STUTTGART (dpa/lsw) — Es war ein so chaoti­sches Hickhack mit der Testpflicht für die Geimpf­ten, dass sich Minis­ter­prä­si­dent Kretsch­mann am Ende entschul­di­gen musste. Nun soll sie aber doch kommen — wegen Omikron.

Geimpf­te und Genese­ne im Südwes­ten müssen sich nach den Feier­ta­gen für einen Besuch im Restau­rant und in vielen anderen Berei­chen voraus­sicht­lich doch auf das Corona­vi­rus testen lassen. «Es ist erstmal die Absicht, dass nur noch Geboos­ter­te keinen Test vorle­gen müssen», kündig­te Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) am Mittwoch im Landtag mit Blick auf die neue Corona-Verord­nung an. Er begrün­de­te das damit, dass die Ständi­ge Impfkom­mis­si­on (Stiko) neuer­dings Auffri­schungs­imp­fun­gen wegen der Omikron-Varian­te bereits nach drei Monaten empfehle.

Diese Empfeh­lung bestä­ti­ge, dass nicht mehr ausrei­che, was man bislang hatte, sagte Kretsch­mann. «Das werden wir korri­gie­ren aufgrund der Omikron-Varian­te, so dass nur Geboos­ter­te keinen Test mehr vorle­gen müssen.» Wahrschein­lich werde die Regelung so erfol­gen, sagte der Regie­rungs­chef. Derzeit stimme man das in den Ressorts ab, die Regie­rung wolle noch vor Weihnach­ten die neue Verord­nung beschließen.

Die Landes­re­gie­rung hatte bereits Anfang Dezem­ber eine Testpflicht auch für Geimpf­te und Genese­ne (2G plus) zum Beispiel in Restau­rants angekün­digt, dann war Kretsch­mann aber zurück­ge­ru­dert. Derzeit sind in Baden-Württem­berg Genese­ne von der Testpflicht ausge­nom­men, wenn sie nachwei­sen, dass die Infek­ti­on maximal sechs Monate zurück­liegt. Und für Geimpf­te gilt: Die zweite Impfung sollte weniger als ein halbes Jahr her sein. Menschen mit einer Auffri­schungs­imp­fung sollen weiter ausge­nom­men werden.

Der FDP-Abgeord­ne­te Erik Schwei­ckert forder­te endlich eine klare und eindeu­ti­ge Kommu­ni­ka­ti­on der Landes­re­gie­rung zu den neuen Corona-Regeln in der Gastro­no­mie. «Die schwam­mi­ge Antwort des Minis­ter­prä­si­den­ten lässt hier aber befürch­ten, dass die Landes­re­gie­rung erneut nicht weiß, was sie genau tut.» Die Regie­rung verun­si­che­re die Gastronomie.

Der Hotel- und Gaststät­ten­ver­band reagier­te mit hefti­ger Kritik. Ein Sprecher sagte, es drohe ein Lockdown durch die Hinter­tür für das Gastge­wer­be. «Durch die extre­me Kurzfris­tig­keit der angekün­dig­ten Maßnah­men fehlt Betrie­ben, Beschäf­tig­ten und Gästen jede Planungs­si­cher­heit.» Der Verband befürch­tet einen erheb­li­chen wirtschaft­li­chen Schaden für die Branche und erwar­tet von Seiten der Landes- und Bundes­re­gie­rung nun schnell belast­ba­re Zusagen im Bezug auf staat­li­che Hilfen. «Dies wird nach unserer Einschät­zung auf zahlrei­che Betrie­be im Land zutreffen.»

Kretsch­mann kündig­te am Mittwoch zudem an, dass die von Bund und Ländern beschlos­se­nen schär­fe­ren Regeln für priva­te Treffen im Südwes­ten bereits unmit­tel­bar nach den Feier­ta­gen in Kraft treten sollen. Zusam­men­künf­te seien künftig nur noch mit höchs­tens zehn Perso­nen über 14 Jahre erlaubt, berich­te­te er dem Parla­ment in seiner Regie­rungs­er­klä­rung. Da die Omikron-Varian­te auch von Geimpf­ten und Genese­nen weiter­ver­brei­tet werden könne, sei diese Regelung geboten. «Sie tritt unmit­tel­bar nach den Weihnachts­fei­er­ta­gen in Kraft, nicht erst am 28.12.», sagte er.

