ULM — Rund 1.000 Unter­neh­mer sind am 7. Novem­ber in Ulm gemein­sam auf die Straße gegan­gen. Sie haben gegen den Bürokra­tie-Wahnsinn protes­tiert, der die tägli­che Arbeit und das ganze Land lähmt. Eine ungewöhn­li­che Aktion, die für Aufse­hen gesorgt hat. 

Der Frust der Betriebs­in­ha­ber und Unter­neh­mer ist groß: „Wir ersti­cken in Forma­lis­mus“ und „Lasst die Wirtschaft von der Leine!“ sind nur zwei der vielen Aufschrif­ten, die auf Bannern im Demons­tra­ti­ons­zug mitge­tra­gen wurden. „Eine tolle Aktion zur richti­gen Zeit“ meint einer der vielen Teilneh­men­den an der durch Handwerks­kam­mer, IHK und Südwest­me­tall organi­sier­ten Aktion.

Aber warum gerade jetzt diese Demons­tra­ti­on gegen ersti­cken­de Bürokra­tie? „Wir als Vertre­tung des Handwerks sind schon seit Langem aktiv. Die Wirkung ist aber bislang ausge­blie­ben. Bürokra­tie ist neben dem Fachkräf­te­man­gel die größte Bremse für unsere Betrie­be, egal in welchem Gewerk. Angesichts der immer weiter zuneh­men­den Bürokra­ti­sie­rung ist es an der Zeit, zu handeln“, so Dr. Tobias Mehlich, Haupt­ge­schäfts­füh­rer der Handwerks­kam­mer Ulm.

Denn in einer Zeit des wachsen­den Fachkräf­te­man­gels ist es alarmie­rend, wenn Betriebs­in­ha­ber sagen, dass sie immer mehr Zeit am Schreib­tisch statt beim Kunden verbrin­gen, zum Teil bis zu 50 Prozent ihrer Zeit. Handwerks­kam­mer-Präsi­dent Joachim Krimmer, der selbst einen SHK-Betrieb führt, meint: „Wir werden zuneh­mend zum Hilfs-Sheriff für Staat und Verwal­tung. Diesen hohen Aufwand können unsere Handwerks­be­trie­be nicht länger leisten.“ So müssten seine Mitar­bei­ten­den viele Stunden in der Woche ihren Kunden beim Weg durch den Forma­li­en-Dschun­gel helfen. „Wenn zum Beispiel jemand seine Heizung austauscht, muss er gegen­über der Baurechts­be­hör­de nachwei­sen, dass mindes­tens 15 Prozent der Wärme durch die Nutzung von erneu­er­ba­ren Energien oder Ersatz­maß­nah­men erzeugt werden. Das bekommt der Kunde allein gar nicht hin.“ Das Verfah­ren auf der Website des Umwelt­mi­nis­te­ri­ums sei dabei so kompli­ziert, dass es nahezu immer die Unter­stüt­zung eines Meisters brauche, um alles richtig auszu­fül­len und die zusätz­lich einzu­rei­chen­den Dokumen­te zusam­men­zu­su­chen. „Das ist Zeit, die uns fehlt, unsere eigent­li­che Arbeit zu tun. Und das, obwohl wir gerade für die Umset­zung der Energie­wen­de wirklich jede Hand brauchen“, so Krimmer. „Und das ist Bürokra­tie-Zeit, die die Leistung für den Verbrau­cher verteuert.“

Auch wird der Schritt in die Selbst­stän­dig­keit für Handwer­ke­rin­nen und Handwer­ker durch die zuneh­men­de Bürokra­tie immer unattrak­ti­ver: In einer Umfra­ge der Handwerks­kam­mer geben knapp zwei von drei Befrag­ten an, dass die bürokra­ti­sche Last abschre­ckend ist. Neben dem steigen­den Fachkräf­te­be­darf sehen die Handwerks­be­trie­be im Gebiet der Handwerks­kam­mer Ulm gerade bei diesem Thema den größten Handlungs­be­darf. Drei von vier Betrie­ben leiden laut Umfra­ge im Alltag zuneh­mend unter den Bürokratiebelastungen.

Fehlen­de Digita­li­sie­rung und Doppe­lun­gen verlän­gern und verteu­ern die Arbeit zusätz­lich. Viele Betrie­be fühlen sich bevor­mun­det und im Kleins­ten kontrol­liert. „Die überbor­den­de Bürokra­tie kann den Betriebs­in­ha­bern die Freude am Unter­neh­mer­tun nehmen. Das darf nicht gesche­hen. Unsere Handwerks­be­trie­be würden lieber ihrer handwerk­li­chen Tätig­keit nachge­hen und die Versor­gung der Verbrau­cher sicher­stel­len, als sich im Dickicht der Bürokra­tie und des Papiers zu verlie­ren und ausbrem­sen zu lassen,“ sagt Mehlich. Die Demons­tra­ti­ons­teil­neh­mer bestä­ti­gen diese Aussa­gen, jeder kann ein Beispiel nennen, wie Bürokra­tie den Unter­neh­mens­all­tag unnötig erschwert. Deshalb betont Mehlich: „Das ist keine leich­te Aufga­be. Aber wir müssen der ständig weiter­wach­sen­den Bürokra­tie entschie­den entge­gen­tre­ten. Genug ist genug.“ Die Handwerks­kam­mer Ulm fordert deshalb, dass sowohl im Landtag als auch im Bundes­tag ein eigener Ausschuss Bürokra­tie­ent­las­tung einge­setzt wird. Mehlich weiter: „Dann hätte der Gesetz­ge­ber unseren Hilfe­ruf auf der Straße gehört.“