Henri Matis­se gehört zu den bedeu­tends­ten Künst­lern der Klassi­schen Moder­ne. Das Centre Pompi­dou nimmt seinen 150. Geburts­tag zum Anlass, um den Franzo­sen mit mehr als 200 Werken zu würdi­gen. Eine Feelgood-Ausstellung.

PARIS (dpa) – Rote Sandsträn­de, licht­durch­flu­te­te Landschaf­ten, bunte Porträts, tanzen­de Frauen und Männer: Lebens­freu­de und Dynamik gehen von den Werken aus, die das Centre Pompi­dou anläss­lich des 150. Geburts­tags von Henri Matis­se derzeit präsentiert.

Die ersten Reaktio­nen: Eine Feelgood-Ausstel­lung. «Matis­se, Maler des Glücks, sprengt die Farben» und «Die Fülle eines glück­li­chen Werks» lauten die Titel der franzö­si­schen Medien.

Gezeigt wird ein Fest der Farben, das mit seinem ersten Obst-Still­le­ben aus dem Jahr 1899 beginnt, sich mit seinen rosafar­be­nen Aktdar­stel­lun­gen fortsetzt und bis hin zu seinen bunten Scheren­schnitt-Kompo­si­tio­nen und Entwür­fen zu den Glasfens­tern der Rosen­kranz­ka­pel­le im südfran­zö­si­schen Vence Ende der 1940er Jahre reicht.

Das Jubilä­um sei eine willkom­me­ne Gelegen­heit, um die einzig­ar­ti­ge Komple­xi­tät des franzö­si­schen Künst­lers in den Fokus zu rücken, sagte die Kurato­rin Aurélie Verdier. Die Werkschau trägt den Titel «Matis­se, comme un roman» («Matis­se, wie ein Roman») in Anspie­lung auf dessen einzig­ar­ti­ges Schaf­fen und das 1971 erschie­ne­ne zweibän­di­ge Werk des franzö­si­schen Schrift­stel­lers Louis Aragon über Matis­se. Auf über 800 Seiten analy­sier­te der franzö­si­sche Schrift­stel­ler (1897–1982) das Leben und Werk des Malers, Zeich­ners und Bildhauers.

Matis­se wurde am 31. Dezem­ber 1869 im nordfran­zö­si­schen Cateau-Cambré­sis geboren, im Alter von 84 Jahren starb er am 3. Novem­ber 1954 in Nizza an der Côte d’Azur. Der Nachwelt hinter­ließ er ein Gesamt­werk, das ihn neben Pablo Picas­so zu einem der bedeu­tends­ten Künst­ler der Klassi­schen Moder­ne machte. Durch seine Vorlie­be für Farben wurde er zum Haupt­ver­tre­ter des Fauvis­mus, durch seine Farbflä­chen­ma­le­rei und sein Streben nach Reduk­ti­on der Linien zu einem der wichtigs­ten Wegbe­rei­ter der abstrak­ten Malerei. Wegen seiner Farben­freu­de und seiner einfa­chen Bildmo­ti­ve wurde er zu Lebzei­ten aber auch kritisiert.

Für Aragon war Matis­se der Maler der ewigen Hoffnung, wie er schrieb, sein Optimis­mus ein Geschenk an unsere kranke Welt. Dabei war das Leben von Matis­se von zahlrei­chen Schick­sals­schlä­gen geprägt. Aragon und Matis­se sind sich erstmals 1941 begeg­net, dem Jahr, in dem Matis­se sich einer schwe­ren Darmkrebs-Opera­ti­on unter­zie­hen musste. Danach war er größten­teils ans Bett gebun­den und an den Rollstuhl. Drei Jahre später wurden seine geschie­de­ne Frau Amélie und seine Tochter Margue­ri­te wegen Betei­li­gung an der Résis­tance von der Gesta­po deportiert.

Von diesen Schick­sals­schlä­gen dringt in seinen Gemäl­den nichts durch. Warum? Seine Antwort: «Weil ich es immer vorge­zo­gen habe, sie für mich zu behal­ten und anderen nur die Schön­heit des Univer­sums und meine Freude am Malen zu geben.» Für den politisch engagier­ten Aragon bot Matis­se angesichts der Umwäl­zun­gen und Schre­cken des 20. Jahrhun­derts noch etwas anderes: «Die einzi­ge Antwort auf das Nichts liegt in der Tatsa­che, den Schre­cken zu schmü­cken, Licht zu geben.»

Die bis zum 22. Febru­ar 2021 dauern­de Retro­spek­ti­ve stellt dem Gesamt­werk von Matis­se aber auch andere Autoren gegen­über, die er inspi­riert hat, wie Pierre Schnei­der, der für sein Buch «Matis­se» aus dem Jahr 1984 mehrfach ausge­zeich­net wurde. Auch wenn Matis­se mit seiner Kunst «lindern» und die Welt «aufhel­len» wollte, verste­cke sich hinter dem Maler eine ängst­li­che Natur, so der Matisse-Spezialist.

Schnei­der unter­legt darin seine Behaup­tung mit einem Zitat des franzö­si­schen Künst­lers Henri Edmond Cross (1856–1910) aus einem Brief an den belgi­schen Maler Théo Van Ryssel­berg­he (1862–1926): «Matis­se, der Ängst­li­che, dieser wahnsin­nig Ängst­li­che!» Nicht nur das Werk von Matis­se scheint komplex zu sein.