BERLIN (dpa) — Eine Apothe­ke in der Nähe ist für viele Menschen wichtig. Doch das Netz schrumpft seit Jahren. Jetzt machte die Branche mit einem Aktions­tag für besse­re Bedin­gun­gen und höhere Vergü­tun­gen mobil.

Aus Protest gegen die Gesund­heits­po­li­tik sind am Mittwoch vieler­orts in Deutsch­land Apothe­ken geschlos­sen geblie­ben. «Diese Bundes­re­gie­rung schwächt die flächen­de­cken­de Versor­gung mit Arznei­mit­teln, statt sie zukunfts­fest zu machen», sagte die Präsi­den­tin der Bundes­ver­ei­ni­gung Deutscher Apothe­ker­ver­bän­de (Abda), Gabrie­le Regina Overwi­ening. Die Apothe­ken­teams bräuch­ten wieder eine Perspek­ti­ve mit mehr Honorar, mehr Entschei­dungs­kom­pe­ten­zen und weniger Bürokra­tie. Die Arznei­mit­tel­ver­sor­gung sollte während des Protest­ta­ges über 1200 Notdienstapo­the­ken aufrecht­erhal­ten werden.

Die meisten der bundes­weit knapp 18.000 Apothe­ken wollten sich nach Verbands­an­ga­ben an den Protest-Schlie­ßun­gen betei­li­gen. In mehre­ren Städten waren auch Demons­tra­tio­nen und Kundge­bun­gen geplant. Der Präsi­dent der Bundes­apo­the­ker­kam­mer, Thomas Benkert, sagte, man wolle der Gesell­schaft zeigen, wie groß die Bedeu­tung der Apothe­ken für die Versor­gung sei — und wie drama­tisch es wäre, wenn noch mehr Apothe­ken als verläss­li­che Anlauf­stel­len vor Ort verschwin­den würden.

Eigen­in­ter­es­se statt Sorge um Patientenschutz?

Die Deutsche Stiftung Patien­ten­schutz kriti­sier­te die Schlie­ßun­gen. Lobby­is­ten gäben immer wieder vor, für die Patien­ten zu handeln, sagte Vorstand Eugen Brysch. Dabei sei letzt­end­lich Eigen­in­ter­es­se die Motiva­ti­on für solche Aktio­nen auf Kosten der Patien­ten. Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) hatte Forde­run­gen nach mehr Geld für Apothe­ken bereits eine Absage erteilt. Mangels zusätz­li­cher Haushalts­mit­tel und steigen­der Beiträ­ge für die gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­run­gen (GKV) gebe es die Spiel­räu­me dafür im Moment leider nicht.

Der FDP-Gesund­heits­po­li­ti­ker Lars Linde­mann sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wenn der finan­zi­el­le Spiel­raum nicht viel zulässt, dann müssen wir die Rahmen­be­din­gun­gen ändern.» Apothe­ken bräuch­ten weniger Bürokra­tie, maxima­le Flexi­bi­li­tät und Planungs­si­cher­heit. Darauf sollte sich der Minis­ter konzen­trie­ren und mit den Apothe­ken in den Austausch gehen. Ein pauscha­les Nein bringe keine Lösung. Klar sei: «Geschlos­se­ne Apothe­ken­tü­ren dürfen nicht zum Alltag werden.»

Die Forde­run­gen: Die Branche verlangt, eine seit zehn Jahren nicht erhöh­te fixe Pauscha­le von 8,35 Euro pro rezept­pflich­ti­gem Medika­ment für Beratung auf 12 Euro anzuhe­ben. Sie müsse dann auch regel­mä­ßig an die Kosten­ent­wick­lung angepasst werden. Kommen solle eine zusätz­li­che Pauscha­le für jede Apothe­ke, um das Versor­gungs­an­ge­bot in der Fläche als solches abzusi­chern. Für den Extra-Aufwand bei nicht liefer­ba­ren Medika­men­ten solle es für jeden Austausch 21 Euro als Zuschlag geben.

Milli­ar­den Euro Mehrein­nah­me ohne Verbes­se­rung für Patienten

Die Sicht der Kassen: Der GKV-Spitzen­ver­band argumen­tiert, das Honorar steige unauf­hör­lich, weil Apothe­ken zusätz­lich zur Pauscha­le für jedes Medika­ment drei Prozent vom Einkaufs­preis erhal­ten. «Mit jeder Preis­stei­ge­rung, mit jedem neuen, teure­ren Medika­ment steigt auch das Honorar des Apothe­kers», sagte Sprecher Flori­an Lanz. So erhiel­ten Apothe­ken fürs Abgeben eines Standard-Antibio­ti­kums rund 7 Euro pro Packung und für ein Multi­ple-Sklero­se-Mittel 160,71 Euro. Würde der Fixbe­trag wie gefor­dert auf 12 Euro pro Packung erhöht, wären das Mehrein­nah­men von 2,2 Milli­ar­den Euro für die Apothe­ken — ohne, dass für Patien­tin­nen und Patien­ten irgend­et­was besser würde.

Das Netz: Die Zahl der Apothe­ken in Deutsch­land schrumpft. Ende März gab es noch 17 939 — das war der niedrigs­te Stand seit mehr als 40 Jahren. Seit Ende vergan­ge­nen Jahres gab es damit bundes­weit 129 Apothe­ken weniger: 17 Neueröff­nun­gen standen 146 Schlie­ßun­gen im ersten Quartal 2023 gegen­über. Erfasst werden jeweils Haupt­apo­the­ken und Filia­len, von denen Apothe­ker bis zu drei betrei­ben können.

Die Lage: Die Beschäf­tig­ten­zahl in Apothe­ken ging nach Branchen­da­ten im vergan­ge­nen Jahr leicht auf 159 352 zurück. An Patien­ten abgege­ben wurden 1,4 Milli­ar­den rezept­pflich­ti­ge und rezept­freie Arznei­mit­tel. Der Gesamt­um­satz der Apothe­ken stieg auf knapp 64,9 Milli­ar­den Euro. Der Betriebs­ge­winn vor Steuern einer durch­schnitt­li­chen Apothe­ke sank demnach auf 162 890 Euro. Für dieses Jahr erwar­tet der DAV allein aufgrund höherer Tarif­löh­ne eine Mehrbe­las­tung von 10 000 Euro pro durch­schnitt­li­cher Apotheke.