Hoffnun­gen auf mehr Locke­run­gen des monate­lan­gen Lockdowns sind vorerst wohl schon wieder passé. Denn das Virus breitet sich bedroh­lich aus. Die Politik ringt um Freiräu­me — wenn auch nur begrenzte.

BERLIN (dpa) — Unter dem Druck immer höherer Corona-Infek­ti­ons­zah­len schwin­den die Hoffnun­gen auf größe­re weite­re Öffnun­gen zur Oster­zeit. Vor erneu­ten Beratun­gen von Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) und den Minis­ter­prä­si­den­ten an diesem Montag warnten Politi­ker und Medizi­ner vor einer Zuspit­zung der Lage.

Kurz nach ersten Locke­run­gen rückt die verein­bar­te «Notbrem­se» nun konkret in den Blick — also eine Rückkehr zu wieder schär­fe­ren Beschrän­kun­gen, wenn sich in Regio­nen zu viele Menschen anste­cken. Disku­tiert wird aber auch über Möglich­kei­ten für Oster­ur­laub zumin­dest im eigenen Bundes­land und den Kurs bei Schulen.

Die Situa­ti­on seit der jüngs­ten Bund-Länder-Runde hat sich drastisch gewan­delt. Anfang März ging es vor allem um einen Stufen­plan für mögli­che Locke­run­gen — aller­dings nicht als Einbahn­stra­ße. Festge­legt wurde auch ein Mecha­nis­mus zurück zu Beschrän­kun­gen: Die «Notbrem­se» soll gezogen werden, wenn die Zahl der Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner binnen sieben Tagen in einer Region oder in einem Land an drei aufein­an­der folgen­den Tagen über die Schwel­le von 100 steigt.

DIE LAGE:
Die hohe Dynamik zeigte sich übers Wochen­en­de. Bundes­weit lag diese Sieben-Tage-Inzidenz laut Robert Koch-Insti­tut (RKI) am Sonntag bei 103,9. Am Samstag waren es noch 99,9 und am Freitag 95,6. Zehn der 16 Länder liegen nun bei 100 oder darüber. Regio­nal gibt es aber weiter deutli­che Unter­schie­de — von 60 in Schles­wig-Holstein bis 208 in Thürin­gen. Die Vorsit­zen­de des Ärzte­ver­bands Marbur­ger Bund, Susan­ne Johna, warnte schon am Samstag in der «Neuen Osnabrü­cker Zeitung»: «Es war unver­ant­wort­lich, in die dritte Welle und die Ausbrei­tung der Mutan­ten hinein auf diese Art zu lockern.» Den Klini­ken drohe nun «die dritte Extrem­si­tua­ti­on binnen eines Jahres».

DIE NOTBREMSE: Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder sagte, es gebe mit der Notbrem­se jetzt bereits ein wirksa­mes Instru­ment. «Die muss überall in Deutsch­land gleich und konse­quent angewen­det werden», sagte der CSU-Chef der «Frank­fur­ter Allge­mei­nen Sonntags­zei­tung». Bei nächs­ten Schrit­ten gelte es zudem, das Infek­ti­ons­ge­sche­hen in zwei Wochen vor zu empfin­den und nicht nur das jetzi­ge Niveau anzuneh­men. Auch SPD-Chefin Saskia Esken mahnte «bei allem Verständ­nis für unsere Frühlings­ge­füh­le» und Nöte in vielen Branchen: «Solan­ge Testen und Impfen nicht greifen, müssen wir die geplan­ten Öffnun­gen verschie­ben und noch mal einen Schritt zurück gehen in den Lockdown».

Verschär­fun­gen stoßen laut einer Umfra­ge jedoch auf mehrheit­li­che Ableh­nung. Für eine erneu­te Auswei­tung von Kontakt-Einschrän­kun­gen sprachen sich nur 30 Prozent der Befrag­ten aus, wie die Erhebung des Insti­tuts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab. Dagegen sind 23 Prozent fürs Beibe­hal­ten der aktuel­len Maßnah­men, 22 Prozent sind für Locke­run­gen. 15 Prozent sind für ein Ende aller Einschrän­kun­gen. Laut einem Entwurf der SPD-regier­ten Länder sollen die vorerst bis 28. März gelten­den generel­len Lockdown-Regelun­gen bis in den April hinein verlän­gert werden — genau­es Datum noch offen.

