BERLIN (dpa) — Die Planungs­si­cher­heit für den Sommer­ur­laub per Bahn ist weg, auch wenn der unbefris­te­te Streik nicht kommen sollte. Erste Fahrgäs­te suchen Alternativen.

Für Fahrgäs­te wie Beschäf­tig­te bleibt im Tarif­streit bei der Bahn nach der Kampf­an­sa­ge der Gewerk­schaft EVG in den kommen­den Wochen vieles ungewiss. EVG-Chef Martin Burkert sagte, dass er sich neben unbefris­te­ten Streiks auch eine Schlich­tung vorstel­len kann. «Sollte der Arbeit­ge­ber mit einer Schlich­tungs­for­de­rung an uns heran­tre­ten, können wir schnell entschei­den», sagte er dem Bayeri­schen Rundfunk.

Nach dem Schei­tern der Tarif­ver­hand­lun­gen hatte die EVG am Donners­tag angekün­digt, ihre 110.000 Mitglie­der bei der Deutschen Bahn in einer Urabstim­mung über unbefris­te­te Streiks entschei­den zu lassen. Auch Warnstreiks sind in den nächs­ten Wochen weiter­hin möglich. Bis zu einem mögli­chen unbefris­te­ten Streik dürften aber noch mindes­tens vier oder fünf Wochen verge­hen — so lange dauert voraus­sicht­lich die Urabstimmung.

Fahrgäs­te planen um

Die Aussicht auf einen unbefris­te­ten Streik hat nach einer Yougov-Umfra­ge im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur schon jetzt Auswir­kun­gen auf Reise­plä­ne. Von denen, die damit rechnen, von einem länge­ren Streik im August betrof­fen zu sein, will demnach jeder Zehnte auf seine Reise verzich­ten, etwa jeder Achte die Fahrt verschie­ben. Knapp jeder Dritte will auf andere Verkehrs­mit­tel umstei­gen. Ebenfalls jeder Dritte ändert seine Reise­plä­ne jetzt noch nicht.

Ob es also wirklich zu einem unbefris­te­ten Arbeits­kampf während der Sommer­fe­ri­en kommt, ist trotz Urabstim­mung nicht sicher. EVG-Chef Burkert sagte, die EVG werde sich einer Schlich­tung nicht verweh­ren. «Meine Telefon­num­mer kennt jeder, die der Verhand­lungs­füh­rung bei uns auch.» Es sei jeder­zeit möglich, wieder an den Verhand­lungs­tisch zu kommen. Für einen länge­ren Streik im Bahnver­kehr hätte nach der Yougov-Umfra­ge zufol­ge jeder Zweite kein oder kaum Verständnis.

Auch in den Tarif­ver­hand­lun­gen bei der Deutschen Post vor einigen Monaten hatte es nach wochen­lan­gen Verhand­lun­gen eine Urabstim­mung gegeben. Fast 86 Prozent der Befrag­ten stimm­ten für unbefris­te­te Streiks. Zwei Tage nach Bekannt­ga­be des Ergeb­nis­ses einig­te sich die Gewerk­schaft Verdi dann aber mit dem Arbeit­ge­ber auf einen neuen Tarif­ver­trag — der unbefris­te­te Streik war abgewendet.

Und das Deutschlandticket?

Bei der Bahn könnte ein länge­rer Streik dauer­haf­te Folgen haben, befürch­ten Fahrgast­ver­tre­ter. «Wenn es zum unbefris­te­ten Streik kommt, wird es zu massi­ven Kündi­gun­gen beim Deutsch­land­ti­cket kommen», warnte der Bundes­vor­sit­zen­de des Fahrgast­ver­bands Pro Bahn, Detlef Neuß. Für die Mobili­täts­wen­de weg vom Auto zur Bahn sei das kontra­pro­duk­tiv. Wer im Auto sitze, werde sich bestä­tigt fühlen, sagte Neuß der Deutschen Presse-Agentur.

Er kriti­sier­te zudem die Strate­gie der EVG: «Man war ja schon ziemlich dicht beiein­an­der. Muss man da unbedingt über einen unbefris­te­ten Streik noch mehr rausho­len?» Dies gesche­he auf dem Rücken der Fahrgäste.

Das Deutsch­land­ti­cket war im Frühjahr einge­führt worden. Seit Mai erlaubt es für 49 Euro im Monat, bundes­weit sämtli­che Busse und Bahnen im Nah- und Regio­nal­ver­kehr zu nutzen. Im Juni haben nach Branchen­an­ga­ben knapp zehn Millio­nen Menschen das Ticket genutzt. Das Abo ist monat­lich kündbar.

Bei der Deutschen Bahn hat es in der laufen­den Tarif­run­de zwei Warnstreiks der EVG gegeben, bei einigen Konkur­renz­un­ter­neh­men auch einen dritten. Während die Deutsche Bahn einen angekün­dig­ten 50-Stunden-Ausstand im Mai vor Gericht abwen­den konnte, waren beispiels­wei­se die Unter­neh­men der Trans­dev-Gruppe davon betrof­fen. Entspre­chend dürfte der Druck dort hoch gewesen sein, einen Abschluss zu erzie­len — was dann am Diens­tag­mor­gen passierte.

Die verein­bar­te Entgelt­er­hö­hung um 420 Euro pro Monat bei 21 Monaten Laufzeit (erste Erhöhung zum 1. Novem­ber um 290 Euro) plus 1400 Euro Infla­ti­ons­aus­gleichs­prä­mie dürfte vor allem für viele EVG-Mitglie­der deutlich attrak­ti­ver rüber­ge­kom­men sein als das, was bei der DB zur Unter­schrift bereit­lag (400 Euro mehr bei 27 Monaten Laufzeit, 2850 Euro Infla­ti­ons­aus­gleichs­prä­mie). Die EVG-Spitze hätte es wohl nur schwer erklä­ren können, wieso sie einem solchen Angebot zustimmt.

Die Deutsche Bahn äußer­te sich am Freitag nicht weiter zum Konflikt.

Von Burkhard Fraune und Fabian Nitsch­mann, dpa