NÜRNBERG (dpa) — Die Stimmung auf dem Arbeits­markt gleicht zurzeit ein bisschen dem Wetter: trübe. Aller­dings ist ein Anstieg der Arbeits­lo­sig­keit in der Sommer­pau­se normal. Doch es sah schon mal besser aus.

Die deutsche Wirtschaft blickt sorgen­voll auf die Konjunk­tur­flau­te — und auch auf dem Arbeits­markt macht sich diese zuneh­mend bemerk­bar. Die Zahl der Arbeits­lo­sen ist nach Angaben der Bundes­agen­tur für Arbeit im Juli erneut gestie­gen. Viele Unter­neh­men zögern in der aktuel­len Situa­ti­on, neue Mitar­bei­ten­de einzu­stel­len. Eins der drängends­ten Proble­me bleibt jedoch der Fachkräf­te­man­gel — und der fängt zum Teil schon beim Nachwuchs an. Zu Beginn des Ausbil­dungs­jah­res waren noch 228.000 Lehrstel­len unbesetzt.

«Trotz inter­na­tio­na­ler Unsicher­hei­ten und saiso­nal typischer Sommer­ef­fek­te zeigt sich der deutsche Arbeits­markt bei gerin­ger Dynamik weiter stabil», hieß es aus dem Bundes­ar­beits­mi­nis­te­ri­um. Im Juli nahm die Zahl der Arbeits­lo­sen im Vergleich zum Vormo­nat um 62.000 auf 2,617 Millio­nen zu. Ein Anstieg im Juli ist normal, weil beispiels­wei­se Ausbil­dungs­ver­trä­ge enden und Betrie­be in der Ferien­zeit weniger einstellen.

Negati­ve Entwicklung

Ein Vergleich zum Vorjahr zeigt aber die negati­ve Entwick­lung: Damals waren es der Bundes­agen­tur zufol­ge noch 147.000 Menschen ohne Job weniger. Die Arbeits­lo­sen­quo­te erhöh­te sich im Juli um 0,2 Prozent­punk­te auf 5,7 Prozent.

«Zu einem starken Einbruch ist es aller­dings zum Glück bisher nicht gekom­men», sagte BA-Chefin Andrea Nahles. Die deutsche Wirtschaft sei seit drei Quarta­len nicht mehr gewach­sen. «Vor dem Hinter­grund hält sich der Arbeits­markt gut.» Für die aktuel­le Statis­tik hat die Bundes­agen­tur in Nürnberg Zahlen ausge­wer­tet, die bis zum 12. Juli vorla­gen. Demnach verzeich­ne­te die Bundes­agen­tur im Juli 108.000 weniger offene Arbeits­stel­len als noch vor einem Jahr, mit 772.000 lagen diese aber immer noch auf vergleichs­wei­se hohem Niveau.

Seit einem Jahr ist Nahles nun Chefin der Bundes­be­hör­de in Nürnberg. Mit dem Ukrai­ne-Krieg und der Energie­kri­se sei es ein heraus­for­dern­des Jahr gewesen, sagte sie. Das Problem, das sie jedoch am meisten beschäf­tigt habe, sei der Fachkräf­te­man­gel. Die Beschäf­ti­gung war zuletzt in Deutsch­land zwar weiter­hin gewachsen.

Folgen des demogra­fi­schen Wandels

Doch die Folgen des demogra­fi­schen Wandels zeigten sich bereits eindeu­tig: Nach Hochrech­nun­gen der Bundes­agen­tur gingen im Mai 34,7 Millio­nen Menschen einer sozial­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäf­ti­gung. Der Anstieg um 253.000 im Vergleich zum Vormo­nat ging dabei erneut allein auf Arbeits­kräf­te aus dem Ausland zurück.

Zudem stehen viele Betrie­be vor Nachwuchs­sor­gen: Von Oktober 2022 bis Juli 2023 melde­ten Unter­neh­men 509.000 Ausbil­dungs­plät­ze bei der Bundes­agen­tur für Arbeit und damit ähnli­che viele wie vor einem Jahr. Davon blieben aller­dings 45 Prozent bis kurz vor dem offizi­el­len Start des Ausbil­dungs­jah­res am 1. August unbesetzt.

Auf der anderen Seite suchten im Juli noch 117.000 junge Menschen eine Ausbil­dung, der Großteil von ihnen als Verkäu­fe­rin oder Verkäu­fer und als Kaufleu­te im Büroma­nage­ment. Gerade in diesen Berei­chen waren zu dem Zeitpunkt auch noch viele Lehrstel­len im Angebot.

Angebot und Nachfra­ge passen nicht zusammen

Wie kommt es also zu der Lücke? Nahles erklär­te das damit, dass angebo­te­ne Stellen und Nachfra­ge bei den jungen Leuten nicht zusam­men­pass­ten. So gebe es generell Regio­nen, wo es mehr Bewer­be­rin­nen und Bewer­ber gebe als Ausbil­dungs­plät­ze, zum Beispiel im nördli­chen Ruhrge­biet oder in Berlin. Außer­dem seien manche Ausbil­dungs­su­chen­de auf ein oder zwei Berufe fixiert und nicht bereit, die Suche zu erweitern.

Die Arbeit­ge­ber wieder­um stell­ten zum Teil hohe Anfor­de­run­gen an mögli­che Kandi­da­tin­nen und Kandi­da­ten, die nicht zu erfül­len seien, sagte Nahles. Die Zahlen im Juli seien aller­dings nur ein Zwischen­stand, eine Ausbil­dung könne auch noch zu einem späte­ren Zeitpunkt im Jahr begon­nen werden.

Nach Angaben des Deutschen Gewerk­schafts­bunds haben 2,64 Millio­nen Menschen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren keinen Berufs­ab­schluss. Das sei ein trauri­ger Höchst­stand, teilte Vorstands­mit­glied Anja Piel mit. Helfen könne ab kommen­den Jahr die Ausbil­dungs­ga­ran­tie. Junge Menschen ohne Ausbil­dungs­platz erhiel­ten dadurch ein Recht auf eine außer­be­trieb­li­che Ausbil­dung, vor allem in Regio­nen mit zu wenig Lehrstel­len. «Das ist ein Anfang», sagte sie. Betrie­be müssten aber auch mehr ausbil­den, so dass kein junger Mensch unver­sorgt bleibe.

Von Irena Güttel, dpa