WANGEN — 2030 wird der Anteil an Neubau etwa acht Prozent aller Baumaß­nah­men betra­gen, prognos­ti­ziert die Bundes­stif­tung Baukul­tur. Schon heute überwie­gen Umbau und Sanie­rung von Bestands­bau­ten. Auf dem von der Archi­tek­ten­kam­mer Baden-Württem­berg (AKBW) veran­stal­te­ten “Preis­ge­richts­tag 2021” forder­ten Exper­ten nicht nur allge­mein ein neues Bewusst­sein für das kreati­ve Poten­zi­al von Sanie­rungs­maß­nah­men, sondern auch eine neue Betrach­tung und Defini­ti­on von Planungswettbewerben. 

Planungs­wett­be­wer­be als Instru­ment so zu verän­dern, dass sie zu einem Vehikel für den Klima­schutz werden, sei eine Riesen­chan­ce, sagte Prof. Kai Fischer, Minis­te­ri­al­di­ri­gent im Finanz­mi­nis­te­ri­um des Landes (Vermö­gen und Bau). “Bauen im Bestand ist das große Thema der anste­hen­den Trans­for­ma­ti­on im Wohnungs­sek­tor. Darauf müssen schlech­ter­dings alle Planungs­in­stru­men­te, auch die gesetz­li­chen Rahmen, abgestimmt werden. Unser Land muss einen Schritt nach vorn machen”, so auch Markus Müller, Präsi­dent der AKBW. 

“Wir werden uns angewöh­nen vom Umbau­en zu sprechen”, sagte Susan­ne Wartzeck, Präsi­den­tin des Bundes Deutscher Archi­tek­tin­nen und Archi­tek­ten (BDA) und prognos­ti­zier­te. “Das billi­ge Geschäft mit dem Bauen wird wegfal­len!” René Pier, AKBW-Landes­vor­stand, hob auf die genui­ne Umbau­kom­pe­tenz der Fachrich­tung Innen­ar­chi­tek­tur ab: “Das Begrei­fen des Gebäu­des, eine Haltung, mit ihm umgehen zu wollen, ist Voraus­set­zung für den Umgang mit Bestand als ‘adapti­ve reuse’ — das angepass­te Wieder­ver­wen­den.” Er forder­te: “Geben Sie uns Zugang zu Wettbewerben!” 

Über Wettbe­wer­be eine Quali­täts­si­che­rung in den Bestand­sum­bau zu bekom­men, nannte Albert Wimmer, AT Wimmer, Wien, “eine faszi­nie­ren­de Frage­stel­lung”. Es bräuch­te seiner Ansicht nach ein gänzlich anderes Verständ­nis von Verfah­ren, weil im Bestand­sum­bau in der ersten Planungs­pha­se allen­falls Hypothe­sen über das Vorge­fun­de­ne möglich seien. Mario Rösner von der Volks­woh­nung GmbH plädier­te ebenfalls dafür, inten­siv zu prüfen, ob angesichts der Heraus­for­de­run­gen, den Bestands­bau klima­schutz­ge­recht zu sanie­ren und umzunut­zen, eine Renovie­rung der Richt­li­ni­en für Planungs­wett­be­wer­be (RPW) ausrei­che, oder ob neue Forma­te hilfreich seien. 

Klaus Max Rippel, Landes­be­trieb Bundes­bau BW, Oberfi­nanz­di­rek­ti­on Karls­ru­he, stell­te fest: “Die RPW ist zu apodik­tisch. Vor allem priva­te Bauherr­schaf­ten müssen mehr beraten werden.” Seine Botschaft am Preis­ge­richts­tag: “Lasst uns die RPW weiter­bau­en, die zweite Stufe zünden.” Wenigs­tens begriff­lich komme man der Reali­tät näher, indem nicht mehr von grauer, sondern von “golde­ner Energie” in den Altbau­ten gespro­chen werde, sagte die frühe­re Vorsit­zen­de der Bundes­ar­chi­tek­ten­kam­mer und Talk-Modera­to­rin des Tages, Barba­ra Ettinger-Brinckmann. 

Auslo­ber des Jahres: Wangen und Volkswohnung

Die Auszeich­nung “Auslo­ber des Jahres” der Archi­tek­ten­kam­mer Baden-Württem­berg (AKBW) geht in diesem Jahr an die Stadt Wangen im Allgäu sowie an die Volks­woh­nung GmbH, Karls­ru­he. Die beiden Preis­trä­ger wurden im Rahmen des Preis­ge­richts­tags 2021, live online veran­stal­tet im Haus der Archi­tek­ten, mit einer Urkun­de gewürdigt. 

“Die Stadt Wangen nutzt das Instru­ment des Planungs­wett­be­werbs schon seit langem für ganz unter­schied­li­che Aufga­ben und Typolo­gien”, so AKBW-Vizeprä­si­den­tin Beatri­ce Soltys in ihrer Lauda­tio. Sie erläu­ter­te: “Wer Bauleis­tun­gen nicht direkt vergibt, sondern einen Planungs­wett­be­werb vorschal­tet, kann aus verschie­de­nen Lösungs­vor­schlä­gen den besten auswäh­len. Davon profi­tie­ren Auslo­ber sowie Bürge­rin­nen und Bürger gleicher­ma­ßen.” Der Geschäfts­füh­rer der Wange­ner Landes­gar­ten­schau GmbH, Karl-Eugen Eberts­häu­ser, bestä­tig­te den Mehrwert von Parti­zi­pa­ti­on bei Wettbe­wer­ben und hob den willkom­me­nen Neben­ef­fekt hervor: die emotio­na­le Ausein­an­der­set­zung der Bevöl­ke­rung mit ihrem Ort. 

Die Volks­woh­nung GmbH als eine der drei größten Wohnungs­bau­ge­sell­schaf­ten in Baden-Württem­berg greife, um gute Quali­tät des Gebau­ten zu sichern, inzwi­schen zuver­läs­sig zum Instru­ment des Planungs­wett­be­werbs — seit 2019 bereits bei sechs großen Projek­ten, so Soltys. Mario Rösner, Leiter Techni­sche Dienst­leis­tun­gen bei der Volks­woh­nung GmbH sagte: “Der Tag des Preis­ge­richts ist für uns immer wie Geschen­ke auspacken.”