DER OSTERURLAUB: Ende März, Anfang April begin­nen die Oster­fe­ri­en. Sollte da ein Tapeten­wech­sel zumin­dest in der Nähe möglich sein? Sachsen-Anhalts Minis­ter­prä­si­dent Reiner Hasel­off (CDU) sagte der «Welt am Sonntag», für Landes­kin­der könne «autar­ker Urlaub möglich sein — also inner­halb der Grenzen Sachsen-Anhalts, etwa im Harz.» Seine rhein­land-pfälzi­sche Kolle­gin Malu Dreyer (SPD) sprach davon, dass Menschen «bei uns wandern und in einem Garten­lo­kal einkeh­ren können, statt nach Mallor­ca zu fliegen und am Baller­mann zu feiern». Vizekanz­ler Olaf Scholz (SPD) warnte vor einer großen Reise­wel­le, sagte aber der «Bild am Sonntag», vielleicht könne man inner­halb eines Landes ermög­li­chen, dass Ferien­woh­nun­gen genutzt werden können.

In einem Entwurf brach­ten die SPD-geführ­ten Länder «kontakt­ar­men Urlaub» im eigenen Bundes­land mit stren­gen Hygie­ne­auf­la­gen und Tests ins Gespräch. Möglich sein könnte dies demnach etwa in Apart­ments, Ferien­woh­nun­gen, Wohnwa­gen und Wohnmo­bi­len — mit eigenen sanitä­ren Anlagen und Essen in Selbst­ver­sor­gung. Söder äußer­te sich am Sonntag zurück­hal­tend und warnte vor neuen Beher­ber­gungs­ver­bo­ten, die 2020 schon einmal recht­lich geschei­tert seien. Er brach­te Testpflich­ten und Quaran­tä­ne für Mallor­ca-Urlau­ber ins Spiel, «damit die Relati­on gewähr­leis­tet ist». Diese Rückkehr-Vorga­ben fielen kürzlich weg, seit die Insel für deutsche Urlau­ber nicht mehr als Risiko­ge­biet gilt.

DIE IMPFUNGEN: Um die Impfun­gen zu beschleu­ni­gen, sollen nach Ostern auch Hausärz­te routi­ne­mä­ßig mitma­chen, vorerst mit kleinen Mengen von etwa 20 Dosen pro Woche und Praxis. Eine Milli­on Dosen pro Woche sollen es zunächst für die Ärzte sein, aber 2,25 Millio­nen für die regio­na­len Impfzen­tren der Länder. «Jetzt müssen die Länder aber auch liefern und wöchent­lich 2,25 Millio­nen Impfdo­sen verimp­fen», sagte der Chef der Kassen­ärzt­li­chen Bundes­ver­ei­ni­gung (KBV), Andre­as Gassen. Ein Schub für die Praxen soll in der Woche vom 26. April mit 3,2 Millio­nen Dosen kommen. Dann hätten sie erstmals mehr Impfstoff als die Impfzen­tren. Bis diesen Montag müssen Länder beim Bund absagen, wenn sie die Praxen doch noch nicht einbe­zie­hen wollen.

DIE SCHULEN: Corona-Anste­ckun­gen in Kitas und Schulen sorgen wieder für Diskus­sio­nen. Nach dem Willen der Kultus­mi­nis­ter sollen Schulen so lange wie möglich offen­ge­hal­ten werden, teils gibt es darüber aber Streit. Lehrer­ver­bands­prä­si­dent Heinz-Peter Meidin­ger sagte der «Bild am Sonntag»: «Es gibt nur eine Möglich­keit, die Schulen auch in einer dritten Welle zu einiger­ma­ßen siche­ren Orten zu machen: Indem man die Lehrer impft und gleich­zei­tig mindes­tens zweimal in der Woche einen Schnell­test für alle Lehrer und Schüler durch­führt.» Aber da hake es.

DIE TESTBALLONS: Inmit­ten der Krise gibt es nun auch Versu­che, sich wieder an mehr Norma­li­tät im Alltags­le­ben heran­zu­tas­ten. Beim Fußball waren bei der Dritt­li­ga-Partie Hansa Rostock gegen den Halle­schen FC am Samstag 777 Zuschau­er im Stadi­on zugelas­sen. Rostock weist sehr niedri­ge Inzidenz­wer­te auf. In der Haupt­stadt spiel­ten die Berli­ner Philhar­mo­ni­ker erstmals seit Monaten wieder vor großem Publi­kum. Das Konzert am Samstag­abend ist Teil eines Pilot­pro­jekts. Zugelas­sen waren rund 1000 Zuschau­er, die sich vorab testen lassen mussten.