RAVENSBURG — Frische und handwerklich hergestellte Backwaren sind der bezahlbare Luxus des kleinen Mannes, findet Peter Augendoppler, der Besitzer einer Firma zur Herstellung von Bäckereirohstoffen, die weltweit agiert.
Doch die aktuelle Krise könnte viele Traditionsbetriebe in die Knie zwingen. Die vor Ort produzierenden Betriebe und somit auch Steuerzahler würden verschwinden und bekanntes Wissen verloren gehen. Das tägliche Brot könnte als Supermarkartikel aus Billiglohnländern importiert werden, die traditionelle Seele, die frisch gebackene Brezel stünden auf dem Spiel und könnten Tiefkühlaufbackwaren weichen. Das gilt es unbedingt zu verhindern, findet der direkt gewählte Bundestagsabgeordnete für Oberschwaben und das Allgäu, Axel Müller. In seiner sitzungsfreien Woche hat er die Bäckerei Waggershauser besichtigt und sich mit Bäckermeister Hans-Peter Waggershauser über die aktuelle Situation ausgetauscht.
Seit 15 bis 20 Jahren sei die Arbeit im Handwerk erschwert, sagt Hans-Peter Waggershauser. Er möchte nicht klagen oder resignieren, doch die jetzige Situation stelle „echt ein richtiges Problem dar“. Die Arbeitszeiten im Bäckerhandwerk mit Feiertags- und Nachtarbeit seien nicht attraktiv, es gäbe kaum Fachkräfte und Nachwuchs. Der Mindestlohn von EUR 12.- pro Stunde belaste die Betriebe, doch die explodierenden Rohstoff- und Energiepreise sorgten nun für eine dramatische Entwicklung.
Dem Bundestagsabgeordneten Müller ist die prekäre Situation im Handwerk bewusst. „Gewachsene Strukturen, zwei Weltkriege und Hyperinflation konnten vielen Betriebe nichts anhaben. Doch jetzt stimmt das Gesamtpaket nicht mehr.“ Bezüglich der Corona-Hilfen sei nicht alles gut gelaufen, doch es waren die Bundestagsabgeordneten aus Bayern und Baden-Württemberg, die die regionalen Strukturen vor Ort kennen und in Berlin für rasche Unterstützung getrommelt hatten. In der aktuellen Krise müsse die Politik in die Offensive gehen.
„In Berlin fehlen oftmals die Phantasie und das Bewusstsein, was verloren gehen wird, wenn die Politik jetzt nicht handelt“, so Müller. Und er legt nach: „Viele in der Regierung haben gar kein Bewusstsein für das Handwerk und die Traditionen.“ Es seien auch kleine und mittelständische Betriebe gewesen, die die Grundlage für heutige Weltmarktführer wie ZF und MTU gelegt hätten.
Waggershauser, 45 Jahre alt und Bäckermeister mit Leib und Seele, liebt seinen Beruf und das kreative Arbeiten, das ihm das Bäckerhandwerk ermöglicht. Kürzlich versorgte er das Segelschulschiff «Alexander von Humboldt II» als Bäckermeister mit Backwaren, die er vor Ort buk. Seine klassische, deutsche Buttercrèmetorte sorgte bei Kapitän Klaus Uwe Ricke und der Mannschaft für Begeisterung. „Doch dieses traditionelle Handwerk ist nicht mehr bekannt“, so Waggershauser. Und jetzt droht die aktuelle Krise weitere dramatische Folgen mit sich zu bringen: „Sollte sich nicht umgehend etwas ändern, schließen alteingesessene Bäckereien der Reihe nach“, zeichnet Waggershauser eine düstere Prognose. Das betreffe Groß- und Kleinbetriebe gleichermaßen. „Wenn die Betriebe dichtmachen, stirbt die Esskultur und am Ort fehlt die Nahversorgung“, ergänzt Hans-Peter Waggershauser.
Dass das traditionsreiche schwäbische Bäckerhandwerk erhalten werden muss, das steht für Axel Müller außer Frage. „Ich sehe ganz oft Gebäude, in denen früher mal ein Bäcker war, aber nun nicht mehr“, sagt Müller. Vor 40 Jahren habe es in Ravensburg noch 35 Bäckereien gegeben, heute gerade mal noch eine Hand voll. Daher betont der Bundestagsabgeordnete: „Man muss den Austausch suchen. Auch als Opposition bewirken wir etwas, da wir die Regierung mit unseren Eindrücken konfrontieren.“ Und es gäbe Gesetzesvorhaben, bei denen die Zustimmung der Opposition erforderlich sei. Müller kritisiert, dass die Regierung auf Sicht fahre. „Wir müssen den Menschen gezielt Hilfe geben, aber nein, jeder soll bei dieser Bundesregierung genau die gleiche Hilfe bekommen. Das führt dazu, dass man mit der Abwicklung nicht mehr hinterherkommt.“
Doch nicht nur die Bundespolitik kommentiert Müller kritisch, auch die Vorgaben aus Brüssel zum Beispiel bzgl. der Kennzeichnungspflicht von Allergenen und der umfassenden Dokumentation seien alles andere als förderlich. Er komme viel in seinem Wahlkreis 294 Ravensburg rum, so Müller. Und egal ob er mit dem Handwerk, der Luftfahrt oder dem Speditionswesen im Austausch stehe, überall würden die gleichen Aussagen trotz unterschiedlichem Hintergrund getroffen und Probleme thematisiert. Also müsse es wahr sein.
Müller betont, dass die CDU/CSU viel für die klein- und mittelständischen Unternehmen gemacht habe. „Ich hoffe, dass es von der Regierung übernommen wird.“ Und er macht Bäckermeister Waggershauser Hoffnung, dass einige Gesetze bereits in der Umsetzung seien. Als Fazit erklärt Müller, was für ihn wichtig wäre: „Die Dinge zu Ende zu denken und zu Ende zu bringen und dabei auch die begrenzten Kapazitäten der Betriebe bei der Umsetzung beachten.“
Hintergrund:
Seit inzwischen 130 Jahren gibt es die Bäckerei Waggershauser in Obereschach. Die traditionelle Handwerksbäckerei produziert etwa 150 Produkte am Tag. Brot und Backwaren werden mit langer Teigführung hergestellt und es wird noch traditionelles Holzofenbrot gebacken. Frische Backwaren sind seit 1892 das Aushängeschild der Bäckerei. Seit 2003 wird der Betrieb in vierter Generation von Bäckermeister Hans-Peter Waggershauser geleitet und besteht inzwischen aus einem Team von 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ein Shop bietet darüber hinaus eine große Auswahl an Produkten für den täglichen Bedarf an. Zur Stammkundschaft gehören auch viele Betriebe aus der Region.