NEUHOF/ASCHAFFENBURG/GRÜNKRAUT (dpa) — Kerzen sind wahre Dauer­bren­ner und dürfen gerade in der Weihnachts­zeit nicht fehlen. Seit Jahren boomt die Nachfra­ge, viele Herstel­ler arbei­ten an der Kapazi­täts­gren­ze. Doch es gibt auch Sorgen in der Branche.

Festli­cher Lichter­glanz und Behag­lich­keit — vor allem in der dunklen Jahres­zeit sorgen Kerzen in vielen Haushal­ten für eine stimmungs­vol­le Atmosphä­re. Seit Beginn der Corona-Pande­mie boomt die Nachfra­ge, weil viele Menschen es sich gemüt­lich machen und ihr Zuhau­se verschö­nern wollen. Gerade Krisen­zei­ten seien in der Regel gute Zeiten für die Kerzen­in­dus­trie, sagt Stefan Thomann von der European Candle Manufac­tu­r­ers Associa­ti­on, dem Verband der Hersteller.

Im vergan­ge­nen Jahr seien in Deutsch­land rund 201.000 Tonnen Kerzen verbraucht worden. Das waren 20.000 Tonnen mehr als im Vorjahr, wie Thomann sagt. An den Handel und über Online-Kanäle verkauf­ten die Herstel­ler vergan­ge­nes Jahr Kerzen im Wert von rund 469 Millio­nen Euro (Vorjahr: 385 Mio Euro). Doch die Branche bekommt auch Gegen­wind durch die hohen Rohstoff- und Energie­prei­se. Bei der Kerzen-Herstel­lung wird viel Wärme benötigt, weil das Materi­al zum Gießen oder Pressen geschmol­zen bezie­hungs­wei­se flüssig gehal­ten werden muss.

Das bekommt beispiels­wei­se der Kerzen­her­stel­ler Richard Wenzel GmbH & Co. KG aus Aschaf­fen­burg zu spüren. Wegen Engpäs­sen hätten sich allein die Paraf­fin-Preise inner­halb der vergan­ge­nen zwei Jahre mehr als verdop­pelt, sagt Geschäfts­füh­rer Peter Jaksch. Deshalb habe man Preis­er­hö­hun­gen zwischen 30 und 50 Prozent durch­set­zen müssen. Das Unter­neh­men mit rund 200 Mitar­bei­tern kam zuletzt auf einen Umsatz «im mittle­ren 30-Millionen-Euro-Bereich».

Größter Trend sei derzeit das Thema Nachhal­tig­keit, sagt Jaksch. So setzt der Herstel­ler in der Produk­ti­on verstärkt auf Raps- und Oliven­wachs aus Europa. Auch Teelich­ter aller Art seien sehr gefragt — zumal manche Kunden sie in Zeiten hoher Strom­kos­ten auch als Ergän­zung oder Alter­na­ti­ve zu elektri­schem Licht einsetzen.

Die Wachs­zie­he­rei Georg Zenger­le GmbH im oberschwä­bi­schen Grünkraut bei Ravens­burg hat gerade im Herbst und Winter sehr viel zu tun. «Unser Geschäfts­kern sind die Wachs­plat­ten, mit denen man jegli­che Kerzen verzie­ren kann», sagt Unter­neh­me­rin Pia Zenger­le. Bei den Kerzen seien gedeck­te Farben und neue Formen gerade sehr angesagt, so die 26 Jahre alte gelern­te Wachszieherin.

In dem Unter­neh­men werden schon in dritter Genera­ti­on Kerzen herge­stellt. Die Famili­en­tra­di­ti­on reiche bis ins späte 17. Jahrhun­dert zurück, sagt Inhaber Jörg Zenger­le. Der Fachkräf­te­man­gel sei auch in seiner Branche ein Problem. «Da nutzen die volls­ten Auftrags­bü­cher nichts, wenn wir keine Leute für die Arbeit haben», sagt der 59-Jähri­ge. Früher sei das Geschäft saiso­na­ler gewesen, heute sei es bestän­di­ger und ziehe sich fast durch das gesam­te Jahr. Vom Trend, es sich zu Hause gemüt­lich zu machen, habe die Branche eindeu­tig profitiert.

Die passen­den Dochte für die Kerzen­her­stel­ler kommen beispiels­wei­se von der osthes­si­schen Firma Schrei­ber GmbH. Auf rund 150 Maschi­nen flicht das Unter­neh­men täglich rund 430 Kilome­ter Dochte für die unter­schied­lichs­ten Einsatz­mög­lich­kei­ten — vom Grablicht bis zur Altar­ker­ze, wie Geschäfts­füh­rer Carsten Staub­ach sagt. Vor knapp 20 Jahren hatte seine Familie das Unter­neh­men übernom­men und zu einem global tätigen Zulie­fe­rer für die Kerzen­in­dus­trie gemacht — bis nach Südafri­ka verkauft die Firma mit zwölf Mitar­bei­tern und einem Jahres­um­satz von rund einer Milli­on Euro ihre Dochte. Auch Schrei­ber profi­tier­te zuletzt vom «Homing»-Trend und steiger­te den Absatz, wie Staub­ach sagt.

Haupt­sai­son für die Branche ist nicht die Vorweih­nachts­zeit, sondern der Spätsom­mer, wenn zwar vergleichs­wei­se wenig Kerzen in den Haushal­ten brennen, die Produk­ti­on aber auf Hochtou­ren läuft. Denn der Handel muss recht­zei­tig vor dem Herbst und vor allem der Advents­zeit mit Stumpen- und Kugel­ker­zen, Stab‑, Spitz‑, Tafel- und anderen Kerzen einge­deckt werden, um die Kunden­wün­sche bedie­nen zu können. Die neuen Trends werden dann alljähr­lich im Febru­ar bei der Messe Christ­mas­world in Frank­furt gesetzt, die als Weltleit­mes­se für saiso­na­len Festschmuck und Dekora­ti­on gilt, wie Thomann sagt.

Abseits von Tisch­schmuck und Weihnachts­stim­mung bevor­ra­ten sich viele Verbrau­cher derzeit auch mit Kerzen, um in der Energie­kri­se für mögli­che Strom­aus­fäl­le gewapp­net zu sein, sagt Jaksch von der Firma Richard Wenzel. Auch er selbst sei schon von Freun­den gefragt worden, ob es Sinn macht, sich für den Ernst­fall Kerzen bereitzulegen.

Von dem Inter­net-Hype um Teelicht­öfen, die teils als angeb­lich kosten­güns­ti­ge Alter­na­ti­ve bewor­ben worden waren und auch Feuer­wehr­leu­te auf den Plan gerufen hatten, hält die Branche dagegen wenig. Sie hätten nicht nur eine gerin­ge Heiz-Leistung, sondern können bei Nicht­be­ach­tung der Sicher­heits­re­geln sogar zur Gefahr werden, sagt Thomann.

Von Chris­ti­ne Schult­ze und Aleksan­dra Bakmaz, dpa