BERLIN (dpa) —  Hitze­wal­lun­gen, Schweiß­aus­brü­che, verän­der­te Brüste: Viele Frauen kennen das. Lange waren die Wechsel­jah­re ein Tabuthe­ma. Jetzt tut sich etwas in der Gesell­schaft. Nach Ansicht einer Ärztin gibt es dafür einen einfa­chen Grund.

Wer sich unter Frauen umhört, landet irgend­wann bei einem Wort, das alle treffen wird. Die Menopau­se. Gefühlt herrscht in der Gesell­schaft eine neue Offen­heit und Locker­heit beim Thema — ist das wirklich so?Viele bekann­te Frauen sprechen derzeit erfri­schend offen über die Wechsel­jah­re. Holly­wood­star Salma Hayek (55, «House of Gucci») erklärt damit in einem Inter­view beispiels­wei­se ihre großen Brüste.Auch die ehema­li­ge First Lady Michel­le Obama (58) spricht in einer Folge ihres Podcasts über ihre Erfah­run­gen mit der Lebens­pha­se: «Als hätte jemand in mir den Ofen hochgedreht.»

Gräfin Sophie kämpft für Enttabuisierung

Schott­lands Regie­rungs­chefin Nicola Sturge­on sagte im Januar in einem Inter­view mit der briti­schen Zeitung «The Guardi­an», sie fühle sich verpflich­tet, über die Wechsel­jah­re zu sprechen. Die briti­sche Gräfin Sophie (57) setzt sich für die Entta­bui­sie­rung der Wechsel­jah­re in der Arbeits­welt ein. Der Grund: Schät­zun­gen zufol­ge haben in Großbri­tan­ni­en um die 900 000 Frauen ihre Jobs während ihrer Wechsel­jah­re verlas­sen — etwa weil sie ihre Tätig­kei­ten nicht mit den Sympto­men der Menopau­se in Einklang bringen konnten.

Das Buch der Gynäko­lo­gin Sheila de Liz «Woman on Fire», in dem sie mit Klischees über die Wechsel­jah­re aufräumt, lande­te auf Bestsel­ler-Listen. Auch in der Neuauf­la­ge von «Sex and the City» — «And Just Like That» — spielt das Thema eine Rolle. Klar, die Frauen von damals sind jetzt einfach in dem Alter.

Fragt man aber auf der Straße, was die Wechsel­jah­re denn so genau sind, lautet die Antwort vieler — insbe­son­de­re junger — Menschen oft in etwa: «Da müsste ich jetzt googeln.» Die prakti­zie­ren­de Gynäko­lo­gin und Präsi­den­tin der Deutschen Menopau­se Gesell­schaft Katrin Schau­dig hat trotz­dem den Eindruck, dass die Wechsel­jah­re gesell­schafts­fä­hi­ger gewor­den sind. «Es ist ein gewis­ser Ruck in der Gesell­schaft da, wodurch sich Frauen nicht mehr so für ihre Wechsel­jah­re schämen, sondern eher sagen: “So what, dem will ich mich nicht beugen”», sagt sie.

Oder konkret gesagt: Frauen sind einfach selbst­be­wuss­ter gewor­den. Es gibt laut Schau­dig aber noch einen anderen, ganz banalen Grund: «Die Baby-Boomer sind jetzt in dem Alter. Das ist die größte Menge an Frauen in der Bevöl­ke­rung. Das macht also einfach die schie­re Masse.»

Wechsel­jah­re erinnern an Vergänglichkeit

Dass die Wechsel­jah­re salon­fä­hi­ger gewor­den sind, sei aber nicht ein Eindruck aus der Praxis. Das Ärzte­zim­mer sei immer ein geschütz­ter Raum gewesen. «Hier haben Frauen schon immer viel und offen darüber gespro­chen», sagt Schau­dig. Es gehe viel mehr um die breite Masse, die das Thema jetzt erreicht.

Trotz­dem sei die Gleichung «Sie hat Wechsel­jah­re, sie ist jetzt alt» immer noch da. Sie verlie­re aber zuneh­mend an Schre­cken, sagt Schau­dig. Warum besteht diese Gleichung in Zeiten von Tampon-Werbun­gen, in denen das Blut nicht mehr blau, sondern rot ist, und dem Boykott pinker Latex-Handschu­he zur Entsor­gung von Menstrua­ti­ons­ar­ti­keln denn überhaupt noch?

«Im Gegen­satz zur Menstrua­ti­on, die mit Weiblich­keit und Frucht­bar­keit verbun­den wird und damit in der Gesell­schaft akzep­tiert ist, erinnern die Wechsel­jah­re an eine Vergäng­lich­keit», sagt Diana Helfrich, Pharma­zeu­tin, Wissen­schafts­jour­na­lis­tin und Autorin des Buches «Wechsel­jah­re — Ich dachte, ich krieg’ das nicht!».

Menopau­se bei Instagram

Helfrich sieht eine neue Offen­heit gegen­über den Wechsel­jah­ren insbe­son­de­re auch im Inter­net. «Mir fällt das vor allem an den neuen Insta­gram-Accounts auf.» Dadurch könnten sich Frauen über ihre Erfah­run­gen austau­schen und vernet­zen. Das schwap­pe ihrer Ansicht nach auch ins echte Leben über. «Auch so ein Inter­net-Phäno­men ist ein Phäno­men. Das reicht ja zwangs­läu­fig in das echte Leben hinein.»

Laut Klaus Doubek, dem Präsi­den­ten des Berufs­ver­ban­des der Frauen­ärz­te e.V. (BVF), ist das Inter­net auch der ideale Raum, um sich über persön­li­che und insbe­son­de­re scham­be­setz­te Fragen auszu­tau­schen. «Die Möglich­keit der anony­men Kommu­ni­ka­ti­on und der damit verbun­de­nen Reduk­ti­on von Stigma­ti­sie­rung dürfte grund­sätz­lich der Offen­heit zuträg­lich sein», meint er.

Neben Promi­nen­ten wie Salma Hayek oder Michel­le Obama zeigen auch viele andere Frauen, dass die Gleichung «Sie hat Wechsel­jah­re, sie ist jetzt alt» oft nicht mehr aufgeht. Unter dem Hashtag «#Menopau­se» ploppen bei Insta­gram unzäh­li­ge priva­te Bilder auf.  Von Oliwia Nowakows­ka, dpa