LUDWIGSBURG (dpa/lsw) — Franzö­sisch in der Schule büffeln? Ist künftig verzicht­bar, findet zumin­dest Minis­ter­prä­si­dent Kretsch­mann — und sagt das ausge­rech­net auf einem Festakt der deutsch-franzö­si­schen Partnerschaft.

Überset­zungs-App statt Vokabeln büffeln? Die Technik kann aus Sicht von Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann das mühsa­me Erler­nen einer zweiten Fremd­spra­che wie Franzö­sisch bald erset­zen. Junge Leute müssten zwar gut Englisch können, sagte der Grünen-Politi­ker am Montag in Ludwigs­burg. Mit Blick auf zweite Fremd­spra­chen wie Franzö­sisch sagte er aber, man müsse mehr Vertrau­en in die Technik haben. «In zehn Jahren wird sich jeder einen Knopf ins Ohr setzen — und der übersetzt das simul­tan, was da gespro­chen wird. Das wird so kommen.»

Kretsch­mann sagte das auf einem Festakt zum 75-jähri­gen Bestehen des Deutsch-Franzö­si­schen Insti­tu­tes in Ludwigs­burg. Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er hatte zuvor in einem Grußwort verkün­det, dass Deutsche und Franzo­sen stolz sein könnten auf die jahrzehn­te­lang gewach­se­ne Freund­schaft der beiden Länder. «Die Menschen müssen sich treffen, müssen mitein­an­der reden, sich kennen­ler­nen, um sich besser zu verste­hen», sagte das Staatsoberhaupt.

Kretsch­mann machte kurz darauf bei einer Podiums­dis­kus­si­on deutlich, dass er das Lernen einer zweiten Fremd­spra­che für alle künftig für obsolet an Schulen hält. «Feuer­wehr­leu­te, die sich jetzt treffen bei einer Städte­part­ner­schaft, da können Sie doch nicht erwar­ten, dass die Franzö­sisch oder Deutsch können, da brauchen Sie die Technik.» Damit sei dann ein großes Hemmnis besei­tigt — «statt sich noch einmal 30 Jahre den Kopf zu zerbre­chen, wie lernen wir Franzö­sisch und die Deutsch. Das machen sie halt nicht.»

Das Ergeb­nis des Franzö­sisch-Unter­richts sei auch höchst beschei­den, sagte der Regie­rungs­chef. Es brauche «kleine Kerne», wo richtig Franzö­sisch gespro­chen werde an Schulen. Man dürfe aber nicht mehr glauben, dass jeder ein bisschen Franzö­sisch können müsse. «Und dann kann er noch nicht mal ein Eis bestel­len, wenn er in den Urlaub geht.» Das mache keinen Sinn. Man müsse da disrup­ti­ver denken.

Die Bildungs­ver­bän­de protes­tie­ren vehement. Der Minis­ter­prä­si­dent bleibe sich treu und hande­le getreu dem Motto «Wer keine Ahnung hat, sollte wenigs­tens Verwir­rung stiften», kriti­sier­te Gerhard Brand, der Bundes- und Landes­vor­sit­zen­de des Verbands Bildung und Erzie­hung (VBE).

Die digita­le Trans­for­ma­ti­on sei mehr ist als nur die Digita­li­sie­rung des Analo­gen, Sprache sei mehr als nur sprechen. «Mit der geleb­ten Sprache erschlie­ßen wir uns Kultu­ren und nehmen teil am Leben anderer Menschen.» Wer vor diesem Hinter­grund «schwä­bisch gelehrt mit ein bisschen Disrup­ti­vi­tät» argumen­tiert, habe die Bedeu­tung von Sprache nicht verstanden.

Die Bildungs­ge­werk­schaft GEW sprach von einem «falschen Signal» für die Schulen und die vielen franzö­sisch-deutschen Schul­part­ner­schaf­ten in Baden-Württem­berg. «Natür­lich wird Künst­li­che Intel­li­genz die Kommu­ni­ka­ti­on verän­dern, gerade beim Lernen neuer Sprachen», beton­te die GEW-Vorsit­zen­de Monika Stein. «Wer an unseren Schulen Franzö­sisch lernt, kann aber mehr als nur ein Eis bestel­len. Und das sinnvol­le Lernen einer Fremd­spra­che braucht das Gespräch untereinander.»

Gerade die vielen franzö­sisch-deutschen Projek­te und die vielen Partner­schaf­ten zwischen franzö­si­schen und baden-württem­ber­gi­schen Kommu­nen seien ein wichti­ges Funda­ment für Europa, sagte Stein. «Wenn Jugend­li­che nicht mehr Franzö­sisch lernen, werden viele Partner­schaf­ten darun­ter leiden», sagte Stein.

Laut GEW hat das Inter­es­se an Franzö­sisch als Zweit­spra­che in den vergan­ge­nen Jahren nachge­las­sen. Viele Jugend­li­chen entschie­den sich, neben Englisch lieber Spanisch zu lernen.