PEKING/BERLIN (dpa) — Nach drei Jahren Abschot­tung öffnet sich China wieder zum Ausland. Auch fällt die Quaran­tä­ne bei der Einrei­se weg. Wegen der massi­ven Corona-Welle in China rät die Bundes­re­gie­rung aber von Reisen ab.

Nach fast drei Jahren Corona-Abschot­tung hat China seine Grenzen wieder geöff­net. Einen Monat nach dem Ende der rigoro­sen Null-Covid-Politik reisten als erste Besucher wieder einige Zehntau­send Hongkon­ger über die Grenz­über­gän­ge in die Volks­re­pu­blik. Wegen der massi­ven Corona-Welle in China und aus Sorge vor neuen Virus­va­ri­an­ten rät das Auswär­ti­ge Amt in Berlin aller­dings «aktuell von nicht notwen­di­gen Reisen» in das Land ab.

Die Infek­ti­ons­zah­len in China seien auf dem höchs­ten Stand seit Beginn der Pande­mie 2020: «Das chine­si­sche Gesund­heits­sys­tem ist überlas­tet, auch die ausrei­chen­de Versor­gung in medizi­ni­schen Notfäl­len ist davon betrof­fen», heißt es in den Reise- und Sicher­heits­hin­wei­sen des Außen­am­tes. Ab Montag gilt China (ausge­nom­men Hongkong) nach Angaben des Robert Koch-Insti­tuts laut neuer Einrei­se­ver­ord­nung als «Virus­va­ri­an­ten­ge­biet in dem eine besorg­nis­er­re­gen­de Virus­va­ri­an­te aufzu­tre­ten droht».

Ab dann soll auch die geplan­te Testpflicht gelten: Reisen­de aus China müssen damit vor dem Abflug nach Deutsch­land mindes­tens einen negati­ven Antigen­schnell­test vorwei­sen, der maximal 48 Stunden alt ist. Kontrol­liert werden soll das von den Flugge­sell­schaf­ten. Zudem sollen Reisen­de nach der Landung auf Behör­den­an­for­de­rung stich­pro­ben­ar­tig getes­tet werden können. Deutsch­land will, wie andere Länder, außer­dem das Abwas­ser von Flugzeu­gen aus China auf mögli­che neue Corona­vi­rus-Varian­ten untersuchen.

2,5 Millio­nen Neuan­ste­ckun­gen pro Tag

Zuletzt waren viele Besucher aus China bei der Ankunft in anderen Ländern als infiziert aufge­fal­len. Nach Schät­zun­gen des in London ansäs­si­gen Daten­ver­ar­bei­ters Airfi­ni­ty stecken sich in dem bevöl­ke­rungs­reichs­ten Land der Welt gegen­wär­tig jeden Tag 2,5 Millio­nen Menschen neu an, während 16.600 sterben. Mitte Januar könnte die Zahl der tägli­chen Neuin­fek­tio­nen demnach auf 3,7 Millio­nen steigen. Nach diesen Schät­zun­gen soll es schon 209 000 Tote gegeben haben. Bis Ende April könnte die Zahl der Corona-Toten den Hochrech­nun­gen zufol­ge auf 1,7 Millio­nen anwachsen.

Ein neuer Vorbeu­gungs­plan in China setzt im Umgang mit Corona verstärkt auf Selbst­schutz und Impfun­gen. Mehr als 500 Kranken­häu­ser in China sollen die Entwick­lung der Infek­ti­ons­la­ge beobach­ten und durch Proben die Entste­hung neuer Virus-Varian­ten überwa­chen. Auch sollen ausge­such­te Kommu­nen Abwäs­ser analysieren.

