RAVENSBURG — Seit Beginn der Planungen am aktuellen Regionalplanentwurf für Bodensee-Oberschwaben haben unter anderen die Naturschutzverbände diese Raumplanung für die Landkreise Sigmaringen, Bodenseekreis und Ravensburg kritisch begleitet. Obwohl die Klimakrise erst in letzter Zeit immer dramatischer voranschreitet, hatten die Naturschutzverbände in ihren öffentlichen Stellungnahmen von Anfang an darauf hingewiesen, dass maximal 1500 Hektar Flächenverbrauch für Wohngebiete, Gewerbegebiete und Ressourcenabbau nachhaltig wären.
Inzwischen hat die Regionalgruppe Ravensburg der Scientists4Future, bestehend aus 40 Wissenschaftler*innen, in ihrer Stellungnahme vom Februar 2021 sogar ein Maximum von 1250 Hektar berechnet, das den Klima- und Nachhaltigkeitszielen (1,5 Grad und 30 Hektar/ Tag) entsprechen würde. Manfred Walser und Sebastian Mühlbach als Hauptverfasser weisen darauf hin, dass im aktuellen Regionalplanentwurf ein Bevölkerungswachstum von 10,3% angenommen werde, während das statistische Landesamt von nur 2,7% ausgehe. Dies zeuge von „unbedingten Wachstumswillen“ in der Region und sei mit Klima- und Nachhaltigkeitszielen nicht vereinbar.
Geplant wird mehr als das Doppelte an Flächenverbrauch für die nächsten 15–20 Jahre. Zu den geplanten etwa 2.700 Hektar im Regionalplanentwurf kommen nochmals einige hundert Hektar hinzu: über sogenannte §13b-Flächen, für die keine Umweltprüfung vorgeschrieben ist und weitere Flächeninanspruchnahme durch Planungen auf kommunaler Ebene. Das widerspricht dem Klimaschutz enorm, weil im intakten Boden große Mengen klimarelevanter Gase wie CO2 gespeichert sind. Selbstverständlich sollen beim Wohnungsbau die Bedürfnisse junger Familien berücksichtigt werden. Dies könnte jedoch durch Schaffung von sozialem und bezahlbarem Wohnraum mit adäquaten Wohndichten im Rahmen moderner Wohnprojekte deutlich besser und nachhaltiger geregelt werden, wobei auf eine gute ÖPNV-Anbindung zu achten ist.
Inzwischen sehen auch viele Landwirte große Interessenskonflikte mit der Regionalplanung. Karl-Heinz Mayer, Kreisvorsitzender des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) Überlingen-Pfullendorf schreibt: „Durch die Regionalplanung werden in unannehmbaren Maße Regelungen getroffen, die dazu führen werden, dass nicht nur hunderte oder tausende Hektare wertvolle landwirtschaftliche Produktionsfläche unwiederbringlich vernichtet werden, sondern es werden dadurch auch viele unserer bäuerlichen Familienbetriebe um ihre Existenzgrundlage gebracht, da diesen die Produktionsgrundlage durch den Flächenfraß genommen wird.“
Die Arbeitsgemeinschaft für bäuerliche Landwirtschaft, Bioland und Demeter, BODEG, auch die „Initiative gegen den 1000-Kühe-Stall Ostrach“ setzen sich zudem für den Erhalt landwirtschaftlicher Flächen ein, die durch extensive Nutzung noch stärker zum Klimaschutz und zum Erhalt der derzeit rapide schwindenden Biodiversität beitragen können. Fruchtbarer Humus zur Lebensmittelproduktion braucht sehr viele Jahre, um sich zu bilden; darauf weist die Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) Ravensburg in deren Statement ausdrücklich hin und plädiert für einen sorgsamen Umgang mit unseren fruchtbaren Böden, insbesondere in immer unsichereren Zeiten.
Im Bereich Rohstoffabbau werden laut „Natur- und Kulturlandschaft Altdorfer Wald“ insgesamt 1316 Hektar oder 1850 Sportplatzgrößen für die Region geplant, wenn man bisher genehmigte Flächen, Abbauvorranggebiete und Sicherungsflächen zusammenrechnet. Vom abgebauten Kies werden derzeit etwa 15% meist auf großen Lkws nach Österreich und in die Schweiz exportiert, jährlich über 25 000 Kieslasterfahrten und etwa 5 000 Tonnen CO2-Emissionen entsprechend. Im Ausland kostet dieser sehr wertvolle Rohstoff etwa das doppelte, was vor allem daran liegt, dass die Nachbarländer eine Umweltabgabe auf Kiesabbau erheben. Diese geplanten Abbauflächen halten die Umweltverbände für deutlich überdimensioniert und sehr belastend für Straßen und Anwohner, zum Beispiel in Mittelberg (Kalkabbau) und Göggingen wird schon seit vielen Jahren heftig dagegen protestiert.
Im Altdorfer Wald als die die grüne Lunge Oberschwabens geht es vor Allem auch um den Schutz von bedeutenden Grundwasservorkommen zur Versorgung der Bevölkerung. Über 13 000 Unterschriften wurden in einer Online-Petition für ein Landschaftsschutzgebiet Altdorfer Wald gesammelt. Seit Februar machen junge Aktivist*innen sogar mit Baumhäusern in der Nähe des Ortes Grund darauf aufmerksam, dass dieses Naturjuwel unbedingt vor weiterem Raubbau bewahrt werden muss. Das Klimacamp Ravensburg sorgt seit Dezember 2020 schon für Furore, gemeinsam mit einigen Fridays- und Parents4Future-Gruppen. Die Jugend setzt sich vehement für den Erhalt ihrer Lebensgrundlagen ein, wenn sich die Erwachsenen schon nicht ausreichend verantwortungsbewusst um die Zukunft ihrer Kinder und Enkel kümmern.
Auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Kreisgruppe Ravensburg und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) Bodenseekreis und Ravensburg zeichnen die Petition für einen zukunftsfähigen Regionalplan mit. Beide Verbände weisen in ihren Stellungnahmen auf desaströse Planungen hin, völlig kontraproduktiv zur dringend benötigten Verkehrswende. Im Planungsentwurf zwar als nötig erachtete Klimaziele seien qualitative Absichtserklärungen, zu denen es aber kaum konkret