BERLIN (dpa) — Hitze, Stark­re­gen, Flut: Wegen des Klima­wan­dels werden Wetter­ex­tre­me häufi­ger, warnt die Umwelt­mi­nis­te­rin. Um Bürge­rin­nen und Bürger besser zu schüt­zen, müssen Städte umgebaut werden — und das wird teuer.

Rund zwei Jahre nach der tödli­chen Flutka­ta­stro­phe im Westen Deutsch­lands will die Bundes­re­gie­rung die Kommu­nen besser an die Folgen des Klima­wan­dels anpas­sen. «Hitze und Dürre, Stark­re­gen und Hochwas­ser — Wetter­ex­tre­me werden in Zukunft häufi­ger und zwingen uns zur Vorsor­ge und Anpas­sung an die Folgen der Klima­kri­se», sagte Umwelt­mi­nis­te­rin Steffi Lemke (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur. «Mit Risiko­vor­sor­ge, die weiter als bisher in die Zukunft blickt, können wir nicht nur Schäden abmil­dern, sondern auch die Lebens­qua­li­tät in der Stadt und auf dem Land erheb­lich verbessern.»

Heute will sich das Kabinett daher mit einem Entwurf Lemkes zur sogenann­ten Klima­an­pas­sung befas­sen. Bei der Klima­an­pas­sung wird Vorsor­ge getrof­fen vor Folgen des Klima­wan­dels, die sich nicht mehr vermei­den lassen. Dem Entwurf zufol­ge soll die Bundes­re­gie­rung bis Ende 2024 eine Anpas­sungs­stra­te­gie mit messba­ren Zielen vorlegen.

Demnach soll künftig beim Planen und Entschei­den immer geschaut werden, welche Auswir­kun­gen des Klima­wan­dels dabei zu beach­ten sind. Es soll beispiels­wei­se vor dem Bau von Gebäu­den geprüft werden, ob dort Überschwem­mun­gen drohen könnten.

Katastro­phe im Ahrtal ein Vorgeschmack

Bei der Flutka­ta­stro­phe vom 14. auf den 15. Juli 2021 waren allein in Rhein­land-Pfalz mindes­tens 136 Menschen ums Leben gekom­men. Im benach­bar­ten Nordrhein-Westfa­len starben 49 Menschen. Im rhein­land-pfälzi­schen Dernau waren nach Angaben der Stadt rund 90 Prozent aller Menschen von der Flut betrof­fen. Von 650 Haushal­ten konnten kurz nach der Flut 570 ihre Wohnun­gen nicht nutzen. Exper­ten gehen davon aus, dass infol­ge des Klima­wan­dels Extrem­wet­ter­er­eig­nis­se auch in Deutsch­land zuneh­men werden.

Das geplan­te Gesetz schafft Lemke zufol­ge nun erstmals einen verbind­li­chen Rahmen für Bund, Länder und Kommu­nen. «Mit lokalen Risiko­ana­ly­sen und Anpas­sungs­plä­nen berei­ten wir uns auf die Klima­ver­än­de­run­gen vor und ermög­li­chen einen besse­ren Schutz der Bevöl­ke­rung zum Beispiel durch Strate­gien für kühle­re Städte und mehr Beschattung.»

Der Deutsche Städte­tag unter­stützt das Vorha­ben der Umwelt­mi­nis­te­rin. «Es ist gut, dass der Bund mit dem Gesetz­ent­wurf das Erstel­len von Klima­an­pas­sungs­kon­zep­ten in den Mittel­punkt seiner Politik stellt», sagte Haupt­ge­schäfts­füh­rer Helmut Dedy der dpa. «Viele Städte verfü­gen bereits über solche Pläne, wir brauchen sie aber flächendeckend.»

Dedy: Mehr Perso­nal in Städten benötigt

Der Städte­tag verwies dabei auf die Notwen­dig­keit erheb­li­cher Inves­ti­tio­nen — und forder­te mehr Unter­stüt­zung. «Bund und Länder schät­zen den Finanz­be­darf für Klima­an­pas­sungs­maß­nah­men in Ländern und Kommu­nen bis 2030 auf insge­samt 55 Milli­ar­den Euro und den Perso­nal­be­darf für die Umset­zung auf 16.200 Stellen», sagte Dedy. «Mit den bestehen­den Förder­pro­gram­men ist es unmög­lich, diese nötigen Maßnah­men flächen­de­ckend umzuset­zen. Bund und Länder müssen deshalb mehr Verant­wor­tung übernehmen.»

Nach einer Recher­che von NDR, BR, WDR und Correc­tiv sehen viele Regio­nen jetzt schon ein Problem bei der Finan­zie­rung von Anpas­sungs­maß­nah­men. Von den Landkrei­sen und kreis­frei­en Städten, die an der Befra­gung teilge­nom­men hätten, habe gut die Hälfte angege­ben, dass die erfor­der­li­chen Maßnah­men in den kommen­den Jahren vermut­lich nicht finan­ziert werden könnten, hieß es in dem Bericht. Ein weite­res Drittel gehe davon aus, dass die Finan­zie­rung nur für einen Teil der Maßnah­men reichen werde. Ein expli­zi­tes Anpas­sungs­kon­zept für die Folgen des Klima­wan­dels habe der Befra­gung zufol­ge nur eine Minder­heit der Landkrei­se und kreis­frei­en Städte.

Bislang keine verläss­li­che Finanzierung

Insge­samt 329 Verwal­tun­gen, also rund 82 Prozent aller Landkrei­se und kreis­frei­en Städte Deutsch­lands, haben den Medien zufol­ge an der Befra­gung teilge­nom­men. 96 Prozent von ihnen gehen demnach davon aus, dass sie von Extrem­wet­ter­er­eig­nis­sen wie Hitze, Dürre, Wasser­man­gel, Stark­re­gen oder Hochwas­ser bis 2050 stärker betrof­fen sein werden. 86 Prozent rechne­ten dadurch mit zuneh­men­den finan­zi­el­len Belas­tun­gen — vor allem durch Stark­re­gen und Hitzewellen.

Das Bundes­um­welt­mi­nis­te­ri­um bestä­tigt der dpa, dass den Kommu­nen bislang eine verläss­li­che Finan­zie­rung für ihre Klima­an­pas­sung fehlt. «Die Verant­wor­tung für diese Finan­zie­rung liegt zwar zunächst bei Kommu­nen und Ländern. Gleich­zei­tig ist die Aufga­be zu umfang­reich und heraus­for­dernd, als dass sie ohne Hilfe des Bundes bewäl­tigt werden könnte — sowohl, was die Finan­zie­rung, aber auch was die überre­gio­na­le Koordi­nie­rung von Maßnah­men angeht», sagte ein Sprecher. Wie eine dauer­haf­te gemein­sa­me Finan­zie­rung von Klima­an­pas­sung durch Bund und Länder gelin­gen kann, werde mit der Umwelt­mi­nis­ter­kon­fe­renz diskutiert.