Die meisten Einrei­se­be­schrän­kun­gen und vor allem die zuletzt noch einwö­chi­ge Zwangs­qua­ran­tä­ne bei der Ankunft entfal­len mit Wirkung vom Sonntag. Zeitwei­se wurden Ankömm­lin­ge sogar bis zu drei Wochen streng in einem Hotel­zim­mer isoliert. Die jetzi­ge Öffnung soll gleich­wohl auf «geord­ne­te Weise» erfol­gen — das bedeu­tet, dass die Zahl der Ein- und Ausrei­sen oder die Verga­be von Visa zunächst begrenzt wird.

Für Bewoh­ner der chine­si­schen Sonder­ver­wal­tungs­re­gi­on gilt vorerst eine Quote von 50.000 Einrei­sen pro Tag, für die sich Besucher vorher regis­trie­ren müssen. Die Nachfra­ge ist groß: 410.000 Hongkon­ger haben sich bereits angemel­det, berich­te­te die «South China Morning Post». In umgekehr­te Richtung konnte am Sonntag eine begrenz­te Zahl von 6600 Reisen­den aus China über die Grenze nach Hongkong wechseln. Reisen­de müssen negati­ve PCR-Tests aus den letzten 48 Stunden nachweisen.

Norma­li­sie­rung des Reise­ver­kehrs dauert noch

Die Öffnung folgt auf den abrup­ten Kurswech­sel Anfang Dezem­ber in China von dem seit 2020 verfolg­ten strik­ten Null-Toleranz-Ziel zu einer völli­gen Locke­rung. Die Kehrt­wen­de wurde mit dem leich­te­ren Krank­heits­ver­lauf begrün­det. Doch hatten Lockdowns, Massen­tests und Zwangs­qua­ran­tä­ne das Virus nicht mehr eindäm­men können. Auch litt die zweit­größ­te Volks­wirt­schaft zuneh­mend unter den Maßnah­men. Die folgen­de Infek­ti­ons­wel­le traf die Kranken­häu­ser völlig unvor­be­rei­tet. Auch waren Impfun­gen nicht ausrei­chend voran­ge­trie­ben worden.

Nach dem Ende der Einrei­se­be­schrän­kun­gen dürfte es noch Monate dauern, bis sich der Reise­ver­kehr wieder norma­li­siert. Die Zahl der Flüge von China ins Ausland liegt gegen­wär­tig nur bei rund zehn Prozent des Volumens wie vor der Pande­mie. Die Tickets sind teuer. Auch müssen Touris­ten hinten anste­hen: Zwar wollen Chinas Behör­den wieder Reise­päs­se ausstel­len oder verlän­gern, doch vorran­gig nur für Geschäfts- und Studi­en­rei­sen. Umgekehrt wollen Chinas Botschaf­ten wieder mehr Visa verge­ben — auch hier haben Geschäfts‑, Arbeits- oder Studi­en­auf­ent­hal­te und Famili­en­be­su­che Vorrang. Vor der Einrei­se nach China muss zudem auch ein negati­ver PCR-Test vorge­legt werden.

Reisen­de müssen auch beach­ten, dass zum chine­si­schen Neujahrs­fest am 22. Januar noch weite­re Infek­ti­ons­wel­len in China erwar­tet werden. Zum wichtigs­ten chine­si­schen Famili­en­fest reisen tradi­tio­nell Hunder­te Millio­nen Menschen in ihre Heimat­dör­fer und besuchen Verwand­te. Während der 40-tägigen Reise­zeit von diesem Wochen­en­de an dürfte das Reise­vo­lu­men nach Schät­zun­gen rund 70 Prozent gegen­über der Zeit vor der Pande­mie erreichen.

Exper­ten befürch­ten, dass das Virus dabei von den jetzt betrof­fe­nen Metro­po­len in die — noch weniger vorbe­rei­te­ten — inlän­di­schen Provin­zen und den ländli­chen Raum geschleppt wird. Auf dem Lande leben beson­ders viele alte Menschen, die in China häufig aus Angst vor Neben­wir­kun­gen nicht ausrei­chend durch Impfun­gen geschützt sind. Zudem ist die medizi­ni­sche Versor­gung vieler­orts unzureichend.