SCHMALEGG — Hugo Adler, Amtierender Ortsvorsteher von Schmalegg, erinnert an die Eingemeindung von Schmalegg vor 50 Jahren:
Ich freue mich, dass es mir gestattet ist nach 50 Jahren der Eingemeindungsvereinbarung, also nach einer weitreichenden kommunalpolitischen Entscheidung diese kritisch zu hinterfragen.
Was bewegte damals einen Bürgermeister von Schmalegg und einen Gemeinderat, die immer politisch hoch angesiedelte Selbstständigkeit aufzugeben und auf eine Große Kreisstadt zuzugehen.
Ich erinnere mich noch sehr gut an die kontrovers und emotional geführten Diskussionen in unserer Region bei der damaligen Gemeindegebietsreform. Es entstanden Wunden, die bis heute in manchen Städten und Gemeinden noch nicht verheilt sind.
Wie dankbar müssen wir gegenüber denjenigen sein, die es fertig gebracht haben ihre Persönlichkeit einzusetzen um eine kommunalpolitisch richtige und weitsichtige Entscheidung zu treffen.
Mit dem damaligen Oberbürgermeister Karl Wäschle und Stadtverwaltungsrat Ege und dem damaligen Bürgermeister Paul Knörle und Gemeinderat Max Horn haben sich Menschen getroffen, die wussten worauf es ankommt, und die sich auch nach Jahren noch offen und freundschaftlich begegnen konnten. Sie waren mutig, sie waren sich der Verantwortung bewusst, waren uneigennützig und am öffentlichen Wohl der Gemeinde Schmalegg und der Stadt Ravensburg orientiert, Pragmatiker eben, die mit Geschick und Zielstrebigkeit eine schwierige Aufgabe gemeistert haben.
Wir Schmalegger legen Wert darauf, dass die Eingliederung freiwillig war und es war auch die erste Ortschaft, die nach Ravensburg kam. Vor der Landesregierung war beabsichtigt, Schmalegg nach Horgenzell einzugliedern. Bei einer nachträglichen Feinabstimmung für die Ortsteile Wippenreute, Unterwaldhausen und Geratsberg ging die Entscheidung klar für Ravensburg aus.
Ich habe heute noch große Achtung und persönliche Wertschätzung gegenüber den damaligen Verantwortlichen.
Aber wie habe ich damals als 19-jähriger kommunalpolitisch interessierter Jugendlicher empfunden, als ich am 05. Dezember 1971 zu meiner ersten Wahl ging?
Ja, ich war für die Eingliederung, aber für eine selbstbewusste und selbstständige Ortschaft. Für eine gelebte Ortschaftsverfassung. Die Väter der Gemeindereform in Baden-Württemberg gingen damals nur von einer Übergangslösung aus – so nehme ich an! Wer allerdings, so wie in unserem Fall, die Eingliederungsvereinbarung auf eine gute Basis gestellt hat, der sieht heute welche dauerhafte Wertschöpfung aus ihr erwachsen kann.
Konrad Adenauer bringt es in seinem Zitat auf den Punkt: “In der Politik geht es nicht darum Recht zu haben, sondern Recht zu behalten”.
Nach 50 Jahren können wir alle ein äußerst positives Resümee ziehen. Wir haben heute eine bürgernahe Verwaltung, wir liegen voll im Trend. Das bedeutet mehr Bürgerbeteiligung, kurze Wege zur Verwaltung und zu den Ortschaftsräten und durch die unechte Teilortswahl einen direkten Draht zum Stadtrat. Stadträte der Ortschaft Schmalegg waren von 1972 – 1980 Max Horn und seit 1980 Hugo Adler.
Das bedeutet, dass der Gemeinderat und die Stadtverwaltung entlastet werden. Dies kann aber nur dann funktionieren, wenn die Eigenständigkeit der Ortsverwaltung weiterhin gewähr-leistet ist. Gerade dies liegt an den Personen, die sich zur Eingliederungsvereinbarung bekennen und diese durch den Erhalt der Zuständigkeiten bestätigen. Die Aufrechterhaltung eines hauptamtlichen Ortsvorstehers ist mir dabei unabdingbar.
Ich möchte mich sehr herzlich bei den Oberbürgermeistern bedanken, bei Karl Wäschle, Hermann Vogler und Dr. Daniel Rapp und bei den Ortsvorstehern, die das Erbe von Paul Knörle hervorragend verwaltet haben, bei Helmut Grieb, Anselm Neher, Markus Hugger, Mario Storz, Manuela Hugger und Regine Rist.
Was macht eine gelebte Ortschaftsverfassung aus? Es bedeutet, der Ortschaft Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, um auf die Veränderung der Gesellschaft und der Wirtschaft einzugehen, die Integration durch Bürgernähe zu fördern und sich gegenseitig zu akzeptieren, vom Kindergarten über die Schule bis zu den Vereinen.
In Schmalegg ist dies absolut gelungen. Es ist, wie ich sagen darf, eine für jeden vorteilhafte Situation. Die Bevölkerung fühlt sich als Ravensburger und wenn wir gemeinsam im Sommer das Rutenfest feiern, sehen Sie überall an den Häusern die Stadtfahne von Ravensburg gemeinsam wehen mit der Fahne unserer Ortschaft.
Es ist tatsächlich ein Tag der Freude und wird gerade in unserer nüchternen Zeit zur gelebten Heimat.
Was muss es für eine starke Eingliederungsvereinbarung sein, die auch nach 50 Jahren Kommunalpolitik standhält? Immer wieder wird sie infrage gestellt. Die Gegner haben es aber schwer und die strukturelle Stärke wird offensichtlich. Die Bürger sind damit äußerst zufrieden, auch wenn sich die einzelnen Parteien oder auf Verwaltungsebene Stimmen dagegen erheben.
Nach 50 Jahren können wir mit Fug und Recht ein sehr gutes Fazit ziehen. Standortqualität und Standortfaktoren unserer Stadt Ravensburg in der Gesamtheit haben an Qualität erheblich gewonnen. Es macht uns selbstbewusst, dass die Ortschaften daran einen großen Anteil beitragen durften.
Wir leben und arbeiten gerne in unserer Stadt, die weit über die Region hinaus bekannt ist und einen großen Wirtschaftsraum darstellt. Vor 50 Jahren wäre es mir niemals in den Sinn gekommen, dass ich beim 50. Jahrestag der Eingliederung amtierender Ortsvorsteher bin.
Ich wünsche uns Verlässlichkeit, viele “Mutmenschen” und keine “Wutmenschen”. Heimat ist Gabe – Heimat ist Aufgabe, packen wir’s gemeinsam an.
Ihr
Hugo Adler
Amtierender Ortsvorsteher