SYDNEY (dpa) — Traine­rin Sarina Wiegman kann ihre große Karrie­re wieder nicht mit dem WM-Titel krönen. England trauert mit seinen Liones­ses. Spani­en begeis­tert mit seinem Fußball alle.

Mit der strah­len­den Königin Letizia in ihrer Mitte sangen Spani­ens Fußbal­le­rin­nen «Campeo­nas! Campeo­nas del mundo!» und zeigten stolz auf ihren ersten Stern auf dem Trikot. Ausge­las­sen feier­ten die Spiele­rin­nen um Aitana Bonma­tí, Alexia Putel­las und Salma Paral­lue­lo in Sydney ihren histo­ri­schen Triumph bei der Weltmeis­ter­schaft in Austra­li­en und Neuseeland.

«Es ist schwie­rig, das zu beschrei­ben, eine riesi­ge Freude», sagte der umstrit­te­ne Trainer Jorge Vilda. «Ich bin wahnsin­nig stolz auf dieses Team. Wir haben gezeigt, dass wir auch kämpfen können, leidens­fä­hig sind.»

Carmo­na gelingt das golde­ne Tor im Finale

Die Spanie­rin­nen hatten Europa­meis­ter England in einem mitrei­ßen­den Finale mit 1:0 (1:0) entzau­bert. Das entschei­den­de Tor für die enorm spiel­star­ken neuen Weltmeis­te­rin­nen gelang Kapitä­nin Olga Carmo­na in der 29. Minute. Englands Torhü­te­rin Mary Earps hielt vor 75.784 Zuschau­ern einen Handelf­me­ter von Jenni­fer Hermo­so (70.). Die 33 Jahre alte Spanie­rin weinte nach dem Abpfiff beim TV-Inter­view und sagte mit brüchi­ger Stimme: «Wir haben so viele Tage versucht, uns vorzu­stel­len, wie es ist, Weltmeis­ter zu sein. Wir konnten es nicht.»

Vor 13 Jahren hatten Spani­ens Männer bei der WM in Südafri­ka trium­phiert. Nun rahmten die Fußbal­le­rin­nen den Aufschwung ihres Sports in der Heimat von Champi­ons-League-Sieger FC Barce­lo­na in Gold. Die Englän­de­rin­nen wehrten sich 57 Jahre nach dem WM-Erfolg der Männer in Wembley verge­bens gegen die Überle­gen­heit der Spanie­rin­nen. Die traten am Ende eines hochka­rä­ti­gen Turniers mit erstmals 32 Teilneh­mern und weltwei­ter Aufmerk­sam­keit die Nachfol­ge des US-Teams an, das 2015 und 2019 den Titel gewon­nen hatte.

«Das ist das Harte am Fußball, man verliert auch mal», sagte Englands abgekämpf­te Kapitä­nin Millie Bright. «Die Spanie­rin­nen hatten viel Ballbe­sitz, sie waren einfach besser. Wir werden bald wieder da sein, stärker als zuvor.» Englands Erfolgs­trai­ne­rin Sarina Wiegman hatte vor dem Turnier etliche Ausfäl­le wie die von EM-Torjä­ge­rin Beth Mead und Kapitä­nin Leah William­son zu verkraf­ten. Ihre Spiele­rin­nen besta­chen während des Turniers durch Esprit, Effizi­enz und körper­li­che Wucht — doch im Finale kamen sie oft nicht hinterher. 

Englands Lauren Hemp trifft nur die Latte

Wiegman bestritt das vierte Endspiel bei einem großen Turnier nachein­an­der: 2017 hatte die 53-Jähri­ge bei der WM noch mit der Auswahl ihrer Heimat Nieder­lan­de gegen die USA verlo­ren. Dieses Mal verhin­der­te Spani­en den ganz großen Coup. «Im Moment tut es mir sehr weh, dieses Spiel verlo­ren zu haben. Wenn du in einem Finale stehst, willst du es gewin­nen», sagte Wiegman bei der Presse­kon­fe­renz. «Ich hoffe, ich bekom­me in der Zukunft eine weite­re Chance mit einem Team, das ich trainiere.» 

Chefcoach Vilda hatte Edeljo­ke­rin Paral­lue­lo für Weltfuß­bal­le­rin Putel­las in die Start­elf gestellt. Die 19 Jahre alte frühe­re Leicht­ath­le­tin hatte sich dafür mit jeweils einem Tor im Viertel- und Halbfi­na­le empfoh­len — und legte gleich mächtig los. Immer wieder spiel­te sich Spani­en in der Anfangs­pha­se in den gegne­ri­schen Straf­raum. Paral­lue­lo und Alba Redon­da verpass­ten in der 16. Minute die große Chance zur Führung. 

Auf der Gegen­sei­te schreck­te aber auch Lauren Hemp mit einem Latten­knal­ler die Spanie­rin­nen auf. In Englands Mittel­feld­spie­le­rin Georgia Stanway stand die einzi­ge Bundes­li­ga-Spiele­rin auf dem Platz. Sie musste nach einer knappen halben Stunde mit hinter­her­het­zen, als die Spanie­rin­nen einen blitz­saube­ren Angriff ausspiel­ten, den Carmo­na von Real Madrid mit einem Flach­schuss ins rechte Eck zum 1:0 vollende­te. Die Links­ver­tei­di­ge­rin hatte schon den Siegtref­fer im Halbfi­na­le gegen Schwe­den erzielt. 

Earps hält einen Elfmeter

Wiegman brach­te dann neben dem zuletzt gesperr­ten Jungstar James auch Chloe Kelly, die Siegtor­schüt­zin vom EM-Finale 2022 gegen Deutsch­land. Ihr Team musste aber nach einem Handspiel von Keira Walsh und dem Einsatz des Video­be­wei­ses einen Elfme­ter hinneh­men: Hermo­sos Schuss vom Punkt war aller­dings zu schwach und unplat­ziert für Torfrau Earps.

Prinz William lobte das engli­sche Team trotz des verpass­ten Titels. Auch wenn es nicht das Ergeb­nis gewesen sei, das man sich gewünscht habe, hätten die Liones­ses (Löwin­nen) die Nation stolz gemacht, schrieb der 41 Jahre alte briti­sche Thron­fol­ger in einer Mittei­lung auf dem Kurznach­rich­ten­dienst X, vormals Twitter. Er fügte hinzu: «Euer Geist und Antrieb hat so viele inspi­riert und den Weg geebnet für weite­re Genera­tio­nen. Danke für die Fußball-Erinnerungen.»

Eine beson­de­re Genug­tu­ung dürfte der Titel­ge­winn für Chefcoach Vilda sein. Im vergan­ge­nen Septem­ber hatten 15 Natio­nal­spie­le­rin­nen in einer Mail ihren vorläu­fi­gen Rücktritt aus der spani­schen Auswahl erklärt. Der Verband stell­te sich aber vor Vilda. Drei Spiele­rin­nen — Bonma­tí, Mario­na Calden­tey und Ona Batlle — kehrten wieder in die Auswahl zurück. Vor allem die starke Bonma­tí vom FC Barce­lo­na trug zum WM-Triumph bei, sie wurde von der FIFA auch als beste Spiele­rin des Turniers ausgezeichnet.

Von Ulrike John, Michel­le Ostwald und Jan Mies, dpa