BERLIN (dpa) — Ampel, AfD, Ukrai­ne: Kurz vor seinem Urlaub stellt sich Kanzler Scholz den Fragen der Haupt­stadt­pres­se. Beim Kampf gegen den Klima­wan­del zieht er für die Ampel-Koali­ti­on ein positi­ves Fazit.

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz sieht die Bundes­re­gie­rung auf Kurs bei der Moder­ni­sie­rung Deutsch­lands. Es sei Fahrt aufge­nom­men worden, sagte der SPD-Politi­ker am Freitag in der tradi­tio­nel­len Sommer-Presse­kon­fe­renz in Berlin. Es gehe darum, den menschen­ge­mach­ten Klima­wan­del aufzu­hal­ten. Das Tempo bei Verän­de­run­gen sei erheb­lich beschleu­nigt worden.

Scholz verwies auf das Ziel der Bundes­re­gie­rung, dass 80 Prozent des Stroms im Jahr 2030 aus erneu­er­ba­ren Energien kommen soll — derzeit liegt der Anteil nach Branchen­an­ga­ben bei mehr als der Hälfte. Dazu werde das Strom­netz ausge­baut und das Ladenetz für E‑Autos, so Scholz. Er nannte auch den geplan­ten Bau wasser­stoff­fä­hi­ger Gaskraft­wer­ke und den Aufbau eines Wasser­stoff­net­zes. Der Kanzler sagte weiter, Inves­ti­tio­nen für die Zukunft fänden in Deutsch­land statt.

Die Bundes­re­gie­rung unter­stützt die Ansied­lung von Halblei­ter­fa­bri­ken mit gewal­ti­gen Summen. So soll Intel in Magde­burg bei einem Gesamt­in­ves­ti­ti­ons­vo­lu­men von 30 Milli­ar­den Euro fast zehn Milli­ar­den vom Staat erhalten.

Kritik an öffent­lich ausge­tra­ge­nen Streitigkeiten

Kritik übt Scholz an den öffent­lich ausge­tra­ge­nen Strei­tig­kei­ten in der Ampel-Koali­ti­on. «Es ist ja kein Geheim­nis: dass da so laut disku­tiert worden ist, gefällt weder mir noch irgend­wem sonst», sagte er. Vor allem zum sogenann­ten Heizungs­ge­setz hatte es monate­lang hefti­ge Kontro­ver­sen inner­halb der Koali­ti­on aus SPD, Grünen und FDP gegeben.

Scholz sagte weiter, bestimm­te Dinge, die mit dem Innova­ti­ons­tem­po, das sich die Koali­ti­on für Deutsch­land vorge­nom­men habe und die auf Weg gebracht worden seien, seien zum ersten Mal disku­tiert worden. Nicht nur die Regie­rung, sondern auch die Gesell­schaft brauche ein Verständ­nis dafür, dass Kompro­mis­se gute und vernünf­ti­ge Politik sei. Dafür werbe er sehr. Im Ergeb­nis sei nun beim Heizungs­ge­setz eine sehr gute Lösung gefun­den worden. Man müsse sich klarma­chen, dass der Konsens, dass der Kompro­miss, dass das «fünfe gerade sein lassen» ein guter Weg sei, der Deutsch­land aufbau­en werde.

Langfris­tig zwei Prozent für Verteidigung

Angesichts des russi­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukrai­ne sicher­te Scholz zu, dass die Bundes­re­gie­rung langfris­tig zwei Prozent des Brutto­in­lands­pro­dukts für Vertei­di­gung ausge­ben will. «Wir haben uns entschie­den, dass wir diese zwei Prozent für die Vertei­di­gung für die Bundes­wehr aufwen­den wollen. Nächs­tes Jahr werden wir das aus Haushalts­mit­teln und dem Sonder­ver­mö­gen das erste Mal errei­chen», sagte der SPD-Politi­ker. «Und ich wieder­ho­le hier, was ich bei vielen Gelegen­hei­ten gesagt habe: Das wird auch so bleiben, auch wenn das Sonder­ver­mö­gen aufge­braucht ist», ergänz­te Scholz.

