Ravensburg — Nachdem seitens der Rutenfestkommission und auch von Dieter Graf selbst keine eindeutige Distanzierung zu den Coronaleugnern erfolgte, ging heute die Stadt Ravensburg in die Offensive. In einem Schreiben an den Gemeinderat bezieht der Erste Bürgermeister Simon Blümcke seitens der Stadtverwaltung Stellung zum Interview von “querdenken-751” mit Dieter Graf, dem 1. Vorsitzender der Rutenfestkommission.
Blümcke zeigt sich verärgert darüber, dass Graf den Ausführungen der Coronaleugner zustimmt und kein einziges Mal auf den Schutz der Aktiven des Rutenfestes und der Besucherinnen und Besucher eingeht. “Es entsteht der Eindruck, dass er das Rutenfest über den Gesundheitsschutz der Menschen stellt”, so der Erste Bürgermeister.
Das Rutenfest ist für Blümcke ein Fest für alle Ravensburgerinnen und Ravensburger. “Unser Rutenfest muss gegen jede politische Strömung und/oder Weltanschauung neutral sein”, so sein Appell. Eine politische Vereinnahmung — egal von welcher Richtung auch immer — wird von ihm kategorisch abgelehnt. Blümcke zeigt sich enttäuscht, wie hier in skurriler Art und Weise das Rutenfest für das Kundtun einer politischen Meinung missbraucht wird.
Die Stadt will das Gespräch mit Dieter Graf suchen, verlangt aber restlose Aufklärung.
Nachfolgend der ganze Brief vom Ersten Bürgermeister Simon Blümcke:
YouTube Video Initiative Querdenken 751: Interview und Führung durch das Rutenhaus von Herrn Dieter Graf, 1. Vorsitzender der Rutenfestkommission
Sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderates,
Sie haben sicherlich die Berichterstattung in der Schwäbischen Zeitung vom 18.08.2020 zur Kenntnis genommen bzw. haben es über andere Kanäle/Medien erfahren: es gibt auf YouTube seit einigen Tagen einen Videobeitrag der Initiative Querdenken 751 bzw. der Akteure Dr. Bodo Schiffmann, einer der Gründer der Partei “Widerstand 2020”, und Dr. Daniel Langhans.
Einige von Ihnen haben sich auch bereits in dieser Sache an die Stadtverwaltung gewandt. Das Video besteht aus einem Interview der Akteure mit Dieter Graf, 1. Vorsitzender der Rutenfestkommission (RFK). Das Video wurde bei einem Rundgang durch das Rutenhaus vermutlich am 26.07.2020 geführt. Thema des Interviews ist das abgesagte Rutenfest bzw. die Auswirkungen durch die Absage vor dem Hintergrund der Coronapandemie.
Nach vielen Gesprächen und Abstimmungen sowie vielseitiger Anstrengungen im Vorfeld des abgesagten Rutenfestes sind wir bislang davon ausgegangen, dass es eine klare gemeinsame grundsätzliche Haltung des Gemeinderates, der Stadtverwaltung und der RFK gibt: Wir alle waren sehr betroffen und traurig über die Absage des Rutenfestes. Diese Absage wurde aber notwendig, weil wir den Gesundheitsschutz als vorrangige Aufgabe sehen und insbesondere Großveranstaltungen ein hohes Potenzial für Ansteckungen mit dem neuen Coronavirus bergen. Wir sind daher überrascht und ein Stück weit auch verärgert, dass der 1. Vorsitzende der RFK im Interview diese Meinung weder vertritt, noch sie zumindest wiedergibt. Er tritt in dem Video nicht als Privatperson auf, er spricht als Vorsitzender der RFK. Seine Äußerungen stehen in direktem Zusammenhang mit dem Rutenfest. Sein Bedauern, dass das Rutenfest nicht stattfinden kann allein, ist keine verwerfliche Äußerung. Allerdings sehen wir die scheinbare Zustimmung zu den von den Herren Schiffmann und Langhans im Video ge-machten Aussagen und der fehlende Widerspruch von Herrn Graf dazu kri-tisch. Leider geht er kein einziges Mal auf den Schutz der Aktiven des Ru- tenfestes und der Besucherinnen und Besucher ein. Es entsteht der Ein- druck, dass er das Rutenfest über den Gesundheitsschutz der Menschen stellt.
