WIESBADEN/BERLIN (dpa) — Seit Monaten macht die hohe Teuerung den Menschen in Deutsch­land zu schaf­fen. Nun zeigt der Trend nach unten. Verbrau­cher­schüt­zer sehen aller­dings keinen Grund für Entwarnung.

Die hohe Teuerung bleibt trotz eines erneu­ten Rückgangs im Mai eine Belas­tung für die Menschen in Deutsch­land. «Die Verbrau­cher­kri­se ist noch lange nicht vorbei», sagte die Chefin des Verbrau­cher­zen­tra­le Bundes­ver­ban­des (vzbv), Ramona Pop, der Deutschen Presse-Agentur. «Finan­zi­el­le Sorgen zwingen die Menschen in allen Berei­chen des Alltags zu sparen: vom Energie­ver­brauch bis zum Reisen.»

Einer Forsa-Umfra­ge im Auftrag des Verban­des zufol­ge schrän­ken sich aktuell 44 Prozent der Bundes­bür­ger nach eigenen Angaben auch beim Kauf von Lebens­mit­teln ein. In der Umfra­ge im vergan­ge­nen Jahr waren es 35 Prozent.

Immer­hin hat der Preis­auf­trieb auf Verbrau­cher­ebe­ne im dritten Monat in Folge an Tempo verlo­ren. Im Mai ließ die Teuerung in Deutsch­land deutlich auf 6,1 Prozent nach, die jährli­che Infla­ti­ons­ra­te sank auf den niedrigs­ten Stand seit März 2022 mit damals 5,9 Prozent. Das Statis­ti­sche Bundes­amt bestä­tig­te am Diens­tag seine vorläu­fi­gen Zahlen von Ende Mai. «Die Infla­ti­ons­ra­te hat sich damit weiter abgeschwächt, bleibt jedoch trotz­dem auf einem hohen Niveau», ordne­te Behör­den­che­fin Ruth Brand ein.

Lebens­mit­tel stärks­ter Preistreiber

Sowohl die Preise für Nahrungs­mit­tel als auch für Energie stiegen nach Berech­nun­gen der Wiesba­de­ner Statis­ti­ker weitaus weniger stark als noch im April des laufen­den Jahres. Nahrungs­mit­tel als weiter­hin stärks­ter Preis­trei­ber waren im Mai 2023 um 14,9 Prozent teurer als ein Jahr zuvor. Im April hatten die Nahrungs­mit­tel­prei­se noch um 17,2 Prozent über dem Niveau des Vorjah­res­mo­nats gelegen.

Teurer als vor Jahres­frist waren im Mai Molke­rei­pro­duk­te (plus 28,2 Prozent), Brot und Getrei­de­er­zeug­nis­se (plus 19,3 Prozent) sowie Fisch (plus 19,0 Prozent). Günsti­ger waren Speise­fet­te, insbe­son­de­re infol­ge des Preis­rück­gangs bei Butter (minus 23,3 Prozent).

Der Preis­auf­trieb bei Energie schwäch­te sich deutlich ab: Die Energie­prei­se lagen im Mai 2023 vergli­chen mit dem Vorjah­res­mo­nat um 2,6 Prozent höher. Im April waren es 6,8 Prozent. Die Bundes­re­gie­rung bemüht sich um Entlas­tung: Die rückwir­kend zum 1. Januar gelten­den Preis­brem­sen sollen Erdgas, Strom und Fernwär­me erschwing­li­cher machen. Aller­dings waren Erdgas (plus 25,6 Prozent), Strom (plus 12,7 Prozent) und Fernwär­me (plus 11,4 Prozent) weiter­hin deutlich teurer als ein Jahr zuvor. Dagegen sanken die Preise für Kraft­stof­fe (minus 14,2 Prozent) und Heizöl (minus 30,5 Prozent).

Preis­dämp­fend wirkte die Einfüh­rung des Deutsch­land­ti­ckets zum 1. Mai. So mussten viele Menschen für das Pendeln zur Arbeit und andere Fahrten im öffent­li­chen Perso­nen­nah­ver­kehr weniger Geld ausge­ben. Die kombi­nier­ten Tickets für Bahn und Bus verbil­lig­ten sich um 22,9 Prozent.