Der Nato-Gipfel hatte in dieser Woche in der litaui­schen Haupt­stadt Vilni­us beschlos­sen: «Im Einklang mit unseren Verpflich­tun­gen nach Artikel 3 des Vertrags von Washing­ton verpflich­ten wir uns dauer­haft, jährlich mindes­tens 2 Prozent unseres Brutto­in­lands­pro­dukts in Vertei­di­gung zu inves­tie­ren.» Mit dieser Kompro­miss­for­mu­lie­rung haben die Nato-Staaten beim Gipfel ihren Streit um die Höhe der natio­na­len Vertei­di­gungs­aus­ga­ben vorerst beigelegt.

Der Konven­ti­on gegen Streu­mu­ni­ti­on verpflichtet

Die US-Entschei­dung zur Liefe­rung von Streu­mu­ni­ti­on vertei­dig­te Scholz erneut, beton­te aber zugleich die Bedeu­tung des Vertrags zur Ächtung dieser Art von Muniti­on. Deutsch­land habe die souve­rä­ne Entschei­dung anderer Staaten nicht zu kommen­tie­ren, sagte er. Die US-Regie­rung habe «eine Entschei­dung getrof­fen, die nicht unsere ist, aber die sie souve­rän getrof­fen hat» — mit dem Hinweis, dass sie sonst nicht ausrei­chend Muniti­on zur Verfü­gung stellen könne.

Zugleich unter­strich Scholz: «Aber ich will ergän­zend noch mal sagen: Für mich ist diese Konven­ti­on von großer Bedeu­tung.» Es gehe dabei gar nicht um die Waffe in ihrer Wirkung im Kriegs­ein­satz, «denn alle Waffen, die wir liefern, haben furcht­ba­re Zerstö­rung zur Folge, wenn sie ihre Ziele treffen». Es gehe vielmehr darum, «dass nicht nach dem Krieg und außer­halb der Kriegs­par­tei­en von zufäl­lig herum­lie­gen­der Muniti­on andere bedroht werden». Überall in Deutsch­land, wo Bomben nieder­ge­gan­gen seien, gibt es auch viele Jahrzehn­te nach Ende des Zweiten Weltkrie­ges immer wieder Bomben­alarm. «Und deshalb ist es schon ein sehr berech­tig­tes Anlie­gen, das wir mit dieser Konven­ti­on verfol­gen. Und dem fühle ich mich auch verpflich­tet», sagte Scholz.

Bekennt­nis zur Schuldenbremse

Ausdrück­lich bekann­te sich Scholz zur Schul­den­brem­se. Dass der Etatent­wurf nach den hohen Ausga­ben wegen der Corona-Pande­mie und des Ukrai­ne-Kriegs wieder eine Beschrän­kung der Neuver­schul­dung vorsieht, sei «ein richti­ger Schritt», beton­te Scholz. «Wir sind bei dem Haushalt wieder auf der richti­gen Umlauf­bahn, und das finde ich ein gutes Zeichen.» Der nach monate­lan­gem Koali­ti­ons­streit beschlos­se­ne Entwurf für den Bundes­haus­halt 2024 sieht einen Rückgang der Neuver­schul­dung auf 16,6 Milli­ar­den Euro vor.

Für Polizei­ein­satz bei Schwimmbad-Krawallen

Nach Gewalt­aus­brü­chen in mehre­ren Berli­ner Freibä­dern sprach sich der Bundes­kanz­ler dafür aus, mit Polizei gegen die Randa­lie­rer vorzu­ge­hen. «Es ist völlig richtig, wenn daraus die Konse­quenz gezogen wird, jetzt auch Polizei einzu­set­zen», sagte der SPD-Politi­ker am Freitag in Berlin bei seiner Sommer-Presse­kon­fe­renz. Derar­ti­ge Vorfäl­le dürften nicht «achsel­zu­ckend» zur Kennt­nis genom­men werden, beton­te Scholz. Es müsse klar werden, «dass wir als Staat das nicht dulden».

Am vergan­ge­nen Wochen­en­de hatten gewalt­sa­me Ausein­an­der­set­zun­gen im Colum­bi­a­bad in Berlin-Neukölln für bundes­wei­te Schlag­zei­len gesorgt. Das Freibad ist überre­gio­nal bekannt, weil es dort öfter Randa­le und Proble­me mit Jugend­li­chen gibt. Der Bezirk Neukölln gilt in Teilen als sozia­ler Brenn­punkt. Zur Frage, ob die Vorfäl­le auf Integra­ti­ons­de­fi­zi­te zurück­zu­füh­ren seien, äußer­te sich der Kanzler auswei­chend: «Wer sowas macht, verhält sich nicht so, wie unsere Regeln sind.»