Die Bundes­re­gie­rung will eine «Winter­lü­cke» bis zur Wirkung der geplan­ten Gaspreis­brem­se für Haushal­te im Frühjahr teilwei­se schlie­ßen. Die Gaspreis­brem­se soll ab März greifen. «Es wird darüber hinaus eine rückwir­ken­de Entlas­tung zum 1. Febru­ar angestrebt», heißt es in einem am Diens­tag bekannt gewor­de­nen Papier der Bundes­re­gie­rung. Diese plant ein umfang­rei­ches Maßnah­men­pa­ket zur Entlas­tung von Strom- und Gaskun­den. Energie­preis­brem­sen sollen bis zum 30. April 2024 gelten.

Die Bundes­re­gie­rung will damit Vorschlä­ge einer Exper­ten­kom­mis­si­on umset­zen. Am Mittwoch berät Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Regie­rungs­chefin­nen und ‑chefs der Länder über offene Finanz­fra­gen bei Entlas­tun­gen. Dabei geht es etwa um das Wohngeld und den Nahver­kehr. Politi­ker auch aus den Ländern hatten kriti­siert, die geplan­te Gaspreis­brem­se ab März komme zu spät. Ein Überblick:

Wie die Gaspreis­brem­se funktio­nie­ren soll

Haushal­te und kleine­re Unter­neh­men sollen für 80 Prozent ihres bishe­ri­gen Verbrauchs einen garan­tier­ten Gas-Brutto­preis von 12 Cent pro Kilowatt­stun­de bekom­men. Für die restli­chen 20 Prozent des Verbrauchs soll der Vertrags­preis gelten. Für Fernwär­me soll der garan­tier­te Brutto­preis bei 9,5 Cent liegen.

Als Vorjah­res­ver­brauch soll die Jahres­ver­brauchs­pro­gno­se gelten, die der Abschlags­zah­lung für den Septem­ber zugrun­de gelegt wurde. Bei neuen Gasbe­zugs­ver­trä­gen gelten laut eines Papiers aus dem Kanzler­amt wegen des russi­schen Angriffs­krie­ges auf die Ukrai­ne Preise von im Schnitt etwa 21 Cent pro Kilowatt­stun­de. Die monat­li­che Entlas­tung durch die Preis­brem­se soll nicht zurück­ge­zahlt werden müssen, auch wenn die tatsäch­li­che Verbrauchs­men­ge deutlich unter den 80 Prozent des Vorjah­res­ver­brauchs liegt. Das soll einen Anreiz zum Energie­spa­ren geben.

Bei Haushal­ten mit höheren Einkom­men soll die Entlas­tung ab 2023 als geldwer­ter Vorteil besteu­ert werden. Die Exper­ten­kom­mis­si­on hatte dazu ein Einkom­men von mehr als 75.000 Euro im Jahr genannt.

Auch für die Indus­trie ist eine Gaspreis­brem­se geplant, und zwar bereits ab Januar. Diese großen Verbrau­cher sollen einen Garan­tie­preis von 7 Cent pro Kilowatt­stun­de netto für 70 Prozent ihrer bishe­ri­gen Verbrauchs­men­ge erhal­ten, bezogen auf den Verbrauch von Novem­ber 2021 bis Oktober 2022. Dazu kommen dann Steuern und Abgaben. Die indus­tri­el­le Gaspreis­brem­se soll für etwa 25.000 Unter­neh­men sowie 1900 Kranken­häu­ser gelten.

Was zur Einmal­zah­lung für Gaskun­den geplant ist

Zur Überbrü­ckung bis zur Gaspreis­brem­se ist bisher eine Einmal­zah­lung geplant — das Bundes­ka­bi­nett will einen entspre­chen­den Gesetz­ent­wurf am Mittwoch beschlie­ßen. Wie die nun angekün­dig­te weite­re Entlas­tung ausse­hen soll, ist offen. Ein Sprecher des Stadt­wer­ke­ver­ban­des VKU sagte, die komple­xe zweite Stufe der Gas- und Fernwär­me­preis­brem­se von März auf Januar oder Febru­ar vorzu­zie­hen, sei technisch nicht so schnell umsetz­bar. «Wenn die Politik für Febru­ar aller­dings eine rückwir­ken­de Entlas­tung anstrebt, dann muss diese so pauschal und einfach wie möglich ausge­stal­tet sein.»

Für die «Sofort­hil­fe» im Dezem­ber soll für Letzt­ver­brau­cher von Erdgas im Dezem­ber die Pflicht entfal­len, die vertrag­lich verein­bar­te Voraus- oder Abschlags­zah­lung zu leisten. Die Entlas­tung soll auf Grund­la­ge der Jahres­ver­brauchs­pro­gno­se einschließ­lich Septem­ber sowie dem Gaspreis vom Dezem­ber errech­net werden.

