PFORZHEIM (dpa) — René Weller hatte als Amateur- und Profi­bo­xer viel Erfolg, holte gar den EM-Titel. In Erinne­rung bleibt der «schöne René» vor allem wegen seiner extra­va­gan­ten Auftrit­te. Nun ist er gestorben.

René Weller ging 1979 sogar mit Muham­mad Ali auf gemein­sa­me PR-Tour. Er fragte den «Größten aller Zeiten», was denn das Geheim­nis des Boxsports sei. Und Ali antwor­te­te: «Spaß zu haben! Alles andere ist langweilig.»

Genau daran schien Weller sich immer gehal­ten zu haben. Am Diens­tag­abend starb er im Alter von 69 Jahren. Seine Frau Maria bestä­tig­te der Deutschen Presse-Agentur in der Nacht zu Mittwoch einen entspre­chen­den Bericht der «Bild»-Zeitung.

Boxer litt an Demenz

«Du hast gekämpft wie ein Löwe, aber leider deinen letzten Kampf verlo­ren», schrieb sie auf der gemein­sa­men Insta­gram-Seite. Im Sommer 2021 hatten er und seine Ehefrau seine Demenz öffent­lich gemacht. «Hand in Hand und in meinen Armen bist du heute um 17:50 Uhr zuhau­se in Frieden von mir gegan­gen», hieß es in dem Beitrag weiter. «Ich bedan­ke mich für das wunder­schö­ne Leben und unsere einzig­ar­tig große Liebe», fügte sie hinzu. 

Der «schöne René» war einer der schil­lernds­ten und auch erfolg­reichs­ten Boxer, die es in Deutsch­land je gab. Er war Welt- und Europa­meis­ter, noch bekann­ter wurde er aber durch sein extra­va­gan­tes Auftreten.

Boxwelt ehrt «ein Original»

Die deutsche Boxwelt trauert um den schil­lern­den Pforz­hei­mer — und verneig­te sich. «René war sehr populär aufgrund seiner Art», sagte der ehema­li­ge Boxtrai­ner Ulli Wegner auf dpa-Anfra­ge. Ex-Fliegen­ge­wicht-Weltmeis­te­rin Regina Halmich meinte: «Mit René haben wir einen großen Sport­ler verlo­ren», der ein «Kerl mit Ecken und Kanten» gewesen sei. Sie sei «sehr traurig», sagte Halmich. «Sein Lebens­stil machte ihn nicht unbedingt zum Liebling aller Schwie­ger­müt­ter. Aber es war oft sehr lustig mit ihm», fügte die 46-Jähri­ge hinzu. 

Auch der frühe­re Weltmeis­ter Henry Maske teilte sein Mitge­fühl: «Ich wünsche seiner Frau weiter­hin viel Kraft für die nahelie­gen­de Zukunft.» Aus Sicht von Ex-Trainer Wegner hat Weller «Geschich­te geschrie­ben im Boxsport». «Ich habe vor allem große Hochach­tung vor seiner Frau Maria, die ihn in seiner schwers­ten Zeit seines Lebens gepflegt hat. Er war ein Origi­nal», erklär­te Wegner.

Zustand war seit Wochen schlecht

Der nahen­de Tod des frühe­ren Champi­ons hatte sich in den vergan­ge­nen Tagen abgezeich­net. Seine Ehefrau bat seine Freun­de, sich von ihm zu verab­schie­den. Weller, der in seinem Heimat­ort Pforz­heim lebte, machte die Erkran­kung zum Ende schwer zu schaf­fen. «Der Champ spricht kaum, lebt in seiner eigenen Welt», hatte Maria Weller Mitte April der «Bild»-Zeitung über den schon damals schlech­ten Zustands ihres Mannes gesagt: «Er liegt fast nur noch im Bett und schläft sehr viel, erkennt mich meistens nicht mehr. Ich muss ihn füttern.» Ihr Mann habe zwischen­zeit­lich nur noch «Grieß­brei mit Zucker und Zimt» sowie «etwas Kakao» zu sich genommen. 

