Der schwe­re Sturz des nieder­län­di­schen Radpro­fis Fabio Jakobsen lässt das Sport­li­che der Polen-Rundfahrt in den Hinter­grund rücken. Die Rennver­an­stal­ter und auch der Unfall-Verur­sa­cher werden attackiert.

Lefeve­re meinte den nieder­län­di­schen Radpro­fi Dylan Groene­we­gen, der am Tag zuvor auf der ersten Etappe der Polen-Rundfahrt Quick-Step-Profi und Lands­mann Fabio Jakobsen beim Zielsprint in Katto­witz abgedrängt und durch seine Aktion einen folgen­schwe­ren Crash ausge­löst hatte.

Der Zustand sei «sehr schlimm. Wir beten weiter, dass er überlebt», sagte Lefeve­re. «Alle Knochen in seinem Gesicht sind gebro­chen», erklär­te der Belgi­er, nachdem Jakobsen zuvor fünf Stunden operiert worden war. Der 23 Jahre nieder­län­di­sche Straßen­meis­ter, der in ein künst­li­ches Koma versetzt wurde, war nach dem Fahrma­nö­ver Groene­we­gens bei sehr hoher Geschwin­dig­keit direkt in die Absperr­git­ter gekracht und reglos liegengeblieben.

Rennärz­tin Barba­ra Jersche­na gab nach der OP zumin­dest erste Entwar­nung und sagte der Nachrich­ten­agen­tur PAP, Jacob­sen habe die Opera­ti­on gut überstan­den und sei nicht mehr in Lebens­ge­fahr. Bis Freitag­mor­gen soll Jakobsen schritt­wei­se aus dem künst­li­chen Koma geholt werden. «Die Versu­che, den Patien­ten auf dem künst­li­chen Koma zu holen, wird schritt­wei­se erfol­gen, daher wird dies vermut­lich erst morgen in den frühen Morgen­stun­den der Fall sein, und erst dann können wir neue Infor­ma­tio­nen über seinen Gesund­heits­zu­stand geben», sagte ein Sprecher des Kranken­hau­ses in Sosnowiec.

Bereits am Vorabend hatte Lefeve­re gesagt, dass Groene­we­gen eine Gefäng­nis­stra­fe verdie­ne. Diese Worte bedaue­re er nicht, sagte er: «Wir werden Schrit­te unter­neh­men, um bei der UCI und der Polizei Anzei­ge zu erstat­ten.» Trotz des schwe­ren Sturzes kündig­te Lefeve­re an, dass sein Team an der zweiten Etappe an den Start gehen werde.

Der Radsport­welt­ver­band UCI teilte mit, dass man den Fall an die Diszi­pli­nar­kom­mis­si­on weiter­ge­lei­tet habe, um Sanktio­nen gegen Groene­we­gen zu beantra­gen. «Die UCI verur­teilt das gefähr­li­che Verhal­ten auf das Schärfs­te», hieß es in dem Statement.

«Ich finde es schreck­lich, was gestern passiert ist. Ich kann nicht beschrei­ben, wie schlimm ich es finde für Fabio und die anderen, die gestürzt oder betrof­fen sind. Im Moment ist die Gesund­heit von Fabio das Wichtigs­te. Ich denke ständig an ihn», twitter­te Groene­we­gen am Donners­tag. Auch der Sturz­ver­ur­sa­cher kam nicht unbescha­det davon, er wurde in Opole am Schlüs­sel­bein operiert.

Hefti­ge Kritik an den Veran­stal­tern der fünftä­gi­gen World­Tour-Rundfahrt übten CCC-Profi Simon Geschke und weite­re Radpro­fis. «Jedes Jahr dersel­be dumme Bergab-Sprint bei der Polen-Rundfahrt. Jedes Jahr frage ich mich, warum die Organi­sa­to­ren denken, das sei eine gute Idee», schrieb der 34 Jahre alte gebür­ti­ge Berli­ner auf Twitter. «Massen­sprints sind gefähr­lich genug, man braucht kein Bergab-Finale mit 80 km/h», ergänz­te der Tour-de-France-Etappen­sie­ger von 2015.

«Ich habe mir das Finale und den Crash bestimmt 30 Mal angeguckt und die Bruta­li­tät des Crash schockiert mich noch immer», twitter­te Ex-Weltklas­se­sprin­ter Marcel Kittel. «Ich will da jetzt nieman­den angrei­fen. Ich bin die Polen-Rundfahrt noch nie gefah­ren, aber ich habe von anderen Rennfah­rern gehört, dass die Rundfahrt eh schon sehr berühmt-berüch­tigt ist. Ein Bergab-Sprint, bei dem man bis zu 85 km/h erreicht, da fragt man sich schon: Muss das sein?», sagte Rick Zabel, der in Polen nicht im Einsatz ist, der Deutschen Presse-Agentur.

«Ein norma­ler Sprint mit 50–60 km/h ist schon schnell genug. Da muss man es nicht noch riskan­ter machen. Solche Zielan­künf­te sollten verbo­ten werden. Es ist immer schade, dass erst was passie­ren muss, ehe solche Diskus­sio­nen entste­hen», sagte Rick Zabel. Ähnlich sieht es Kittel. Er hoffe, dass die Frage nun ernst­haft disku­tiert werde, ob es Bergab-Sprints mit Geschwin­dig­kei­ten von 80 km/h geben müsse, sagte der 14-malige Tour-Etappen­ge­win­ner dem «Münch­ner Merkur».

Auch Lotto-Soudal-Profi Roger Kluge stell­te die Strecken­füh­rung in Frage und kriti­sier­te zugleich das Verhal­ten einiger Kolle­gen. «Es ist ja schon seit Jahren die Frage, ob man an dieser Stelle das Ziel machen muss», sagte er der «Lausit­zer Rundschau». «So etwas muss nicht sein. Einige Sprin­ter verlas­sen immer wieder ihre Linie. Wenn sie gerade­aus fahren würden, dann würde es besser ausgehen.»

Kluge selber war, wie auch Deutsch­lands Top-Sprin­ter Pascal Acker­mann, in den fatalen Sturz nicht invol­viert. «Mir geht es gut. Ich hatte mega Glück im Zielsprint, dass ich die richti­ge Seite gewählt habe. Dort bin ich einiger­ma­ßen gut durch­ge­kom­men. Ich bin zwar 30 Kilome­ter vor dem Ziel auch gestürzt, aber letzt­lich kamen dabei nur ein paar Kratzer raus», sagte er.

«Ich hatte verdamm­tes Glück, dass ich etwas zurück war mit meinem Sprint und die letzten 100 Meter habe rollen lassen. Sonst wäre ich auch dabei gewesen», sagte Acker­mann der Deutschen Presse-Agentur.

Der bei dem Unfall ebenfalls schwer am Kopf verletz­te Mitar­bei­ter sei wieder bei Bewusst­sein und ebenfalls in einem «stabi­len Zustand», wie die Renn-Organi­sa­to­ren mitteil­ten. Zudem würden noch drei weite­re Radpro­fis in Kranken­häu­sern behandelt.

Bereits im Vorjahr sorgte ein folgen­schwe­rer Sturz bei der Polen-Rundfahrt für einen drama­ti­schen Zwischen­fall, als der erst 22 Jahre alte Belgi­er Bjorg Lambrecht auf der Etappe nach Zabrze bei vergleichs­wei­se modera­tem Tempo gegen eine Beton­kon­struk­ti­on prall­te und später seinen schwe­ren Verlet­zun­gen erlag.