Bund und Länder hatten sich am Diens­tag unter anderem auf Kontakt­be­schrän­kun­gen spätes­tens ab dem 28. Dezem­ber geeinigt, um die Ausbrei­tung der Omikron-Varian­te zu bremsen. Kontak­te sollen auch für Geimpf­te und Genese­ne auf maximal zehn Menschen beschränkt werden.

Der Vorsit­zen­de der Stiko, Thomas Mertens, sprach sich mit Blick auf die Corona-Virus­va­ri­an­te Omikron für umfas­sen­de­re Kontakt­be­schrän­kun­gen aus. Es müssten angesichts der leich­ten Übertrag­bar­keit auf jeden Fall viel, viel mehr Kontakt­be­schrän­kun­gen erfol­gen als derzeit üblich — und zwar «sehr schnell», sagte Mertens der «Schwä­bi­schen Zeitung» (Mittwoch).

Kretsch­mann kriti­sier­te erneut, dass die auf der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz beschlos­se­nen Maßnah­men nicht ausrei­chend seien. Er habe den Beschlüs­sen dennoch zugestimmt, weil ein gemein­sa­mes Vorge­hen für Bund und Länder zwingend geboten sei. So könne er zwar die Gastro­no­mie nur im Südwes­ten schlie­ßen, aber das würde zu einem «riesi­gem Gastro-Touris­mus» führen. Baden-Württem­berg sei keine Insel. «Wir haben immer­hin 1100 Kilome­ter Grenze mit anderen Bundes­län­dern.» Er habe noch die Debat­ten in Erinne­rung, als die Baumärk­te in Bayern offen waren und in Baden-Württem­berg nicht. Das wolle er vermei­den, deshalb sei er «in der Regel im Geleit­zug mit den anderen Ländern».

Dennoch bekräf­tig­te er die Forde­rung nach einer erneu­ten Feststel­lung der sogenann­ten «epide­mi­schen Lage natio­na­ler Tragwei­te» durch den Bundes­tag. Die Länder bräuch­ten alle Instru­men­te, um schnell reagie­ren zu können, wenn sich die Lage zuspit­ze, sagte Kretsch­mann. Vor allem Ausgangs­sper­ren dürfte er dabei im Sinn haben.

Die Opposi­ti­on warf Kretsch­mann Mutlo­sig­keit vor. Das Virus werde nicht durch das reine Ausru­fen epide­mi­scher Notla­gen bezwun­gen, sagte SPD-Frakti­ons­chef Andre­as Stoch. Der Regie­rungs­chef könne bereits jetzt aufgrund gelten­den Rechts durch­grei­fen. Kretsch­mann fehle aber der Mut, unange­neh­me Entschei­dun­gen zu treffen, sagte Stoch mit Blick auf die aus seiner Sicht laxen Regeln in Kirchen und darauf, dass die neuen Kontakt­be­schrän­kun­gen noch nicht an Weihnach­ten gelten sollten. Der Minis­ter­prä­si­dent zeige lieber mit dem Finger auf andere. «Wer Führung fordert, muss auch bereit sein, Führung zu geben.»

«Eine Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz ist kein Alibi für schlech­tes Regie­ren», sagte FDP-Frakti­ons­chef Hans-Ulrich Rülke. «An Weihnach­ten wollen Sie keine Ausgangs­sper­ren, denn da fürch­ten Sie den Zorn der Menschen, und wenn Weihnach­ten dann vorbei ist, kann man die Leute wieder wegsper­ren», kriti­sier­te er. Es brauche diffe­ren­zier­te Maßnah­men, Ausgangs­sper­ren seien unver­hält­nis­mä­ßig. Wenn man die neuen Maßnah­men gegen die Omikron-Varian­te für unumgäng­lich halte, müsse man sie sofort einfüh­ren und dürfe nicht eine Woche warten, sagte AfD-Frakti­ons­chef Bernd Gögel.

Die CDU im Land kriti­sier­te das Vorge­hen der Ampel im Bund und forder­te ebenfalls die Feststel­lung der epide­mi­schen Lage. Die Omikron-Welle werde keine Welle, sondern eine Mauer, sagte Frakti­ons­chef Manuel Hagel. «Es muss jetzt auch von der roten Ampel in Berlin endlich gelie­fert werden.» Eine solche Zaghaf­tig­keit sei angesichts der Lage grob fahrläs­sig. «Wir brauchen dringend wieder den vollen Instrumentenkasten.»