1953 als Sohn eines Boxers geboren, trat Weller bereits mit zwölf Jahren dem örtli­chen Boxclub bei. Er finan­zier­te sich mit dem Verkauf seiner Brief­mar­ken­samm­lung den ersten Tiefschutz.

Extra­va­gan­te Auftritte

Bis zu seinem Wechsel ins Profi­la­ger 1980 absol­vier­te der Olympia-Teilneh­mer von 1976 insge­samt 355 Amateur­kämp­fe und gewann davon sagen­haf­te 338. Viel wichti­ger noch als all die Haken, Jabs und Ausweich­ma­nö­ver war aber: Er schuf sich ein Image, das ihn auch außer­halb des Rings populär machte. Der Grund: «Ich musste auffal­len, um populär zu werden», sagte Weller der Deutschen Presse-Agentur anläss­lich seines 65. Geburts­tags 2018. «Wer inter­es­sier­te sich in Deutsch­land schon für einen ganz norma­len Leichtgewichtsboxer?»

Also nannte er sich selbst «Golden Boy», trug im Ring glitzern­de Shorts mit knalli­gen Botschaf­ten, posier­te halb nackt mit finger­di­cken Goldket­ten auf Motor­rä­dern, sang 1985 den «René Weller Rap» ein und spiel­te im selben Jahr die Haupt­rol­le in dem Spiel­film «Macho Man». Längst hatten die Medien Weller da schon zum «schönen René» ernannt, und der Frauen­held nahm diese Rolle nur zu gern an. «Ich bin der einzi­ge Deutsche, der nackt besser aussieht als angezo­gen», sagte er.

Festnah­me und Haft

Bereits 1983 erkämpf­te er sich durch einen K.o.-Sieg in der ersten Runde gegen den Ameri­ka­ner James Ortega die Weltmeis­ter­schaft im Super­fe­der­ge­wicht — aller­dings beim gerade erst zwei Jahre zuvor gegrün­de­ten, wenig bedeut­sa­men Verband World Athle­tic Associa­ti­on. Ein Jahr später wurde Weller auch Europa­meis­ter und verlor erst die fünfte Titel­ver­tei­di­gung gegen den späte­ren WBO-Champi­on Gert Bo Jacob­sen. Das blieb die einzi­ge Nieder­la­ge seiner Profi-Karriere.

Als wesent­lich schlim­me­re Pleite bewer­te­te der fünfma­li­ge «Boxer des Jahres» seine Festnah­me und Verhaf­tung 1999. Unter anderem wegen Hehle­rei und Kokain­han­dels wurde Weller zu sieben Jahren Haft verur­teilt, vier musste er davon absitzen.

«Der Stärks­te sein»

Nach seiner Entlas­sung versuch­te sich Weller als Schau­spie­ler, Musiker, Box-Trainer und Initia­tor einer Unter­hal­tungs­show («Die Rückkehr der harten Jungs»). Auch tingel­te er durch diver­se Reali­ty-Show-Forma­te, wobei ihm das Kunst­stück gelang, 2005 nach nur einer Woche aus dem Big-Brother-Dorf geschmis­sen zu werden: Der ehemals schöns­te nackte Boxer Deutsch­lands hatte seinen Mitbe­woh­nern den blanken Hintern präsentiert.

Langwei­lig wurde es mit Weller nie. Er war Weltmeis­ter, «Pforz­heims Ali», bester Boxer Europas, Teilha­ber einer Leder­fa­brik, Goldschmuck-Verkäu­fer, Großmaul, Frauen­schwarm, Männer-Held. Zu seinem 65. Geburts­tag sagte er: «Ich wollte immer der Stärks­te sein und Spaß dabei haben. Beides hat meistens ganz gut funktioniert.»

Von Alexan­der Raack, Sebas­ti­an Stiekel und Stefan Tabel­ing, dpa