Tennis-Star, Fernseh­ex­per­te, Sorgen­kind: Boris Becker faszi­niert die Menschen in Deutsch­land seit 35 Jahren, auch mit Schlag­zei­len aus seinem Privat­le­ben. In London steht ihm nun ein schwe­rer Gang bevor.

Bei der eigens für ihn anberaum­ten Presse­kon­fe­renz plaudert der 52-Jähri­ge bestens gelaunt über seine Liebe zur Hanse­stadt und über den besten deutschen Tennis­spie­ler Alexan­der Zverev.

Zwei Tage später werden ganz andere Bilder trans­por­tiert. Mit verknif­fe­nem Gesichts­aus­druck — soweit unter dem Mund-Nasen-Schutz mit Sponso­ren-Logo und dem Schrift­zug «Stron­ger together» erkenn­bar — ist Becker in seiner Wahlhei­mat London auf dem Weg ins Gericht. Er trägt Nadel­strei­fen-Anzug und Krawat­te, die schwar­ze Schirm­müt­ze ist tief ins Gesicht gezogen.

Den Ärger um sein priva­tes Insol­venz­ver­fah­ren hatte Becker eigent­lich längst hinter sich lassen wollen. Doch es kam anders.

Am Donners­tag (22. Oktober) hat Becker einen weite­ren unange­neh­men Termin: Sein Fall wurde an den Southwark Crown Court in London verwie­sen. Der dreima­li­ge Wimble­don­sie­ger und sechs­fa­che Grand-Slam-Champi­on will sich dort zu Beginn seines Verfah­rens gegen Vorwür­fe der briti­schen Insol­venz­be­hör­de wehren. Die Behör­de wirft ihm — wieder einmal — vor, in seinem Verfah­ren nicht genügend koope­riert zu haben. Becker strei­tet das vehement ab.

In diesen Tagen sind die beiden Gesich­ter des Boris Becker präsent wie selten. Während die einen auch nach Jahrzehn­ten noch den einst weltbes­ten Tennis­spie­ler feiern, sehen andere in ihm den abgerutsch­ten Pleite-Promi. Als 17-Jähri­ger hatte sich der Rotschopf aus Leimen mit seinem Wimble­don­sieg in die Tennis-Geschichts­bü­cher katapul­tiert — und auch in die Öffent­lich­keit. Seit jenem 7. Juli 1985 steht Boris Becker im Rampen­licht — und jeder seiner sport­li­chen und priva­ten Schrit­te wird beobach­tet und kommentiert.

Heute ist Becker anerkann­ter TV-Exper­te für Euros­port oder die briti­sche BBC. Er ist Chef der Herren-Abtei­lung im Deutschen Tennis Bund und wurde jüngst von Alexan­der Zverev & Co. zum Teamchef für einen neuen Wettbe­werb auser­ko­ren. Für seine Analy­sen während der zweiwö­chi­gen French Open wurde er zuletzt wieder mit Lob überhäuft. Euros­port verlän­ger­te die Zusam­men­ar­beit bis 2023. Als Becker am vergan­ge­nen Mittwoch bei einem Besuch im Golf-Park Dessau zwei Stunden lang über sein Leben plauder­te, zog er auch dort das zahlen­de Publi­kum mit Anekdo­ten, Witz und Selbst­iro­nie in seinen Bann.

Aber da sind eben auch die priva­ten Fehltrit­te und die leidi­ge Finanz­mi­se­re. «Das Thema Geld war für mich nie vorder­grün­dig. Manch­mal hat man mehr, manch­mal hat man weniger. Ich habe deswe­gen nie Dinge gemacht. Es war nie ein Grund, dass ich Tennis gespielt habe oder heute arbei­te», sagte Becker in Dessau und versi­cher­te: «Ich verdie­ne immer noch zwei Mark fünfzig.»

Ganz so entspannt verlie­fen die vergan­ge­nen Jahre für Becker in dieser Hinsicht jedoch nicht: Im Jahr 2017 erklär­te ein briti­sches Gericht den Wahl-Londo­ner für zahlungs­un­fä­hig. Im Sommer 2019 zwangs­ver­stei­ger­te man einen Teil seiner Trophä­en — insge­samt 82 Erinne­rungs­stü­cke wie Pokale, Medail­len oder Uhren wechsel­ten in einer Online-Aukti­on den Besitzer.

Eigent­lich können Insol­venz­ver­fah­ren in England bereits nach einem Jahr abgeschlos­sen werden. Eigentlich.

In Beckers Fall wurden die Insol­venz­auf­la­gen jedoch um zwölf Jahre verlän­gert — demnach muss sich der Ex-Profi bis zum 16. Oktober 2031 bestimm­ten Einschrän­kun­gen für zahlungs­un­fä­hi­ge Perso­nen in Großbri­tan­ni­en unter­wer­fen. Grund ist, dass Becker Trans­ak­tio­nen aus der Zeit vor und nach dem Insol­venz­ver­fah­ren nicht ordnungs­ge­mäß gemel­det haben soll. Um ähnli­che Vorwür­fe geht es jetzt erneut. Die zustän­di­ge Insol­venz­be­hör­de führt nun straf­recht­li­che Ermitt­lun­gen gegen den 52-Jährigen.

Der Boule­vard, der den damals 17-Jähri­gen zum Natio­nal­hei­li­gen ausrief, stürzt sich nun genüss­lich auf den gefal­le­nen Helden. Es werde seit 30 Jahren aller­hand über ihn geschrie­ben, das meiste davon stimme zum Glück nicht, sagte Becker in Dessau.

Wird der Prozess zum Wende­punkt in der Causa Becker? Abwar­ten. Jeden­falls kann er die Misere der Insol­venz deutlich in die Länge ziehen. «Ich bestrei­te die Anschul­di­gun­gen gegen mich und werde mich mit allen recht­li­chen Mitteln vertei­di­gen», ließ Becker kürzlich in seinem Lieblings­me­di­um Twitter verlau­ten und kündig­te an, dass sein Team seine Unschuld «zu gegebe­ner Zeit bewei­sen werde». Drei Ausru­fe­zei­chen setzte er.

Boris Becker im Stadi­on am Rothen­baum in Hamburg. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)