BERLIN (dpa) — Bei den Kranken­kas­sen fehlen wohl auch im nächs­ten Jahr Milli­ar­den. Der Minis­ter berei­tet die Beitrags­zah­ler schon darauf vor, dass es deshalb teurer werden dürfte — oder gibt es andere Stellschrauben?

Wegen eines drohen­den Milli­ar­den­lochs könnten die Beiträ­ge für die gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­run­gen (GKV) 2024 erneut steigen. Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) sagte dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land, Finanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner (FDP) habe klar gemacht, dass die Steuer­zu­schüs­se aus dem Bundes­haus­halt nicht erhöht werden könnten.

Der SPD-Politi­ker fügte hinzu: «Mit mir wird es keine Leistungs­kür­zun­gen geben. Der Beitrags­satz zur Gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­rung wird daher im nächs­ten Jahr erneut leicht steigen müssen.» Aus der Ampel-Koali­ti­on kamen aber prompt auch Forde­run­gen, auf andere Weise gegenzusteuern.

FDP-Frakti­ons­vi­ze Chris­toph Meyer sagte, in einer wirtschaft­lich schwie­ri­gen Zeit Menschen und Betrie­ben Mehrbe­las­tun­gen aufzu­bür­den, sei der falsche Weg. Der Gesund­heits­mi­nis­ter müsse durch struk­tu­rel­le Refor­men bei den Kranken­ver­si­che­run­gen und Leistun­gen sowie mit mehr Digita­li­sie­rung höhere Beiträ­ge vermei­den. «Das ist seine Aufgabe.»

«Gift für den sozia­len Frieden im Land»

Grünen-Frakti­ons­vi­ze Maria Klein-Schmeink warnte, Einschrän­kun­gen des Leistungs­ka­ta­logs wären «weite­res Gift für den sozia­len Frieden im Land». Zu befür­wor­ten sei eine Anhebung der Beitrags­be­mes­sungs­gren­ze. So trügen Menschen mit finan­zi­ell starken Schul­tern stärker zur Finan­zie­rung bei als Menschen mit nur gerin­gen Einkom­men. Bis zur Bemes­sungs­gren­ze sind Einkom­men beitrags­pflich­tig, alles darüber ist beitrags­frei. Der Wert liegt derzeit bei 59.850 Euro im Jahr.

Links­frak­ti­ons­chef Dietmar Bartsch kriti­sier­te die Forde­rung Lauter­bachs nach erhöh­ten Beiträ­gen als «politi­sche Quack­sal­be­rei am Gesund­heits­sys­tem». Die Ampel-Koali­ti­on könne nicht länger am Gesund­heits­sys­tem flick­schus­tern, schrieb er auf Twitter. Stabi­le Kassen­bei­trä­ge gebe es mit «einer robus­ten gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­rung, in die alle Einkom­men einzah­len — ohne Beitrags­be­mes­sungs­gren­ze, die bisher Gutver­die­ner bevorteilt.»

GKV: Lücke von bis zu 7 Milli­ar­den Euro

Hinter­grund ist, dass den Kassen nach abgesi­cher­ten Finan­zen 2023 im kommen­den Jahr erneut ein Minus droht. Der GKV-Spitzen­ver­band rechnet mit einer Lücke zwischen 3,5 Milli­ar­den und 7 Milli­ar­den Euro. Ohne Maßnah­men zum Gegen­steu­ern würde daraus rechne­risch ein Anstieg beim durch­schnitt­li­chen Zusatz­bei­trag von 0,2 bis 0,4 Prozent­punk­ten resul­tie­ren. Verbands­che­fin Doris Pfeif­fer hatte die Regie­rung zu einer nachhal­ti­gen Stabi­li­sie­rung der Finan­zen aufge­for­dert und gemahnt: «Die Beitrags­er­hö­hungs­spi­ra­le muss durch­bro­chen werden.»

Für dieses Jahr hatte der Bundes­tag wegen eines sonst erwar­te­ten Defizits von 17 Milli­ar­den Euro eine extra Finanz­sprit­ze beschlos­sen. Laut GKV-Spitzen­ver­band wurden allein zehn Milli­ar­den Euro davon aus Beitrags­geld aufge­bracht — aus Reser­ven im Bereich der Kassen und einem Anstieg beim durch­schnitt­li­chen Zusatz­bei­trag von 0,15 Punkten auf 1,51 Prozent. Zudem stock­te der Bund seinen üblichen Zuschuss um zwei Milli­ar­den Euro auf, Pharma­bran­che und Apothe­ken werden mit höheren Abschlä­gen heran­ge­zo­gen. Damit sei 2023 ein «ausge­gli­che­nes Ergeb­nis» zu erwar­ten, erklär­te der GKV-Spitzenverband.

Die genaue Höhe des Zusatz­bei­trags für die Versi­cher­ten legen die Kassen jeweils selbst fest — sie können dabei vom Durch­schnitts­wert abwei­chen. Der gesam­te Beitrag umfasst daneben den allge­mei­nen Satz von 14,6 Prozent des Brutto­lohns, den sich Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer teilen. Im vergan­ge­nen Jahr hatten die 96 Kranken­kas­sen einen Überschuss von rund 451 Millio­nen Euro ausge­wie­sen. Aber auch da waren die Ausga­ben bereits um 4,4 Prozent gestie­gen. IG-Metall-Vorstands­mit­glied Hans-Jürgen Urban forder­te, im System endlich an mehr Stell­rä­dern zu drehen als nur am Beitragssatz.