ÜBERLINGEN (dpa) — Der Tod von Martin Walser im Alter von 96 Jahren löst Trauer aus. Der Schrift­stel­ler wird als Literat von Weltrang, streit­ba­rer Geist und bedeu­ten­der Intel­lek­tu­el­ler gewürdigt.

Eine «wirkmäch­ti­ge Persön­lich­keit», ein Autor «von Weltrang»: Der Tod von Martin Walser hat große Betrof­fen­heit, Mitge­fühl und Trauer ausge­löst. Der Schrift­stel­ler starb nach Angaben des Rowohlt-Verlags im Alter von 96 Jahren. Walser galt als einer der wichtigs­ten zeitge­nös­si­schen Schrift­stel­ler Deutsch­lands. Seine Texte oder öffent­li­chen Reden riefen über Jahrzehn­te Bewun­de­rung, aber auch hefti­ge Kritik hervor.

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz drück­te in der Nacht zum Samstag via Twitter Walsers Familie sein Mitge­fühl aus. «Seine Bücher haben Genera­tio­nen gelesen, seine Freude am Argument hat uns viele lebhaf­te Debat­ten beschert», schrieb der SPD-Politiker.

Kultur­staats­mi­nis­te­rin Claudia Roth (Grüne) bezeich­ne­te Walser als bedeu­ten­den Intel­lek­tu­el­len. «In seinen litera­ri­schen Werken hat er die bürger­li­chen Fassa­den des Nachkriegs­deutsch­land als hohlen Schein entlarvt und ist dem Seelen­le­ben der Deutschen auf den Grund gegan­gen», so Roth. Walsers Anmer­kun­gen zum Umgang der Deutschen mit ihrer Vergan­gen­heit in seiner Rede beim Friedens­preis des Deutschen Buchhan­dels hatten 1998 hefti­gen Wider­spruch ausgelöst.

Walser hatte damals von der «Instru­men­ta­li­sie­rung unserer Schan­de zu gegen­wär­ti­gen Zwecken» gespro­chen. «Ausch­witz eignet sich nicht dafür, Drohrou­ti­ne zu werden, jeder­zeit einsetz­ba­res Einschüch­te­rungs­mit­tel oder Moral­keu­le oder auch nur Pflicht­übung.» Für seine Worte ernte­te der Schrift­stel­ler hefti­ge Kritik.

Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er schrieb in einem Kondo­lenz­schrei­ben: «Alle Versu­che, Martin Walser in eine politi­sche oder weltan­schau­li­che Ideolo­gie einord­nen zu wollen, verkann­ten, was diesen Schrift­stel­ler im Inners­ten antrieb: den eigenen Empfin­dun­gen so wahrhaf­tig wie möglich Ausdruck zu verlei­hen.» Stein­mei­er bezeich­ne­te Walser als «einen großar­ti­gen Menschen und einen Schrift­stel­ler von Weltrang», den Deutsch­land verlo­ren habe.

Walser wurde am 24. März 1927 als Sohn eines Gastwirts in Wasser­burg am Boden­see geboren. Unweit seines Geburts­or­tes lebte er mehre­re Jahrzehn­te in Überlin­gen. Seit 1950 war Walser mit seiner Frau Käthe verhei­ra­tet, sie bekamen vier Töchter, die alle künst­le­risch tätig sind. 2009 wurde zudem bekannt, dass Walser der Vater des Journa­lis­ten und Verle­gers Jakob Augstein ist.

Dutzen­de Romane, zahlrei­che Novel­len und Geschich­ten­samm­lun­gen, eine Vielzahl von Theater­stü­cken, Hörspie­len und Überset­zun­gen sowie Aufsät­ze, Reden und Vorle­sun­gen stammen aus Walsers Feder. Zu den bekann­tes­ten Werken gehören «Ein fliehen­des Pferd», «Ehen in Philipps­burg», «Ein sprin­gen­der Brunnen», «Tod eines Kriti­kers», «Seelen­ar­beit» und «Das Schwanenhaus».

Obwohl er viel reiste und unter anderem auch in den USA als Gastdo­zent arbei­te­te, blieb er seiner Region stark verbun­den: Walser war im Süden verwur­zelt, ein Heimat­mensch — vielleicht sogar ein Heimat­schrift­stel­ler. So kamen viele betrof­fe­ne Reaktio­nen aus dem Südwesten.

Baden-Württem­bergs Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) schrieb, Walser habe Litera­tur geschaf­fen, die bleibe. «Seine Romane sind Spiegel und Refle­xi­ons­ort der deutschen Zeitge­schich­te und zugleich empathi­sche und detail­ge­naue Studi­en der mensch­li­chen Gattung.» Landes­kunst­mi­nis­te­rin Petra Olschow­ski (Grüne) nannte Walser einen «Zeitzeu­gen aller­ers­ter Güte für die Entwick­lung der Bundes­re­pu­blik in der Nachkriegs­zeit und im wieder­ver­ei­nig­ten Deutsch­land». Er habe Zeitge­schich­te geschrieben.

Baden-Württem­bergs Innen­mi­nis­ter und Vize-Minis­ter­prä­si­dent Thomas Strobl (CDU) meinte: «Mit Martin Walser verlie­ren wir einen großen Baden-Württem­ber­ger und einen Schrift­stel­ler von Weltfor­mat.» Sein wacher kriti­scher Geist und sein unermüd­li­ches Wirken werde fehlen.

SWR-Inten­dant Kai Gniff­ke würdig­te ihn als Schrift­stel­ler und prägen­den Denker: «Mit Martin Walser haben wir einen der bedeu­tends­ten Autoren der deutschen Nachkriegs­li­te­ra­tur und einen streit­ba­ren Intel­lek­tu­el­len verlo­ren.» Er habe einen unschätz­ba­ren Beitrag zum kultu­rel­len Diskurs unserer Zeit geliefert.

Das Litera­ri­sche Forum Oberschwa­ben, von Walser einst mitbe­grün­det, schrieb: «Wir alle vom Litera­ri­schen Forum Oberschwa­ben trauern um ihn». Für den Herbst kündig­te der Leiter der Einrich­tung, Franz Hoben, ein Forum zum Geden­ken an Walser an. «Ich denke an Vorträ­ge zum Werk und Lesun­gen aus dem Werk von Martin Walser.»

Der Rowohlt-Verlag teilte mit, mit Martin Walser verlie­re man einen seiner bedeu­tends­ten Autoren, der als Schrift­stel­ler und Homo politi­cus über Jahrzehn­te die deutsche Kultur geprägt habe. Bayerns Kunst­mi­nis­ter Markus Blume (CSU) schrieb: «Wir haben mit ihm gelernt, uns selbst und unsere Gesell­schaft besser zu verstehen.»