NEU-ULM (dpa) — Die Spontan-Party in der Arena ist für Ulm nur der Anfang für ein ganz langes Wochen­en­de. Clubboss Stoll kommen die Tränen, den Triumph widmen sie einem kürzlich verstor­be­nen Begleiter.

Am Ende einer wilden Party­nacht mit Champa­gner und Zigar­ren lag der silber­ne Pokal im Bett von Vereins­boss Thomas Stoll.

Nach jahrzehn­te­lan­ger Aufbau­ar­beit feier­te Ratio­ph­arm Ulm die erhoff­te erste Meister­krö­nung in der Basket­ball-Bundes­li­ga bis in die frühen Morgen­stun­den und widme­te den größten Triumph der Clubhis­to­rie dem kurz vor dem Finale gestor­be­nen Betreu­er Andi Klee, der Kutscher genannt wurde. «Grüße auf die Wolke. KUTSCHER wir haben den Titel. Lass es dort oben ordent­lich krachen», schrieb Stoll, der mit der Schluss­si­re­ne beim 74:70 gegen die Telekom Baskets Bonn zu weinen begann.

Ulms Gavel: «Das ist enorm und besonders»

Danach begann vor 6000 begeis­ter­ten Fans sofort die Party. Mit dem bei Meister­schaf­ten üblichen Konfet­ti­re­gen begnüg­ten sich die Spieler und Verant­wort­li­chen nicht: Final­held Yago dos Santos und seine Kolle­gen genos­sen noch auf dem Feld ein ganzes Set an Zigar­ren und verwüs­te­ten feier­lich das Parkett in der Arena. «Das wird ein Wochen­en­de, was nicht so leicht zu verges­sen sein wird. Ich hoffe, dass ich mich noch an ein paar Sachen erinnern kann, denn es wird viel Alkohol fließen», sagte Sport­di­rek­tor Thors­ten Leiben­ath der Deutschen Presse-Agentur.

Clubboss Stoll und Leiben­ath sind die Archi­tek­ten des Erfolgs, den Trainer Anton Gavel direkt in seiner ersten Saison möglich gemacht hat. «Wir sind unglaub­lich glück­lich. Als Siebter den Ersten, Zweiten und Dritten rausge­schmis­sen zu haben. Die Jungs haben über die gesam­ten Playoffs unglaub­li­ches Herz und dicke Eier gezeigt», sagte Gavel, der als Profi fünf Meister­schaf­ten mit Bamberg und Bayern feier­te. Doch dieser Erfolg stach heraus. «Das ist enorm und beson­ders, es ist mein erster Titel als Coach. Damit hat keiner gerech­net», stell­te der 38-Jähri­ge klar.

Die Krönung nach zahlrei­chen erfolg­lo­sen Anläu­fen kam quasi aus dem Nichts. Ulm starte­te nach vielen Proble­men als Außen­sei­ter — und bezwang dann erst den entthron­ten Meister Alba Berlin, dann Pokal­sie­ger Bayern und nun Champi­ons-League-Sieger Bonn. «Das gab es noch nie und ich glaube auch nicht, dass es das nochmal geben wird», sagte Stoll. Der Funktio­när veröf­fent­lich­te am frühen Samstag­mor­gen eine ganze Serie an Fotos mit der Silber­tro­phäe: Angeschnallt auf dem Beifah­rer­sitz, auf dem Küchen­tisch, auf dem Nacht­tisch — und zum Abschluss im Bett, in den Armen Stolls.

Bonn steht vor einem Umbruch

Der Ulmer Erfolg entstand weder durch inter­na­tio­na­le Stars wie Bonns T.J. Shorts noch durch namhaf­te deutsche Natio­nal­spie­ler. Robin Chris­ten und Karim Jallow spielen in den Überle­gun­gen von Bundes­trai­ner Gordon Herbert keine große Rolle, waren beim famosen Titel­lauf der Ulmer aber elemen­tar wichtig. Der völlig gelös­te Jallow musste im TV-Inter­view noch einen beson­de­ren Gruß loswer­den: «Oma Ingrid, du bist gerade im Urlaub an der Ostsee. Du hast jedes Spiel geschaut, hast mir vor jedem Spiel geschrie­ben. Und jetzt genieß’ weiter deinen Urlaub.»

Für die Liga war der leiden­schaft­li­che Kampf zwischen titel­hung­ri­gen Bonnern und Ulmern eine wohltu­en­de Abwechs­lung zum Dauer­du­ell Alba gegen Bayern. Bonns Traum­sai­son mit Champi­ons-League-Titel und vor dem Endspiel 38 Siegen aus 40 Bundes­li­ga-Partien blieb ungekrönt. «Es ist eine verdien­te Meister­schaft. Sie haben die drei besten Mannschaf­ten geschla­gen, das ist etwas Einzig­ar­ti­ges», räumte Bonns Trainer Tuomas Iisalo ein.

Der finni­sche Erfolgs­trai­ner und der im Finale stets ausge­pfif­fe­ne Spiel­ma­cher Shorts dürften Bonn im Sommer verlas­sen. Doch so weit wollte Iisalo noch nicht denken. «Wir nehmen die Busse zum Hotel. Dann trinke ich zwei, drei oder vier Bier. Das ist meine Zukunft momen­tan», sagte der Coach.

Patrick Reichardt, dpa