FRIEDRICHSHAFEN — Weihnach­ten 2020 war ein ganz beson­de­res Fest. Wir sollten Kontak­te vermei­den. Viele Famili­en kamen nicht zusam­men wie sie es gewohnt waren. Die Reise in die „Heimat“ war einem Großteil verwehrt. Auch David Fiel hat seine Heimat Cuba eine Weile nicht gesehen. Der karibi­sche Insel­staat ist für den 27-Jähri­gen der Ort einer Geschich­te, die eine ganz beson­de­re ist — ganz ohne Sonne, weiße Strän­de und handge­roll­te Zigarren.

Das europäi­sche Urlau­ber­bild von Kuba ist ein paradie­si­sches. „Zum Urlaub machen ist es perfekt. Das Leben für die Kubaner ist aller­dings sehr hart“, sagt er mit gesenk­tem Blick. Denn er weiß, wovon er spricht. Bis 2016 lebte er in seiner Heimat und verließ schließ­lich Kuba für ein Leben als Profi­vol­ley­bal­ler in Europa. Der Traum vom Profi war dabei gar nicht so wichtig. „Ich wollte einfach meine Familie unterstützen.“

In der Schule hatte David Fiel einen Spitz­na­men. Frei übersetzt war er der, der „jeden Sport macht“. Zuerst war das aber Rudern und Fechten. „Ich wollte einfach so gut sein, dass ich für Kuba in die Natio­nal­mann­schaft komme“, erinnert er sich. Dass es nicht Fechten, sondern Volley­ball wurde, passier­te erst mit 17 Jahren. Fiel geriet über seinen Vater an einen Volley­ball­trai­ner. Schon ein halbes Jahr später wurde er zur Natio­nal­mann­schaft einge­la­den. Obwohl der Natio­nal­trai­ner ihm eröff­ne­te, er selbst würde „eher Kosmo­naut“ bevor Fiel Natio­nal­spie­ler sein könnte — kurze Zeit späte­rer war der Trainer nicht im All, Fiel aber Teil der „kubani­schen Löwen“.

Es lag aller­dings ein Schat­ten über dieser Geschich­te. Auch der hat viel mit der Heimat Kuba zu tun. Vier Jahre nach Fiels Geburt kam sein Bruder zur Welt. Und weil bei ihm eine Form von Autis­mus diagnos­ti­ziert wurde, quittier­te die Mutter ihren Job, um sich um ihr Kind zu kümmern. Fiels Vater musste allein für das Auskom­men der Familie sorgen. In einem Land, in dem Ressour­cen so oder so knapp sind und die Bevöl­ke­rung eine wirtschaft­li­che Krise nach der anderen aushal­ten muss, hatte die Familie „zu kämpfen“, wie Fiel es ausdrückt.

Auch das Einkom­men der Schwes­ter, die in der Gastro­no­mie arbei­tet, half nur bedingt. Und Fiel? Er war Natio­nal­spie­ler. Das bedeu­tet für kubani­sche Sport­ler viel Ehre und wenig Verdienst. Dazu kommt, dass ein Profi­ver­trag im Ausland verbo­ten ist. „Ich musste mich entschei­den und kündig­te sozusa­gen bei der Natio­nal­mann­schaft“, sagt er. Das war 2014. „Ich wollte ins Ausland und Geld verdie­nen.“ Einein­halb Jahr musste er dann noch auf seinen Pass und die Ausrei­se warten. „Das war am 2. April 2016“, kommt es wie aus der Pisto­le geschos­sen. Schon das zeigt, wie wichtig dieses Datum für ihn ist.

David Fiel ging nach Polen. Er lernte eine Frau kennen und heira­te­te sie. Über die Zeit schaff­te er es, mit Volley­ball Geld zu verdie­nen. Eine wichti­ge Stütze war dabei Wilfre­do Leon. Der vermut­lich beste Angrei­fer der Welt ist sein „Bruder und bester Freund“ und er zeigte ihm „wie das Leben im Kapita­lis­mus funktio­niert“. Als es wirtschaft­lich eng war, sprang Leon ebenfalls ein. „Man, er hat mir so viel gehol­fen und das werde ich ihm nie verges­sen.“ Es waren schwie­ri­ge Zeiten, auch weil er seine Familie vermiss­te. Einmal im Jahr flog er nach Kuba, für 14 Tage.

Heute verdient er Geld. Natür­lich nicht das Gehalt von Leon und schon gar nicht die Summen eines profes­sio­nel­len Fußbal­lers. „Aber es reicht für mich und dass ich meiner Familie Geld nach Kuba schicken kann“. Manch­mal ist es mehr, manch­mal weniger. Für ihn könnte es aber noch viel mehr sein. „Meine Familie macht mir keinen Druck, aber ich mache mir den. Ich möchte, dass sie ein schönes Haus haben und gut leben können.“ Dazu kommt, dass seine Schwes­ter seit ihrer Schwan­ger­schaft nicht mehr arbei­ten kann. Nur er und sein Vater verdie­nen nun das Geld. „Wir kämpfen eben, wie immer“, lächelt er. Fiel kennt es nicht anders. „Ich bin ein Krieger.“

Mit einer polni­schen Frau hätte er die Chance, die polni­sche Staats­bür­ger­schaft anzuneh­men. Leon hat es vorge­macht. Fiel hat im Moment aber andere Pläne. Denn auf Kuba hat sich viel geändert seit seiner Ausrei­se. „Das Land hat sich geöff­net. Wir haben jetzt sogar Inter­net.“ Und auch im Sport hat sich viel getan. Vor allem im Hinblick auf Profi­sport­ler, die für ihr Land spielen wollen. Im Sommer will David Fiel nach Kuba reisen und mit seinem Verband sprechen. „Sie möchten, dass ich für Kuba spiele und ich will das auch. Wir setzen uns nach der Saison hin und reden und dann sehen wir was passiert.“ So könnte beides funktio­nie­ren — Geld verdie­nen mit dem Sport und der Traum des kleinen David, sein Land auf dem Feld zu vertreten.