Für Mietver­hält­nis­sen ist Folgen­des geplant: Viele Vermie­ter hätten die monat­li­che Voraus­zah­lung noch nicht an die gestie­ge­nen Energie­prei­se angepasst. Daher kämen die höheren Preise bei den Mietern im Rahmen der Betriebs­kos­ten­ab­rech­nung für dieses Jahr an, die aber erst im folgen­den Jahr 2023 erstellt wird. Daher sollen Vermie­ter die Entlas­tung mit der nächs­ten jährli­chen Betriebs­kos­ten­ab­rech­nung an die Mieter weiter­ge­ben. Damit profi­tier­ten diese von der Entlas­tung zu dem Zeitpunkt, in dem sie die gesam­te Preis­stei­ge­rung des Jahres 2022 durch eventu­el­le Nachzah­lun­gen tragen müssten. Als möglich galt inner­halb der Bundes­re­gie­rung aber, dass Mieter, die bereits höhere Abschlä­ge zahlen, schon im Dezem­ber entlas­tet werden.

Wie die Strom­preis­brem­se ausse­hen soll

Ab Januar soll eine Strom­preis­brem­se greifen. Wie bei der Gaspreis­brem­se soll für Haushal­te ein Grund­kon­tin­gent von 80 Prozent des bishe­ri­gen Verbrauchs für einen Brutto-Preis von 40 Cent je Kilowatt­stun­den bereit­ge­stellt werden. Der histo­ri­sche Verbrauch solle sich voraus­sicht­lich an der Jahres­ver­brauchs­pro­gno­se bemessen.

Nach Angaben des Vergleichs­por­tals Verivox liegt der bundes­wei­te Strom­preis derzeit bei durch­schnitt­lich 48,16 Cent je Kilowatt­stun­de. Für einen Drei-Perso­nen-Haushalt mit einem Jahres­ver­brauch von 4000 Kilowatt­stun­den lägen auf dieser Basis die aktuel­len Jahres­kos­ten bei rund 1926 Euro pro Jahr. Bei der geplan­ten Decke­lung würden die jährli­chen Gesamt­kos­ten um rund 14 Prozent auf 1665 Euro sinken. Das entspre­che einer Entlas­tung von rund 260 Euro pro Jahr.

Auch für Indus­trie­be­trie­be plant die Bundes­re­gie­rung eine Strom­preis­brem­se. Sie sollen einen garan­tier­ten Netto­preis von 13 Cent pro Kilowatt­stun­de für ein Strom-Grund­kon­tin­gent von 70 Prozent des histo­ri­schen Verbrauchs bekom­men, der sich am Jahres­ver­brauch für das Jahr 2021 bemisst. Eine Förde­rung der Indus­trie soll unter Beach­tung des europäi­schen Beihil­fe­rechts erfolgen.

Zur Mitfi­nan­zie­rung der Strom­preis­brem­se sollen «Zufalls­ge­win­ne» von Unter­neh­men auf dem Strom­markt rückwir­kend ab 1. Septem­ber abgeschöpft werden. Das betrifft etwa Produ­zen­ten von Ökostrom aus Wind und Sonne, die zuletzt von hohen Preisen an der Börse profi­tiert haben. Hinter­grund sind stark gestie­ge­ne Gasprei­se und der Mecha­nis­mus zur Preis­bil­dung auf dem Strom­markt. Die über die Abschöp­fung erziel­ten Einnah­men werden auf einen zweistel­li­gen Milli­ar­den­be­trag geschätzt.

Laut Papier kostet die Strom­preis­brem­se für Haushal­te und kleine­re Unter­neh­men voraus­sicht­lich zwischen 23 und 33 Milli­ar­den Euro. Der Mittel­be­darf für die indus­tri­el­le Strom­preis­brem­se werde auf weite­re 30 bis 36 Milli­ar­den Euro geschätzt. Für die Gaspreis­brem­se schätzt die Bundes­re­gie­rung Kosten von über 30 Milli­ar­den Euro.

Die Kosten sind abhän­gig von der weite­ren Entwick­lung bei Preisen und Verbrauch. Der weitaus größte Teil dieser Entlas­tun­gen soll über einen «Abwehr­schirm» mit einem Volumen bis zu 200 Milli­ar­den Euro finan­ziert werden, der Bund macht dazu neue Schulden.

Wozu ein Härte­fall­fonds gedacht ist

Ein Härte­fall­fonds soll ferner ein Volumen von 12 Milli­ar­den Euro umfas­sen. Geplant sind Regelun­gen für Verbrau­cher sowie kleine und mittle­re Firmen, die von den Preis­brem­sen nicht genug entlas­tet werden — gelten soll dies laut Papier auch für Wohnungs­un­ter­neh­men sowie Kranken­häu­ser, Pflege­ein­rich­tun­gen oder Kultur­ein­rich­tun­gen. Geplant sind etwa Zuschüs­se und Kredi­te. Details zu den genau­en Antrags­be­din­gun­gen sind offen. Die Bundes­re­gie­rung strebt außer­dem laut Papier eine Härte­fall­re­ge­lung für selbst­ge­nutz­tes Wohnungs­ei­gen­tum an, wo die Bevor­ra­tung anderer Heizmit­tel wie Öl und Holzpel­lets zu «unzumut­ba­ren Belas­tun­gen» führe.

Von Andre­as Hoenig, dpa