FRANKFURT/MAIN (dpa) — Trotz Hitze­wel­len und Waldbrän­den halten Urlau­be­rin­nen und Urlau­ber belieb­ten Reise­zie­len am Mittel­meer die Treue. Mit fortschrei­ten­dem Klima­wan­del könnte sich das ändern.

Hitze­wel­len in Spani­en und Itali­en, Waldbrän­de auf der griechi­schen Ferien­in­sel Rhodos: Belieb­te Reise­zie­le im Mittel­meer­raum leiden unter Dürre und hohen Tempe­ra­tu­ren. Zieht es Urlau­ber künftig nach Schwe­den oder Irland statt ans Mittel­meer? Auf mögli­che Verschie­bun­gen deuten Ergeb­nis­se einer Umfra­ge hin. Bei den Buchun­gen kann die Branche dies aber noch nicht feststellen.

«Aktuell zeigt sich keine Verän­de­rung im Buchungs­ver­hal­ten aufgrund der langan­hal­ten­den Hitze­wel­le im Süden Europas», sagt Norbert Fiebig, Präsi­dent des Deutschen Reise­ver­ban­des DRV. So boomt beispiels­wei­se nach Angaben des italie­ni­schen Fremden­ver­kehrs­am­tes (Enit) Urlaub in dem Mittel­meer­land. Exper­ten erwar­ten dort einen Rekord-Reisesommer.

Auch in Spani­en gibt es derzeit keine Indizi­en dafür, dass die Touris­ten dem belieb­ten Urlaubs­land wegen der Hitze den Rücken kehren. In den ersten sechs Monaten des Jahres wurde das Land nach Angaben der Statis­tik­be­hör­de INE von 37,5 Millio­nen Menschen aus dem Ausland besucht — 23,7 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

«Klar ist aber: Durch den Klima­wan­del werden Extrem­wet­ter­er­eig­nis­se wie Brände, Dürren, aber auch Überflu­tun­gen et cetera vermehrt auftre­ten», sagt Fiebig. Vor- und Nachsai­son dürften an Bedeu­tung gewin­nen. Reise­kon­zern reagie­ren bereits. So verlän­ger­te beispiels­wei­se Branchen­pri­mus Tui unlängst die Saison in Griechen­land, das Ziel ist nun bis Mitte Novem­ber buchbar.

Preis schlägt Hitze

Nach Einschät­zung von Touris­mus­for­scher Torsten Kirst­ges von der Jade-Hochschu­le in Wilhelms­ha­ven wirkt Hitze generell nicht abschre­ckend auf Urlau­ber. Länder wie die Türkei, Griechen­land oder Tunesi­en und Marok­ko seien seit Jahrzehn­ten gerade im Sommer sehr beliebt, obwohl es dort dann immer sehr warm sei. «Dafür sorgt auch, dass ein Sommer­ur­laub dort oft günsti­ger ist als anders­wo. Da gilt quasi: Preis schlägt Hitze», sagte Kirst­ges der «Wirtschafts­wo­che»

Bei einer Umfra­ge der European Travel Commis­si­on (ETC), der Dachor­ga­ni­sa­ti­on verschie­de­ner europäi­schen Touris­mus­or­ga­ni­sa­tio­nen und ‑behör­den, deute­ten sich aller­dings erste Verschie­bun­gen an. Demnach liegt Spani­en zwar weiter­hin vorn in der Gunst der Menschen, die von Juni bis Novem­ber verrei­sen möchten. Es folgen Frank­reich, Itali­en, Griechen­land und Kroati­en. Aller­dings planen von etwa 6000 europa­weit Befrag­ten 10 Prozent weniger als im vergan­ge­nen Jahr einen Trip in den Mittel­meer­raum. Die Tsche­chi­sche Republik, Bulga­ri­en, Irland und Dänemark erfreu­ten sich dagegen wachsen­der Beliebt­heit. ETC führt dies auf Reisen­de zurück, die weniger überfüll­te Orte und milde­re Tempe­ra­tu­ren suchen.

Nord-Süd-Muster bei Tourismusnachfrage

«Wir gehen davon aus, dass die Reise­strö­me in Europa in Zukunft stärker von unvor­her­seh­ba­ren Wetter­be­din­gun­gen beein­flusst werden», sagt Eduar­do Santan­der, ETC-Exeku­tiv­di­rek­tor. Reisen­de dürften während Hitze­wel­len südli­che Reise­zie­le eher meiden. «Dies könnte dazu führen, dass es mehr Europä­er auf der Suche nach milde­ren Tempe­ra­tu­ren in den Sommer­mo­na­ten zu Zielen in Mittel- und Osteu­ro­pa ziehen wird.» Südli­che Desti­na­tio­nen könnten dann wieder­um mehr Reisen­de im Frühjahr und Herbst erleben.

Wie sich das Reise­ver­hal­ten ändern könnte, zeigt eine Studie der EU-Kommis­si­on. «Wir stellen bei den Verän­de­run­gen der Touris­mus­nach­fra­ge ein klares Nord-Süd-Muster fest», heißt es dort. Bei einer Klima­er­wär­mung von 1,5 Grad und 2 Grad im Vergleich zur vorin­dus­tri­el­len Zeit werden eher gerin­ge­re Verschie­bun­gen erwar­tet. Anders sieht es bei einer Erwär­mung von 3 Grad und 4 Grad aus. Die Regio­nen Mittel- und Nordeu­ro­pas würden voraus­sicht­lich ganzjäh­rig attrak­tiv für touris­ti­sche Aktivi­tä­ten zum Nachteil der südli­chen und mediter­ra­nen Gebiete.

Wilhelms­ha­ven als neue Karibik

Eine generell sinken­de Nachfra­ge nach Urlaub im Mittel­meer­raum wäre für viele Reise­kon­zer­ne keine gute Nachricht. Spani­en und Co. zählen mit Millio­nen Pauschal­rei­sen zu den Umsatz­brin­gern. Skandi­na­vi­en oder Länder in Osteu­ro­pa sind bislang keine Pauschal­rei­se­zie­le im großen Stil. Trips an die Ost- und Nordsee organi­sie­ren viele Urlau­ber zudem selbst und reisen mit dem Auto oder der Bahn an.

Touris­mus­exper­te Kirst­ges schließt nicht aus, dass Nordeu­ro­pa als Reise­ziel bei weite­ren Hitze­som­mern profi­tie­ren könnte. «Dann wird Wilhelms­ha­ven die neue Karibik und die Leute fahren an die deutsche Ostsee, aber auch nach Polen oder nach Nordfrank­reich oder Irland, England, Skandi­na­vi­en, Dänemark». Das gelte aber nur, wenn es dort tatsäch­lich entspre­chend wärmer werde: «Das Urlaubs­mo­tiv Sonnen­wär­me wird meines Erach­tens immer das Entschei­den­de bleiben.»

Von Friede­ri­ke Marx, dpa