Viele Menschen schrän­ken sich ein

Seit Monaten belas­tet die hohe Teuerung Verbrau­che­rin­nen und Verbrau­cher. Sie zehrt an der Kaufkraft, die Menschen können sich für einen Euro weniger leisten. Viele Menschen schrän­ken sich wegen hoher Preise ein, wie die Umfra­ge für die Verbrau­cher­zen­tra­len bestä­tig­te. Beim Energie­ver­brauch sparen demnach 76 Prozent nach 78 Prozent bei der Erhebung vor einem Jahr. Mit Besuchen in Bars und Restau­rants halten sich aktuell 61 Prozent zurück nach zuvor 53 Prozent. Bei Urlaub und Reisen sparen demnach 56 Prozent nach zuvor 50 Prozent.

Der Höhepunkt der Infla­ti­on in Deutsch­land scheint zumin­dest überschrit­ten. Im März des laufen­den Jahres lag die Infla­ti­ons­ra­te mit 7,4 Prozent erstmals seit August 2022 wieder unter der 8‑Pro­zent-Marke. Für April hatte das Bundes­amt eine Teuerungs­ra­te von 7,2 Prozent errech­net. Von April auf Mai des laufen­den Jahres sanken die Verbrau­cher­prei­se den Berech­nun­gen zufol­ge um 0,1 Prozent.

«Bis zum Jahres­en­de dürfte sich nun der Trend fallen­der Infla­ti­ons­ra­ten fortset­zen», prognos­ti­zier­te der wissen­schaft­li­che Direk­tor des Insti­tuts für Makro­öko­no­mie und Konjunk­tur­for­schung (IMK) der gewerk­schafts­na­hen Hans-Böckler-Stiftung, Sebas­ti­an Dulli­en. «Aller­dings dürfte insbe­son­de­re aufgrund der hohen Infla­ti­on zum Jahres­be­ginn die Teuerung im Gesamt­jahr 2023 noch bei mehr als 5 Prozent liegen.»

Menschen mit gerin­gem Einkom­men benöti­gen Hilfe

Vor allem Nahrungs­mit­tel und auch Energie sind nach wie vor Preis­trei­ber. Rechnet man diese beiden Posten heraus, lag die Infla­ti­ons­ra­te im Mai bei 5,4 Prozent. «Gerade Menschen mit gerin­gem Einkom­men benöti­gen Hilfe. Die Preis­brem­sen für Energie waren ein erster Schritt. Die Abschaf­fung der Mehrwert­steu­er auf gesun­de Lebens­mit­tel muss der nächs­te sein», forder­te vzbv-Vorstän­din Pop.

Dulli­en analy­sier­te: «Die Kernin­fla­ti­on ohne Energie und Nahrungs­mit­tel ist zwar weiter noch unange­nehm hoch, aller­dings ist auch hier in den kommen­den Monaten mit Entspan­nung zu rechnen.» Die Energie­prei­se im Großhan­del sänken derzeit, «was sich demnächst auch bei Preisen der anderen Güter und Dienst­leis­tun­gen bemerk­bar machen dürfte».

Andere Ökono­men mahnten jüngst, nicht zu früh Entwar­nung zu geben. Die durch steigen­de Lohnkos­ten getrie­be­ne Infla­ti­on bei vielen Dienst­leis­tun­gen komme jetzt erst richtig in Gang. «In den Sommer­mo­na­ten werden Verbrau­che­rin­nen und Verbrau­cher dies bei den Preisen für Touris­mus-Dienst­leis­tun­gen stark spüren», prognos­ti­zier­te Ende Mai Fried­rich Heine­mann vom ZEW — Leibniz-Zentrum für Europäi­sche Wirtschafts­for­schung in Mannheim die — nun bestä­tig­ten — vorläu­fi­gen Zahlen des Statis­ti­schen Bundesamtes.

Von Jörn Bender und Sascha Meyer, dpa