Wie ernst ist die Lage des Gastge­wer­bes und des Einzel­han­dels nach wochen­lan­gen Corona-Beschrän­kun­gen? Der Mittel­stands­ver­band fordert schnel­le­re Hilfen. Sonst seien viele Insol­ven­zen unvermeidlich.

Die Bundes­agen­tur für Arbeit sieht dagegen noch keine Insol­venz­wel­le auf Deutsch­land zurol­len. Ein führen­der Ökonom erwar­tet eine sinken­de Wirtschafts­leis­tung im ersten Quartal 2021.

Der Mittel­stands­ver­band zeigte sich alarmiert: «Bis dato ist erst ein Bruch­teil der dringend benötig­ten Liqui­di­tät bei den notlei­den­den Unter­neh­men angekom­men, viele Klein- und Mittel­be­trie­be stehen unmit­tel­bar vor der Insol­venz», heißt es in einem Brief der Organi­sa­ti­on an Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Peter Altmai­er (CDU). Das Schrei­ben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Eine Auszah­lung der Hilfen erst im Laufe des Januars wäre inakzep­ta­bel und führe bei vielen Unter­neh­men zu «extre­mer Verdros­sen­heit» — umso mehr, als die Dezem­ber­hil­fen erst im Januar beantragt werden könnten. «Wir bitten Sie daher dringend, gemein­sam mit dem Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter schnell und unbüro­kra­tisch eine Lösung zu finden. Bitte verbin­den Sie Abschlags­zah­lun­gen mit der Auszah­lung der Novemberhilfen.»

Nach Auskunft des Wirtschafts­mi­nis­te­ri­ums werden Abschlags­zah­lun­gen der Dezem­ber­hil­fe nach derzei­ti­gem Stand spätes­tens Anfang Januar fließen. Unter­neh­men bekom­men Abschlä­ge in Höhe von 50.000 Euro, Soloselbst­stän­di­ge von bis zu 5000 Euro. Dies gilt bereits bei den Novem­ber­hil­fen. Die Bundes­re­gie­rung hatte die milli­ar­den­schwe­ren Hilfen für Unter­neh­men etwa aus der Gastro­no­mie beschlos­sen, die ihren Geschäfts­be­trieb wegen des Shutdowns Anfang Novem­ber dicht machen mussten.

Bei den Novem­ber­hil­fen wurden nach Angaben des Minis­te­ri­ums mit Stand Freitag insge­samt fast eine Milli­ar­de Euro an Abschlags­zah­lun­gen an Firmen und Soloselbst­stän­di­ge wie etwa Künst­ler ausge­zahlt. Das Minis­te­ri­um sprach von einer starken Unter­stüt­zung für viele Unter­neh­mer in einer schwe­ren Zeit.

Finanz­mi­nis­ter Olaf Scholz sagte Corona-Hilfen auf lange Sicht zu. «Finan­zi­ell können wir den Lockdown lange durch­hal­ten, weil wir über eine robus­te Volks­wirt­schaft mit sehr leistungs­fä­hi­gen und inter­na­tio­nal wettbe­werbs­fä­hi­gen Unter­neh­men verfü­gen», sagte der SPD-Politi­ker der Funke-Medien­grup­pe. Die neuen Überbrü­ckungs­hil­fen seien auf einen länge­ren Zeitraum angelegt. «Meine Botschaft: Der Staat hilft, solan­ge es nötig sein wird.» Pro Monat kalku­lie­re die Regie­rung während des Shutdowns mit Kosten von etwa elf Milli­ar­den Euro.

Ab Januar soll es die Überbrü­ckungs­hil­fe III geben. Erstat­tet werden dabei nicht wie bei den Novem­ber- und Dezem­ber­hil­fen Umsatz­aus­fäl­le, sondern betrieb­li­che Fixkos­ten wie Mieten und Pachten. Der Bund hatte dies auch mit den immensen Kosten für die Novem­ber- und Dezem­ber­hil­fen begrün­det. Der Höchst­be­trag für die Überbrü­ckungs­hil­fe III wurde aber von 200.000 Euro auf 500.000 Euro erhöht. Dieser maxima­le Zuschuss ist geplant für direkt und indirekt von Schlie­ßun­gen betrof­fe­ne Unter­neh­men. Auch bei den Überbrü­ckungs­hil­fen III sind Abschlags­zah­lun­gen geplant.

Derzeit droht nach Einschät­zung der Bundes­agen­tur für Arbeit keine Insol­venz­wel­le. «Unsere Zahlen geben so etwas im Moment nicht her», sagte der Vorstands­vor­sit­zen­de Detlef Schee­le der dpa. Bis Novem­ber seien knapp 1,2 Milli­ar­den Euro an Insol­venz­geld gezahlt worden. Im gleichen Zeitraum des Vorjah­res seien es 723 Millio­nen Euro gewesen. In den 2020er Zahlen sei aber auch die Insol­venz einer großen Einzel­han­dels­ket­te enthal­ten, die nicht pande­mie­be­dingt gewesen sei. Gemeint sein dürfte die Insol­venz von Galeria Kaufhof.

Für das laufen­de Jahr stünden insge­samt 1,6 Milli­ar­den Euro im Haushalt der Bundes­agen­tur zur Verfü­gung, sagte Schee­le. «Ob wir das brauchen, wissen wir nicht», sagte er. Für 2021 sei der gleiche Betrag im Haushalt einge­stellt worden. Für pande­mie­be­dingt überschul­de­te Firmen bleibt die Pflicht, einen Insol­venz­an­trag zu stellen, mindes­tens bis Ende Januar ausgesetzt.

Der Chef der «Wirtschafts­wei­sen», Lars Feld, erwar­tet Anfang kommen­den Jahres eine schrump­fen­de Wirtschaft. «Es ist davon auszu­ge­hen, dass im 1. Quartal 2021 wegen der Einschrän­kun­gen ein negati­ves Wirtschafts­wachs­tum resul­tiert», sagte Feld der «Rheini­schen Post» (Samstag). «Das fällt aber nicht so stark aus wie im Frühjahr dieses Jahres.» Damals seien die Wertschöp­fungs­ket­ten angesichts von Grenz­schlie­ßun­gen unter­bro­chen und die Verun­si­che­rung groß gewesen. «Von einer solchen Situa­ti­on sind wir noch deutlich entfernt», sagte Feld.

Der Ökonom wandte sich zugleich gegen eine Auswei­tung der Staats­hil­fen für Handel und Gastro­no­mie. «Der Lockdown ist bitter für den Handel, aber mehr als die Überbrü­ckungs­hil­fen sollte es nicht geben», sagte Feld. Anders als bei vielen Dienst­leis­tun­gen könne der Umsatz online statt­fin­den oder nachge­holt werden. «Wer den lokalen Handel privat unter­stüt­zen will, kann jetzt Gutschei­ne verschenken.»