RAVENSBURG — Es ist das Recht und die Aufgabe der jungen Generation, den Älteren und der Politik den Spiegel vorzuhalten. Dazu gehört auch, dass der eine oder die andere im Eifer auch mal übers Ziel hinausschießt und vergleichsweise unkonventionelle Methoden anwendet, mit denen sie die Verantwortlichen in der Gesellschaft auch mal buchstäblich „auf die Bäume bringen“ oder ihnen „aufs Dach steigen“.
In Sachen Klimaschutz haben wir allesamt weltweit versagt. Gerade wir in den westlichen Gesellschaften müssen uns da an die eigene Nase fassen. Insofern: Protest, Finger in die Wunde legen, laut werden, uns wachrütteln – alles ok.
Aus Sicht der Kletterer sind mit der Belagerung der Schussentraße am Samstag vermutlich die wichtigsten Ziele erreicht. Sie haben große Aufmerksamkeit erlangt, den Verkehr für einen Tag lahmgelegt und für große Aufregung beim so genannten Establishment gesorgt.
Aber auch wenn sie aus hehren Motiven handeln und sich moralisch im Recht fühlen, müssen sie erkennen, dass ihr Verhalten eben nicht rechtmäßig ist. Stichworte: unangemeldete „Spontan“-Versammlung, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Nötigung, Hausfriedensbruch. Gleichzeitig möchten sie aber rechtsstaatlich behandelt werden und dabei möglichst mit Samthandschuhen angefasst werden.
Dass die Aktivist*innen mittlerweile mit falschen Fakten argumentieren, Wahrheiten bewusst oder unbewusst ignorieren und verbal aufrüsten, gefällt mir weniger. Die Sprache erinnert mich an RAF-Zeiten, Begriffe wie „politische Gefangene“ sind eines Rechtsstaates und einer Demokratie nicht würdig. Ich wünsche mir, dass die Aktivist*innen wieder auf den Boden kommen. Ich wünsche mir, dass sie sich in der Gesellschaft engagieren, dass sie in die Parteien eintreten, diskutieren, sich auf Gemeinderats- und Kreistagslisten aufstellen lassen und dann auch politische Verantwortung übernehmen.
Sowohl die Stadt als auch Mitglieder meiner Partei haben das Gespräch mit den Aktivist*innen gesucht. Stadt und Ordnungskräfte haben ihnen Möglichkeiten des Protests aufgezeigt, die andere nicht gefährden oder Sachbeschädigung vermeiden. Bei der zunehmenden Radikalisierung der Szene sehe ich allerdings, dass die Gesprächsbereitschaft dort abnimmt und mit Argumenten den Baum, Dach- oder Straßenbesetzer*innen nicht beizukommen ist. Die Stadt verhält sich rechtsstaatlich und hat die Aufgabe, Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Und im Zweifelsfall auch wiederherzustellen. Ich stand am Samstag im Kontakt mit dem Ersten Bürgermeister und zuständigen Dezernenten für das Ordnungsamt. Als Fraktionsvorsitzende trage ich seine Entscheidungen gegen Rechtsbruch mit.