BERLIN (dpa) — Wie sollen die Schulen in Deutsch­land bei großer Hitze reagie­ren? Wie können Kinder geschützt werden? Verbän­de machen sich für mehr Hitze­schutz stark — und fordern einheit­li­che Regeln für Hitzefrei.

Wann heißt es in der Schule: endlich Hitze­frei! Einheit­li­che Vorga­ben gibt es in Deutsch­land nicht. Gewerk­schaf­ten und Eltern­ver­tre­ter machen sich für einheit­li­che Regeln stark — und fordern angesichts erwar­te­ter heißer Sommer in Zukunft darüber hinaus insge­samt mehr Hitze­schutz in den Schulen.

«Wir müssen den steigen­den Tempe­ra­tu­ren, die mit dem Klima­wan­del auf uns zurol­len, präven­tiv begeg­nen», sagte Anja Bensin­ger-Stolze vom Vorstand der Gewerk­schaft Erzie­hung und Wissen­schaft (GEW) der Deutschen Presse-Agentur. Tomi Neckov, Vize-Chef des Verbands Bildung und Erzie­hung (VBE), forder­te Wege, «die Tempe­ra­tur­spit­zen für Schüle­rin­nen und Schüler, aber auch für die Lehrkräf­te erträg­lich zu machen».

Forde­rung nach einheit­li­chen Standards

«Heute wird es in jedem Bundes­land völlig unter­schied­lich geregelt, wann es Hitze­frei geben kann», sagte Bensin­ger-Stolze. Vielfach sei dies den einzel­nen Schulen überlas­sen. «Hier wäre eine Verein­heit­li­chung wünschens­wert, so dass es ab einer bestimm­ten Tempe­ra­tur Hitze­frei geben kann.»

Auch der Bundes­el­tern­rat forder­te einheit­li­che Standards statt eines födera­len «Flicken­tep­pichs», wie die Vorsit­zen­de Chris­tia­ne Gotte der dpa sagte. «Wir fänden es gut, wenn das bundes­ein­heit­lich wäre», so Gotte. «Die ideale Lern-Tempe­ra­tur liegt bei 21 Grad.» Als mögli­chen Richt­wert für Hitze­frei nannte die Eltern­rats­vor­sit­zen­de etwa 25 Grad im Schat­ten draußen um 10 Uhr. «Dann können sich Eltern auch darauf einstellen.»

Unter­schied­li­che Regeln

Ein Blick in die Länder zeigt, dass in der Regel jeweils die Schulen entschei­den, dabei die örtli­che Situa­ti­on berück­sich­ti­gen und die Kinder nicht einfach nach Hause schicken sollen. So existiert etwa in Bayern, wo am Montag die letzte Schul­wo­che vor den Sommer­fe­ri­en anbricht, keine generel­le Hitze­frei-Regelung ab einer bestimm­ten Tempe­ra­tur. Die Schul­lei­tun­gen sollen bei ihrer Entschei­dung laut Kultus­mi­nis­te­ri­um etwa auch darauf achten, dass die Schüler­be­för­de­rung nicht gefähr­det ist.

In Baden-Württem­berg gilt als ein Krite­ri­um für die Schul­lei­tun­gen eine Außen­tem­pe­ra­tur von mindes­tens 25 Grad um 11 Uhr. In Nordrhein-Westfa­len gibt es als Anhalts­punkt eine Raumtem­pe­ra­tur von mehr als 27 Grad Celsi­us, kein Hitze­frei ist in der Sekun­dar­stu­fe II vorge­se­hen. Und beispiels­wei­se in Branden­burg kann in Grund­schu­len und Sekun­dar­stu­fe I Hitze­frei gegeben werden, wenn 25 Grad um 10 Uhr draußen oder um 11 Uhr drinnen gemes­sen werden.

Verla­ge­rung nach draußen

Als Alter­na­ti­ve zu einfa­chem Hitze­frei sprach sich Gotte dafür aus, Unter­richt oder Betreu­ung bei hohen Tempe­ra­tu­ren nach draußen zu verle­gen. Auch VBE-Vize Neckov sagte: «Der VBE ermun­tert seine Mitglie­der dazu, den Unter­richt flexi­bel zu gestal­ten und beispiels­wei­se Orte wie den Schul­gar­ten, die mögli­cher­wei­se nahe gelege­ne Parkan­la­ge oder den Wald stärker in den Unter­richt einzubinden.»

Beson­ders für Ganztags­schu­len sei dies von entschei­den­der Bedeu­tung. Auch GEW-Vertre­te­rin Bensin­ger-Stolze meint, Unter­richts­for­men im Freien sollten «verstärkt erprobt» werden.

Flexi­ble Lösungen

Ein Infor­ma­ti­ons­por­tal zu Hitze, das vor wenigen Wochen unter Feder­füh­rung von Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) online gegan­gen ist, schlägt bei großer Hitze unter anderem eine «Verla­ge­rung des Unter­richts auf kühle­re Tages­zei­ten» vor — etwa durch frühe­ren Beginn, länge­re Mittags­pau­se sowie ein späte­res Unter­richts­en­de. Bensin­ger-Stolze tritt für «flexi­ble Lösun­gen» ein, wie sie sagte. «Wichtig ist es, die Räume besser gegen Wärme zu isolie­ren», so die Gewerk­schaf­te­rin. Neckov forder­te, Hitze­schutz bei Sanie­rung und Schul­bau stärker zu berücksichtigen.

Bensin­ger-Stolze regte zudem die Ausstat­tung der Schulen mit Wasser­spen­dern und großzü­gi­gen Schat­ten­flä­chen an. Und: «Wichtig ist, das Räume gut durch­lüf­tet werden können.» Der Präsi­dent des Deutschen Lehrer­ver­bands, Stefan Düll, sieht hier auch Bund und Länder gefor­dert — denn diese sollten Lüftungs­an­la­gen finanzieren.

Gewerk­schaf­te­rin Bensin­ger-Stolze sieht die Zeit auf jeden Fall reif für «eine breite Diskus­si­on über mögli­che Reaktio­nen in den Schulen auf große Hitze» — Eltern, Schüle­rin­nen und Schüler und Beschäf­tig­te sollten dabei einbe­zo­gen werden.

Von Basil Wegener, Stella Venohr und Ann-Kristin Wenzel, dpa