KÖLN (dpa) — Penny sorgt ab Montag für einen Preis­schock der eigenen Art. Für neun Produk­te kassiert das Unter­neh­men die «wahren Preise». Dabei werden auch verdeck­te Kosten bei der Produk­ti­on berücksichtigt.

Es ist ein gewal­ti­ger Preis­auf­schlag: Wiener Würst­chen kosten plötz­lich 6,01 Euro statt 3,19 Euro. Der Preis für Mozza­rel­la erhöht sich von 89 Cent auf 1,55 Euro und für Frucht­jo­ghurt muss 1,56 Euro statt 1,19 Euro bezahlt werden.

In einem ungewöhn­li­chen Experi­ment verlangt der Discoun­ter Penny ab Montag eine Woche lang für 9 seiner mehr als 3000 Produk­te die «wahren Preise» — also den Betrag, der bei Berück­sich­ti­gung aller durch die Produk­ti­on verur­sach­ten Umwelt- und Gesund­heits­schä­den eigent­lich berech­net werden müsste.

Es ist ein gewag­ter Schritt in Zeiten, in denen viele Haushal­te ohnehin unter der Explo­si­on der Lebens­mit­tel­kos­ten leiden. Denn die Produk­te vom Käse bis zum Wiener Würst­chen werden dadurch um bis zu 94 Prozent teurer, wie die Handels­ket­te am Sonntag mitteilte.

Die Mehrein­nah­men werden gespendet

Dem Händler ist das durch­aus bewusst, er will aber trotz­dem ein Zeichen setzten. «Wir sehen, dass viele unserer Kundin­nen und Kunden unter den unver­än­dert hohen Lebens­mit­tel­prei­sen leiden. Dennoch müssen wir uns der unbeque­men Botschaft stellen, dass die Preise unserer Lebens­mit­tel, die entlang der Liefer­ket­te anfal­len, die Umwelt­fol­ge­kos­ten nicht wider­spie­geln», sagt Penny-Manager Stefan Görgens. Mit der einwö­chi­gen Aktion in allen 2150 Filia­len wolle das Unter­neh­men Problem­be­wusst­sein bei den Kunden schaffen.

Die Mehrein­nah­men will die zur Rewe-Gruppe gehören­de Kette nicht behal­ten, sondern für ein Projekt zum Klima­schutz und zum Erhalt famili­en­ge­führ­ter Bauern­hö­fe im Alpen­raum spenden.

Berech­net wurden die «wahren Preise», bei denen neben den üblichen Herstel­lungs­kos­ten auch die Auswir­kun­gen der Lebens­mit­tel­pro­duk­ti­on auf Boden, Klima, Wasser und Gesund­heit einbe­zo­gen wurden, von Wissen­schaft­lern der Techni­schen Hochschu­le Nürnberg und der Univer­si­tät Greifswald.

«Wir lügen uns in die Tasche, wenn wir so tun, als hätte die heuti­ge Lebens­mit­tel­pro­duk­ti­on keine versteck­ten Umwelt­fol­ge­kos­ten», sagt Amelie Michal­ke, die an der Univer­si­tät Greifs­wald die ökolo­gi­schen und sozia­len Effek­te der landwirt­schaft­li­chen Produk­ti­on unter­sucht. Diese Kosten spiegel­ten sich zwar nicht im Laden­preis wieder, doch fielen sie der Allge­mein­heit und künfti­gen Genera­tio­nen zur Last.

Aufschlag bei rein pflanz­li­chen Produk­ten am niedrigsten

Die Berück­sich­ti­gung dieser versteck­ten Kosten erhöht den Produkt­preis häufig beträcht­lich. Die 300-Gramm-Packung Maasda­mer Käse etwa verteu­ert sich dadurch um 94 Prozent von 2,49 auf 4,84 Euro. Nach den Berech­nun­gen der Wissen­schaft­ler kommen zum «norma­len» Preis noch versteck­te Kosten in Höhe von 2,35 Euro hinzu: Allein 85 Cent für klima­schäd­li­che Emissio­nen der Landwirt­schaft wie Methan oder CO2.

Außer­dem 76 Cent für die Boden­be­las­tun­gen durch die inten­si­ve Landwirt­schaft zur Futter­pro­duk­ti­on. Weite­re 63 Cent für die Auswir­kun­gen des Pesti­zid­ein­sat­zes und anderer Fakto­ren auf die Gesund­heit der Landwir­te. Und noch einmal etwas mehr als 10 Cent für die Belas­tung des Grund­was­sers etwa durch Düngemittel.

Doch ist der Preis­auf­schlag durch Einbe­zie­hung der versteck­ten Umwelt­kos­ten nicht überall gleich. Deutlich gerin­ger als bei Wiener Würst­chen oder Joghurt fällt die Steige­rung mit nur 5 Prozent bei einem veganen Schnit­zel aus. Generell sei der notwen­di­ge Aufschlag bei rein pflanz­li­chen Produk­ten wegen der gerin­ge­ren Umwelt­be­las­tung am niedrigs­ten, berich­tet der Umwelt­öko­nom Tobias Gaugler von der Techni­schen Hochschu­le Nürnberg, der das Projekt beglei­tet. Deutlich höher sei er bei Milch­pro­duk­ten und am höchs­ten bei Fleisch.

Penny will Bewusst­sein für Nachhal­tig­keit schaffen

Auch eine Studie der Univer­si­tät Oxford kam im vergan­ge­nen Jahr zu dem Ergeb­nis, dass insbe­son­de­re die Preise für Fleisch bei Berück­sich­ti­gung der Treib­haus­gas­emis­sio­nen und anderer Umwelt­schä­den deutlich höher sein müssten.

Fragt sich nur, ob die Verbrau­che­rin­nen und Verbrau­cher angesichts der allge­mei­nen Preis­stei­ge­run­gen Verständ­nis für das Experi­ment haben. «Das ist ein mutiger Schritt — gerade in Infla­ti­ons­zei­ten», meint der Marke­ting-Exper­te Martin Fassnacht von der Wirtschafts­hoch­schu­le WHU in Düsseldorf.

Er prognos­ti­ziert: «Penny wird aller Voraus­sicht nach nicht viel von diesen Produk­ten verkau­fen.» Aber darum gehe es dem Unter­neh­men auch gar nicht. Es wolle Bewusst­sein für Nachhal­tig­keit schaf­fen und gleich­zei­tig die eigene Marke aufwer­ten, ist der Branchen­ken­ner überzeugt.

Die Risiken der Aktion für den Discoun­ter hält der Marke­ting-Fachmann für überschau­bar — nicht zuletzt weil sie zeitlich befris­tet und auf wenige Produk­te begrenzt ist. «Auch wenn die hohe Infla­ti­on zu großer Verun­si­che­rung bei den Verbrau­chern geführt hat: Ich glaube nicht, dass das die Aktion die Kunden vor den Kopf stößt — solan­ge sie die Wahl haben, zu anderen Produk­ten zu greifen.»

Von Erich Reimann, dpa