Stadt­hal­le ist, den Zuhörer­raum noch während der laufen­den nicht-öffent­li­chen Sitzung an. Das Publi­kum bleibt aber so lange vor der Türe, bis die öffent­li­che Sitzung beginnt. Die Presse erhält direkt vor Beginn der öffent­li­chen Sitzung per Mail den Link zur Sitzung und wird zusätz­lich telefo­nisch zur Anmel­dung eingeladen. 

Inzwi­schen fragen sich manche Bürger, weshalb die Sitzung nicht einfach gestreamt wird, so dass sie jeder­mann von zu Hause aus mitver­fol­gen kann. Für OB Lang ist das eine recht­li­che Frage: „Die Öffent­lich­keit sieht die Gemein­de­rä­te, aber die Gemein­de­rä­te sehen nicht, wer ihre Öffent­lich­keit ist. Und jeder­mann kann die Sitzun­gen mitschnei­den und dann für welche Zwecke auch immer verwen­den. Das ist so nicht gewollt und auch nicht ohne Weite­res mit dem Daten­schutz verein­bar“, sagt OB Lang. 

Inzwi­schen funktio­niert der Sitzungs­all­tag routi­niert. Und dennoch ist es keine Frage, dass sich alle Betei­lig­ten auch wieder sehr über Sitzun­gen analog und vor Ort wünschen würden. Dem dürfte man in den kommen­den Monaten wieder näher kommen.