Das Rutenfest ist ein Fest für alle Ravensburgerinnen und Ravensburger. Und selbstverständlich für unsere Gäste — egal woher. Damit steht fest, dass unser Rutenfest gegen jede politische Strömung und/oder Weltan schauung neutral sein muss. Wir sind eine Stadt der Integration, das Fest ist ein wesentlicher Teil der Stadt. Politische Vereinnahmung — egal von welcher Richtung auch immer — lehnen wir ab. Wir sind enttäuscht, wie hier in skurriler Art und Weise das Rutenfest für das Kundtun einer politischen Meinung missbraucht wird. Dieter Grafs Auftritt schadet dem Image des Rutenfestes — nicht zuletzt auch deswegen, weil zu befürchten ist, dass in Zukunft wichtige Spenden und bürgerschaftliche Unterstützung ausbleiben.
Stadt und RFK sind eng miteinander verbunden. Uns eint die Liebe zu unserem Heimatfest. Wir schätzen die Arbeit der vielen ehrenamtlich Tätigen rund um das Rutenfest in höchstem Maße. Die RFK war uns stets ein zuverlässiger Partner. Von der zustimmenden Haltung von Herrn Graf, die in diesem Video gegenüber den anderen beteiligten Personen wahrzunehmen ist, distanzieren wir uns aber ausdrücklich. Wir sind besorgt, dass das Rutenfest, die Stadt Ravensburg und die Rutenfestkommission als Institution in ein schlechtes Licht rücken.
Die Stadt finanziert die Aufgaben der RFK in nicht unerheblichem Maße. Wir werden das auch weiterhin tun, denn es geht um unser Rutenfest. Von Institutionen, die wir finanzieren und die in unserem Auftrag handeln, verlangen wir aber Neutralität und eine gewisse Übereinstimmung in grund sätzlichen Fragen der Haltung. Bei der RFK waren wir uns bislang stets sicher, dass dies der Fall ist. Das nun aufgetauchte Video lässt allerdings den Schluss zu, dass der 1. Vorsitzende eine politische Grundhaltung im Namen der RFK einnimmt, die wir als Stadt ablehnen und die nicht mit den Gremien der RFK abgestimmt scheint.
Wir handeln vor dem Hintergrund der Coronapandemie als Stadt verantwortungsbewusst. Der Gesundheitsschutz unserer Bürgerinnen und Bürger steht im Vordergrund. Die Vorgaben des Landes setzen wir um und unterstützen beispielsweise bei der Kontaktpersonenermittlung. Mit all unseren Kräften helfen wir den Menschen in der Stadt, die von der Pandemie schwer getroffen sind. Die handelnden Personen des Rutenfestes, ein schließlich der RFK, waren sich schweren Herzens einig, jegliche Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Rutenfest in diesem Jahr zu unterlassen. Das ist niemandem, insbesondere den Schülerinnen und Schülern, leichtgefallen, aber alle haben es aus Verantwortung und Solidarität mitgetragen. Dass der Vorsitzende der RFK nun in dieser Art und Weise Stellung be zieht, finden wir sehr fragwürdig.
Es steht außer Frage, dass sich Herr Graf um das Rutenfest sehr verdient gemacht hat. Für seine Arbeit verdient er unseren Respekt und unsere Anerkennung. Allerdings ergibt sich daraus keine Rechtfertigung, eine offizi- elle Position der RFK einzunehmen, wie sie sich aus dem Video ergibt.
Wir werden das Gespräch mit Herrn Graf suchen und verlangen Aufklärung.
Mit freundlichen Grüßen
Simon Blümcke