TUTTLINGEN — „Wie geht die Indus­trie im Landkreis mit dem demogra­fi­schen und dem Klima­wan­del um?“, wollte Lisan­ne Rader­schall, Politik-Analys­tin der Organi­sa­ti­on für wirtschaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Entwick­lung (OECD), in Tuttlin­gen wissen. Gemein­sam mit einer Delega­ti­on von OECD und dem slowe­ni­schem Minis­te­ri­um für Agrar, Forst und Ernäh­rung hat sie den Landkreis besucht. Für die EU soll die Organi­sa­ti­on Empfeh­lun­gen erarbei­ten, wie die Weichen für das verar­bei­ten­de Gewer­be auf dem Land gut gestellt werden können.

Indus­trie sucht Fachkräf­te für die digita­le Transformation

„Der Wandel der Bevöl­ke­rungs­struk­tur ist im Landkreis angekom­men“, ging Corne­lia Lüth, Stabstel­le Wirtschafts­för­de­rung und Kreis­ent­wick­lung im Landrats­amt Tuttlin­gen auf die Frage ein. „Es gibt hier weniger junge Menschen. Und die Betrie­be suchen dringend Fachkräf­te, beson­ders für die Digita­li­sie­rung und die Indus­trie 4.0.“ Software-Entwick­ler, Mecha­tro­ni­ker, Elektro­ni­ker oder Ingenieu­re seien sehr gefragt. Ein vom Land geför­der­tes Welco­me Center vor Ort helfe den Unter­neh­men dabei, inter­na­tio­na­le Fachkräf­te auch in diesen Berei­chen zu gewin­nen, so Lüth weiter.

Grünstrom und große Flächen sind knapp

Im Hinblick auf den Klima­wan­del zeige es sich als hinder­lich, dass grün produ­zier­ter Strom und große Flächen in Süddeutsch­land knapp oder nicht vorhan­den seien. Ansied­lungs­wil­li­ge Unter­neh­men aus der Batte­rie­zell- oder Biotech­no­lo­gie, die bei der Bewäl­ti­gung des Klima­wan­dels helfen könnten, würden so regel­mä­ßig an der Region vorbeiziehen.

Zwar beraten verschie­de­ne Stellen wie eine Energie­agen­tur oder die Indus­trie- und Handels­kam­mer Betrie­be zum Sparen von Energie in Gebäu­den oder Anlagen – auch der Landkreis ist in diesem Bereich aktiv – doch um grünen Strom und Flächen zu erlan­gen, mit denen man Unter­neh­men in zukunfts­träch­ti­gen Feldern anzie­hen kann, ist es nötig, Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren auf verschie­de­nen Ebenen zu erleich­tern und zu beschleunigen.

EU sollte stren­ge Medizin­pro­duk­te­ver­ord­nung vereinfachen

Einen Wunsch richte­te Lüth an die Delega­ti­on: Die Europäi­sche Union erschwe­re es europäi­schen Herstel­lern mit der EU-Medizin­pro­duk­te­ver­ord­nung MDR erheb­lich, neue Produk­te in den Verkehr zu bringen. Damit bremse die EU auf Dauer die Entwick­lung in der Medizin­tech­nik und werfe die Branche im weltwei­ten Wettbe­werb zurück. Es sei ein Herzens­an­lie­gen der Medizin­tech­nik und des Clusters Medical Mounta­ins, dass die EU ihre Vorschrif­ten für die Herstel­ler abschwä­che und Fristen weiter verlängere.

Sehr wichti­ge Region für die Studie

„Tuttlin­gen ist eine sehr wichti­ge Region für uns. Mit 50% der Arbei­ter im verar­bei­ten­den Gewer­be ist sie an der Spitze aller Regio­nen inner­halb der OECD,“ begrün­de­te Jasper Hesse von der in Paris ansäs­si­gen Organi­sa­ti­on, warum sie gerade in den Landkreis kämen.

Demnächst will die OECD einen über 100-Seiten-Bericht für die EU heraus­ge­ben. Darin verar­bei­tet sie Infor­ma­tio­nen aus Deutsch­land, Frank­reich, Itali­en und Slowe­ni­en und gibt Empfeh­lun­gen für die EU ab. In Deutsch­land unter­sucht die Organi­sa­ti­on neben dem Landkreis Tuttlin­gen auch die Befind­lich­kei­ten der verar­bei­ten­den Indus­trie im Hochsauer­land­kreis, in Ostpri­g­nitz-Ruppin sowie im Landkreis Sigmaringen.