WEINGARTEN (dpa/lsw) — Europas größte Reiter­pro­zes­si­on ist seit Jahrzehn­ten Männer­sa­che — zumin­dest, was das Mitrei­ten angeht. Das galt trotz erstma­li­ger Erlaub­nis für Frauen auch in diesem Jahr. Die Hoffnun­gen ruhen nun auf dem nächs­ten Mal — und einer Satzungsänderung.

Ohne Zuschau­er­men­gen, ohne Pilger und ohne Frauen zu Pferde: Zum tradi­tio­nel­len «Blutritt» im oberschwä­bi­schen Weingar­ten hat am Freitag­mor­gen coronabe­dingt nur eine kleine Reiter­grup­pe die Heilig-Blut-Reliquie beglei­tet. Um Menschen­men­gen zu vermei­den, war die Route zuvor geheim gehal­ten worden. Hunder­te Zuschau­er verfolg­ten Teile der Prozes­si­on und den anschlie­ßen­den Festgot­tes­dienst aber im Inter­net. Frauen hatten trotz erstma­li­ger Erlaub­nis wieder keine Chance, als «Blutrei­te­rin­nen» teilzunehmen.

Jahre­lang hatte die katho­li­sche Kirchen­ge­mein­de St. Martin in Weingar­ten darüber disku­tiert, ob auch Frauen die Reliquie auf Pferden beglei­ten dürfen. Ein Antrag, die nach Angaben der Stadt Weingar­ten größte Reiter­pro­zes­si­on Europas in die Liste des immate­ri­el­len Kultur­er­bes aufzu­neh­men, schei­ter­te an der fehlen­den Offen­heit für Frauen. Erst im Novem­ber 2020 entschied sich der Kirchen­ge­mein­de­rat, «Blutrei­te­rin­nen» zuzulas­sen — unabhän­gig von der Kultur­er­be-Debat­te, wie die Diöze­se Rotten­burg-Stutt­gart betonte.

Dass bei der coronabe­dingt kleinen Reiter­grup­pe aus Weingar­ten dieses Jahr trotz­dem nur Männer dabei seien, habe zwei Gründe, sagte der Vorsit­zen­de der dorti­gen Blutfrei­tags­ge­mein­schaft, Chris­toph Spriß­ler. Zum einen fehlten Frauen, die mitrei­ten wollen. Zum anderen stehe im Verein noch eine Satzungs­än­de­rung aus.

«Das Inter­es­se von Frauen ist da gering, auch die Zahl der Teilneh­mer insge­samt geht zurück», sagte Spriß­ler. «Dieses Thema wurde vor allem von außen immer wieder aufge­wor­fen.» Außer­dem müsse die Reiter­grup­pe im Verein die entspre­chen­de Satzung bei einer Versamm­lung ändern, um «Blutrei­te­rin­nen» zu erlau­ben. Das sei bislang coronabe­dingt nicht möglich gewesen. Er gehe aber davon aus, dass sich dies bis zum nächs­ten «Blutritt» ändern werde, sagte Spriß­ler: «Das wird kommen.»

Auch der Pfarrer der Kirchen­ge­mein­de St. Martin, Ekkehard Schmid, sagte am Freitag, er hoffe, dass beim nächs­ten «Blutritt» Frauen mitrei­ten dürften. «Die Frauen waren beim Blutritt immer schon das Rückgrat», beton­te Schmid. «Aber sie waren nicht sicht­bar.» Er sehe es als «stimmi­ges Zeichen», wenn die Reiter­grup­pen dies «organisch, wie sie das eben auch organi­sa­to­risch und program­ma­tisch hinbe­kom­men, Schritt für Schritt, ohne Stress und ohne Spannun­gen» ermöglichen.

Schmid beton­te zudem, er hoffe, die Prozes­si­on könne im kommen­den Jahr wieder «als große Gemein­schaft» gefei­ert werden. Beim «Blutritt» in Weingar­ten treffen sich am Freitag nach Chris­ti Himmel­fahrt norma­ler­wei­se Tausen­de Reiter, Musiker und Pilger. Coronabe­dingt fand die Prozes­si­on, die nach Angaben der Organi­sa­to­ren seit mehr als 900 Jahren gepflegt wird, nun zum zweiten Mal in reduzier­ter Form statt.

Ein Konflikt um die Teilnah­me von Frauen an einer männli­chen Tradi­ti­ons­ver­an­stal­tung beschäf­tigt derzeit auch die Justiz im Allgäu. In Memmin­gen strei­ten sich der Fischer­tags­ver­ein und eines seiner weibli­chen Mitglie­der vor Gericht darum, ob Frauen beim jährli­chen Ausfi­schen des Stadt­bachs mitma­chen dürfen. Das Memmin­ger Amtsge­richt sah in dem Ausschluss von Frauen eine unzuläs­si­ge Diskri­mi­nie­rung, der Verein legte Berufung gegen das Urteil ein. Am 23. Juni soll vor dem Memmin­ger Landge­richt weiter­ver­han­delt werden.