RAVENSBURG (dpa/lsw) — Hat ein Obstbau­er am Boden­see seinen Ernte­hel­fern verbo­te­ner­wei­se Lohn vorent­hal­ten? Am Freitag wird am Arbeits­ge­richt in Ravens­burg über diese Frage verhan­delt. Gewerk­schaft­ler erhof­fen sich von dem Prozess eine Signal­wir­kung für die Landwirtschaft.

Eine Gruppe georgi­scher Ernte­hel­fer strei­tet von Freitag (9.00 Uhr) an vor dem Arbeits­ge­richt in Ravens­burg mit einem Obstbau­ern über die Frage, ob der ihnen verbo­te­ner­wei­se einen Teil des Lohns nicht gezahlt hat. Geklagt haben nach Angaben eines Gerichts­spre­chers 18 Arbei­ter, die im Mai 2021 auf den Obsthof in der Boden­see­re­gi­on gekom­men waren. «Man strei­tet sich im Wesent­li­chen darum, inwie­weit die Arbeit­neh­mer morgens zur Arbeit erschie­nen sind — und ob sie wie verein­bart acht Stunden am Tag einge­setzt wurden.»

Die Gewerk­schaft IG BAU und die Katho­li­sche Betriebs­seel­sor­ge teilten mit, es gehe bei dem Streit im Kern um die Frage, ob den Ernte­hel­fern der Mindest­lohn auch zusteht, wenn der Arbeit­ge­ber sie zum Beispiel wegen schlech­ten Wetters nicht einsetzt. «Das kann eine Grund­satz­fra­ge werden für die Landwirt­schaft», sagte der Ravens­bur­ger Betriebs­seel­sor­ger Werner Langen­ba­cher. Von einem Gerichts­be­schluss erhof­fe man sich daher eine Signalwirkung.

Gerichts­ver­fah­ren bei solchen Strei­tig­kei­ten seien gerade im Bereich der Landwirt­schaft «atypisch», sagte ein Gerichts­spre­cher. Dabei komme es immer wieder vor, dass Landwir­te versuch­ten, Vorschrif­ten im Arbeits­recht bei Saison­ar­bei­tern zu umgehen, sagte der Vorsit­zen­de des Bezirks­ver­bands Stutt­gart der IG BAU, Andre­as Harnack. Viele Ernte­hel­fer aus dem Ausland scheu­ten aber den Aufwand eines Prozes­ses in Deutsch­land und die mögli­chen Kosten im Falle einer Niederlage.

Die Ernte­hel­fer, die nun vor dem Gericht klagen, waren Teil einer Gruppe von 24 Arbei­tern aus Georgi­en, die im Folge eines neuen Abkom­mens nach Deutsch­land gekom­men war. Kurz nach ihrer Ankunft hatten sich die Ernte­hel­fer über unhalt­ba­re Zustän­de bei ihrer Unter­kunft auf dem Hof in der Boden­see­re­gi­on beschwert.

Nach einer Kontrol­le bestä­tig­te das Landrats­amt des Boden­see­krei­ses, dass dort unter anderem die Toilet­ten teils kaputt und nicht nach Geschlech­tern getrennt waren. Zudem seien einige Möbel in der Küche so verschlis­sen gewesen, dass deren Oberflä­chen nicht mehr hygie­nisch gerei­nigt werden konnten. Der Inhaber sagte damals auf Nachfra­ge, die Proble­me seien «sofort behoben» worden: «Wir sind ja daran inter­es­siert, dass die Leute bei uns gut unter­ge­bracht sind.»

Laut Betriebs­seel­sor­ger Langen­ba­cher wurden die Ernte­hel­fer letzt­lich auf einen Hof in Nieder­sach­sen gebracht, wo sie weiter arbei­ten konnten. «Es gibt viele Betrie­be, die das sauber und trans­pa­rent machen. Aber es gibt eben auch schwar­ze Schafe.» Gerade vor dem Hinter­grund der für Oktober geplan­ten Erhöhung des Mindest­lohns auf zwölf Euro sei es wichtig, dass dieser auch Ernte­hel­fern gezahlt werde.