Schon wieder ein Corona-Gipfel — und es drohen neue Einschrän­kun­gen. Vor den Beratun­gen der Kanzle­rin mit den Minis­ter­prä­si­den­ten blickt der SPD-Gesund­heits­exper­te Karl Lauter­bach auch auf den Sport. «Es wird ein schwe­rer Tag», sagt er der dpa.

Sollten sich die Fallzah­len nicht gut entwi­ckeln, «dann könnte ich mir gut vorstel­len, dass wir den Freizeit­sport und auch den Profi­sport, zumin­dest den Hallen­sport, komplett verbie­ten», sagte der 57 Jahre alte Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te im Inter­view der Deutschen Presse-Agentur vor den Beratun­gen von Bundes­re­gie­rung und Minis­ter­prä­si­den­ten am Mittwoch. «Selbst beim Profi-Fußball bin ich nicht sicher, wie lange wir das noch durch­hal­ten», meinte Lauterbach.

Frage: Für die Bundes­li­ga waren Sie zu Beginn der Pande­mie ein Schreck­ge­spenst, gegen die Geister­spie­le sind Sie Sturm gelau­fen. Warum haben Sie Ihre Meinung geändert?

Karl Lauter­bach: Die Geister­spie­le haben sich als siche­rer erwie­sen, als ich gedacht habe. Ich hatte gedacht, dass es um die Geister­spie­le herum große Fan-Ansamm­lun­gen gibt und sich die Fans gegen­sei­tig infizie­ren. Ich hatte auch mit einer höheren Zahl an infizier­ten Spielern gerech­net. In beider­lei Hinsicht lag ich falsch.

Mittler­wei­le gibt es auch in den Clubs immer mehr Corona-Fälle. Glauben Sie, dass der Profi-Fußball weiter­ma­chen kann?

Lauter­bach: Wenn es immer mehr Fälle gibt in den Clubs selbst, dann wird es schwie­rig. Dann sind die Geister­spie­le nicht mehr so sicher wie sie waren. Auch die Vorbild­funk­ti­on ist dann nicht mehr gegeben.

Sollten im Handball, Basket­ball oder im Eisho­ckey, also in den Hallen­sport­ar­ten, andere Vorga­ben gelten als im Fußball?

Lauter­bach: Ein Sport­art, die draußen gemacht wird, hat ein viel gerin­ge­res Infek­ti­ons­ri­si­ko. Der Hallen­sport ist bei den momen­tan hohen Fallzah­len nicht sicher zu beglei­ten und auch mit Corona-Tests der Sport­ler nicht sicher zu machen.

Sollte sich die Politik wegen dieser Unter­schie­de nicht detail­lier­ter mit den Konzep­ten der Sport­ver­bän­de beschäf­ti­gen? Ist ein Pauschal­ver­bot zu vermitteln?

Lauter­bach: Ein Pauschal­ver­bot ist auch schwer zu begrün­den. Derzeit wollen wir die Zahl der Kontak­te, auch die Sport­kon­tak­te, auf ein absolu­tes Minimum reduzie­ren. Wir müssen die Gefähr­dung der Spieler, aber auch ihrer Famili­en in den Vorder­grund stellen.

Falls sich die Fallzah­len nicht gut entwi­ckeln, was dann?

Lauter­bach: Dann könnte ich mir gut vorstel­len, dass wir den Freizeit­sport und auch den Profi­sport, zumin­dest den Hallen­sport, komplett verbie­ten. Selbst beim Profi-Fußball bin ich nicht sicher, wie lange wir das noch durchhalten.

Können Sie die Forde­run­gen aus den Bundes­li­gen nach Zuschau­ern nachvollziehen

Lauter­bach: Die sind zum jetzi­gen Zeitpunkt völlig realitätsfremd.

Auch wenn es von den Clubs und den Verbän­den aufwen­di­ge Hygie­ne­kon­zep­te gibt?

Lauter­bach: Wie soll ein Hygie­ne­kon­zept funktio­nie­ren, wenn jeder unnöti­ge Kontakt vermie­den werden soll.

Rechnen Sie am Mittwoch beim Treffen der Bundes­kanz­le­rin mit den Minis­ter­prä­si­den­ten mit weite­ren Beschrän­kun­gen für den Sport?

Lauter­bach: Ich rechne zumin­dest mit weite­ren Beschrän­kun­gen für die Berei­che außer­halb des Sports. Die werden dann natür­lich auch ihre Anwen­dung für den Sport finden müssen. Der Sport steht jetzt verständ­li­cher­wei­se nicht im Vorder­grund dessen, was wir beschlie­ßen müssen. Es wird ein schwe­rer Tag werden. Nach den Beschlüs­sen muss darüber nachge­dacht werden, was bedeu­tet das für den Sport?

Wo sehen Sie den Stellen­wert des Sports im Moment?

Lauter­bach: Der Stellen­wert des Sports ist hoch. Die Bevöl­ke­rung hat ein Recht darauf, dass der Sport auch dann einge­schränkt statt­fin­den kann, wenn es gut begrün­det ist. Aber ich habe die Sorge, dass der Sport nicht mehr lange in der Art und Weise, wie wir ihn jetzt noch prakti­zie­ren, durch­ge­führt werden kann.

Wäre es nicht doch wichtig, Bewegung zu ermög­li­chen — für Jung und Alt?

Lauter­bach: Um sich zu bewegen, braucht man keine Kontak­te mit anderen. Natür­lich ist Bewegung optimal — aber man kann auch spazie­ren gehen oder Joggen ohne Kontak­te zu haben. Wir kommen nicht aus der hohen Inzidenz­zahl heraus, die uns zwangs­läu­fig zur Überlas­tung in der Inten­siv­me­di­zin und auch zu mehre­ren hundert Todes­fäl­len pro Tag führt, wenn wir die Kontak­te nicht um 75 Prozent reduzie­ren. Die Kontak­te beim Sport sind nicht wichti­ger als die Kontak­te außer­halb des Sports in der Freizeit.

Die Bundes­li­ga hat am Wochen­en­de Fußball gespielt, Handbal­ler und Basket­bal­ler waren auch am Ball. Wie soll man Kindern erklä­ren, dass sie nicht spielen dürfen?

Lauter­bach: Das ist schwer zu erklä­ren. Aber wir haben beim Profi-Sport Sicher­heits­kon­zep­te, die Spieler werden vorher getes­tet — da kann man eine gewis­se Sicher­heit unter­stel­len. Beim Spiel mit Kindern ist das nicht darstellbar.

Wann rechnen Sie damit, dass der Freizeit­sport wieder Fahrt aufneh­men kann?

Lauter­bach: Das ist schwer zu sagen. Es kommt sehr darauf an, ob es uns gelingt die Fallzah­len noch einmal deutlich abzusen­ken. Wenn wir in den nächs­ten Wochen Erfol­ge haben bei der Senkung der Fallzah­len, dann werden wir auch beim Sport wieder mehr Spaß haben, mehr Freihei­ten genie­ßen können.

ZUR PERSON: Der SPD-Gesund­heits­po­li­ti­ker Karl Lauter­bach gilt als Freund klarer Worte. Seit Beginn der Corona-Pande­mie ist der 57 Jahre alte Profes­sor und Gesund­heits­öko­nom Dauer­gast in Talk-Shows. Im Bundes­tag sitzt Lauter­bach seit 2005.