WEISSENAU – Vor allem in der Zeit seit Corona blieben einige junge Menschen, schlecht versorgt im Übergang vom Jugend- zum Erwach­se­nen­al­ter, psychisch und schulisch oder beruf­lich auf der Strecke. Um Fälle mit schwe­ren psychi­schen Proble­men kümmert sich die Stati­ons­äqui­va­len­te Behand­lung (StäB), ein Angebot des ZfP Südwürt­tem­berg mit einem spezi­el­len Team für junge Erwachsene.

Mit der Stati­ons­äqui­va­len­ten Behand­lung (StäB) für Adoles­zen­te wurde im ZfP Südwürt­tem­berg kurz vor der Corona-Pande­mie Ende 2019 begon­nen. Es ist ein Angebot für 17- bis 21-Jähri­ge, die wegen schwe­rer seeli­scher Proble­me eigent­lich statio­när behan­delt werden müssten. StäB bietet ihnen die Alter­na­ti­ve, dass das Kranken­haus zu ihnen nach Hause kommt — und zwar täglich. „Kranken­haus­be­hand­lung muss nicht in einem ‚Haus für Kranke‘ statt­fin­den“, zitiert Sandra Blab, pädago­gisch-pflege­ri­sche Leite­rin des Teams, einen der Erfin­der des Modells. Sie ergänzt, dass die Briten das als „Home Treat­ment“ bezeich­ne­te Vorge­hen schon sehr lange und sehr erfolg­reich praktizieren. 

Seit 2018 gibt es das kranken­kas­sen­fi­nan­zier­te Angebot auch in Ravens­burg und Umgebung. Eine Beson­der­heit bei der StäB Adoles­zenz: es ist ein Gemein­schafts­pro­jekt der Erwach­se­nen- und der Kinder- und Jugend­psych­ia­trie insbe­son­de­re für dieje­ni­gen, die am Übergang von der Schule in den Beruf stran­den und mit den Anfor­de­run­gen des Erwach­sen­wer­dens nicht gut umgehen können. 

Während dieses Übergangs werden einige junge Menschen ängst­lich oder depres­siv, ziehen sich sozial ganz zurück. Eine mehrwö­chi­ge Behand­lung mit Kranken­haus­auf­nah­me ist aber gerade für junge Erwach­se­ne oftmals undenk­bar. Daher kommen die StäB-Mitar­bei­ten­den anstel­le einer statio­nä­ren Behand­lung täglich für eine ebenso lange Zeit nach Hause. Das Team aktiviert, klärt, beglei­tet und bietet Thera­pie­ge­sprä­che an – sehr indivi­du­ell und mitten im Leben.

Die ehema­li­ge Patien­tin Leonie Meier (Name von der Redak­ti­on geändert) berich­tet über ihre Erfah­run­gen mit dieser Behandlungsform: 

REDAKTION: Leonie, Sie waren sowohl statio­när als auch stati­ons­äqui­va­lent in Behand­lung – welche Unter­schie­de gibt es für Sie?

LEONIE MEIER: StäB ist viel persön­li­cher. Man hat eine direk­te­re Verbin­dung zu den Thera­peu­ten und der Umgang ist sehr viel näher, das fand ich deutlich besser.

REDAKTION: Wie haben Sie sich dabei gefühlt, dass jeden Tag jemand bei Ihnen vorbei­kam, auch an Wochen­en­den und Feiertagen?

LEONIE MEIER: Das kann anstren­gend sein, mir persön­lich hat es aber viel Stabi­li­tät gegeben.

REDAKTION: Wie haben Sie es erlebt, dass die Therapeut:innen zum Beispiel sehen konnten, ob bei Ihnen aufge­räumt ist oder nicht?

LEONIE MEIER: Das kann natür­lich unange­nehm sein, man zeigt Menschen sonst ja selten sein Zimmer. Thera­peu­ten haben aber eine nette Art damit umzuge­hen und sie sehen dann, wie meine Lage gerade ist, jetzt im Moment. Beson­ders wenn man zuhau­se ist, sind die Themen aus dem echten Leben voll da; die, die einen wirklich beschäf­ti­gen. Das ist anders als auf Station.

REDAKTION: Ist Stati­on denn kein echtes Leben?

LEONIE MEIER: Stati­on ist was ganz anderes. Man ist heraus­ge­nom­men aus dem Alltag. Die Thera­pie mit dem Alltag zu verei­nen, fühlt sich anders an, besser. Man kann drin bleiben im Norma­len und zum Beispiel weiter seine Schule besuchen. Für einen selbst bedeu­tet StäB relativ wenig Aufwand.

REDAKTION: Wie haben Sie das Kommen und Gehen fremder Menschen hinsicht­lich der Nachbar­schaft erlebt?

LEONIE MEIER: Nachbarn sind schon neugie­rig. Ich habe darüber aber hinweg gesehen und es hat auch niemand nachge­fragt. Wenn jemand zu Besuch kommt, kann das ja auch ein Freund von meinen Eltern oder von mir sein.

REDAKTION: Wie fanden Sie es, zu den Gruppen­the­ra­pien gehen zu müssen? 

LEONIE MEIER: …total positiv! Da sind Leute im gleichen Alter, die in der gleichen Lage sind. Der Rahmen ist auch dabei anders als auf Stati­on: Alle sind total offen, ganz anders als in sonsti­gen Zusam­men­hän­gen. Man lernt sich schnell gut kennen und gewinnt über die Gruppe auch Freun­de. Die Leute kommen von woanders her, die hätte ich sonst nie getrof­fen – dadurch hat sich mein Horizont erweitert.

REDAKTION: Viele sagen, die Mitpa­ti­en­tin­nen und Mitpa­ti­en­ten auf Stati­on seien durch das alltäg­li­che Zusam­men­le­ben sehr wichtig für die Gesun­dung der Seele. Wie ist das mit StäB? 

LEONIE MEIER: Auf einer Stati­on spielt sich manch­mal viel, manch­mal aber auch wenig Sozia­les ab. Bei StäB schaut man stärker nach sich selbst und ist nicht abgelenkt. Man überlegt in der Gruppen- und Einzel­the­ra­pie, was man ändern möchte. Man ändert was an seiner Einstel­lung und kann das sofort im Alltag einüben.

REDAKTION: Wie haben Ihre Eltern, bei denen Sie ja wohnen, StäB angenommen?

LEONIE MEIER: Gerade mit Famili­en­pro­ble­men empfand ich das als großen Vorteil. Dadurch, dass die Thera­peu­ten ins eigene Zuhau­se kommen, lernen sie auch die Familie besser kennen, und es gab ja auch Famili­en­ge­sprä­che bei uns. Wir verste­hen uns jetzt echt besser.

REDAKTION: Was hat StäB Ihnen persön­lich gebracht?

LEONIE MEIER: …so viel! Zuerst war ich ganz aus dem Rhyth­mus raus mit der Schule und mit allem, und es war unklar ob ich weiter­ma­chen will. Dann hab ich die Klasse doch noch abschlie­ßen können. Jetzt habe ich mich bewor­ben und auch Unter­stüt­zung bei den Bewer­bun­gen bekom­men. Gerade am Anfang war das schon eine riesi­ge Erleich­te­rung. Und im Umgang mit meinen Eltern gibt es große Fortschrit­te. Für mich hat es ein neues Bewusst­sein von mir selbst hervor­ge­bracht — dass man mehr Rücksicht auf sich nimmt.

Info: Das StäB-Team Adoles­zenz ist erreich­bar unter Telefon 0751/7601–2024.